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Landkreis Rotenburg veröffentlicht Integrationskonzept

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Von: Andreas Schultz

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Im Flur der Übergangskita an der Wiedau kann es schon einmal laut werden – das fröhliche Kindergekreische ist vielsprachig. Kein Wunder, mussten doch viele von ihnen aus anderen Ländern flüchten.
Integration ist nicht nur im Kindergarten an der Wiedau in Rotenburg Thema, sondern gesamtgesellschaftliche Aufgabe – nur eine Feststellung aus dem Integrationskonzept des Landkreises. © Schultz

Wie kann Integration gelingen? Der Landkreis Rotenburg hat ein Konzpet erarbeitet, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Das soll nicht nur den Zugang zur Gesellschaft für Flüchtlinge aus der Ukraine verbessern, sondern auch bei künftiger Migration das Zusammenleben.

Rotenburg – „Das ist das Ergebnis eines langen Prozesses“, sagt Gerd Hachmöller von der Stabstelle Kreisentwicklung im Landkreis Rotenburg. Vor ihm und den Mitgliedern des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit liegen in diesem Augenblick 30 Seiten, die große Auswirkungen auf das Leben vieler Geflüchteter und anderweitig Zugezogener aus dem Ausland haben dürfte: Das Integrationskonzept ist fertig.

Wie vielschichtig Integration ist, was dazu gehört und wen es angeht, haben verschiedene Akteure im Landkreis unter der Begleitung durch das Institut für sozialpädagogische Forschung Mainz genau definiert – und zwar in vier Handlungsfeldern: Ausbildung und Arbeit, Sprache und Bildung, Gesellschaftliche Integration, Interkulturelle Öffnung der Verwaltung und Zusammenarbeit im Netzwerk. „Ziel ist es, einen Orientierungsrahmen für das Integrationsmanagement zu schaffen“, erläutert Franziska Wronka als Mitarbeiterin der Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe der Stabstelle Kreisentwicklung. Sie war wesentlich an der Bearbeitung des Dokuments beteiligt – und zwar so sehr, dass Hachmöller ihr bescheinigt, das Integrationskonzept trage deutlich „ihre Handschrift“.

Und die schreibt beispielsweise vom Leitziel, Eingewanderten nach der Schule Berufsorientierung zu bieten und die Aufnahme von Ausbildung zu gewährleisten – dabei hilft es laut Papier bereits, derartige existierende Angebote bei Einwandererfamilien bekannter zu machen. Für diese Ziele hat die Arbeitsgruppe eine Vielzahl von Empfehlungen erarbeitet: die Entwicklung entsprechender Fortbildungsformaten, die Ausgabe von Infomaterial – bei Bedarf in übersetzter Fassung –, gemeinsame Projekte von bestenfalls vernetzten Partnern wie Jobcenter, Bundesagentur für Arbeit und Beratungsstellen. Ebenfalls umfangreich sind Ziele und Empfehlungen im Handlungsfeld „Sprache und Bildung“: einfacher Zugang zu Deutschkursen, kostenlose Beistellung von Sprachmittlern, der Einsatz sogenannter Sprachlernkoffer an Schulen und in Vereinen – und nicht zuletzt Mittel und Wege, die Elternbeteiligung zu erhöhen. Am umfangreichsten und thematisch am breitesten aufgestellt ist das Handlungsfeld „Gesellschaftliche Integration“: Da geht es neben vielen anderen Ansätzen um Beteiligung von Eingewanderten in der Kommunalpolitik, Teilnahme an Wahlen und Vereinsarbeit, Bildung von Alltagskompetenzen und vieles mehr.

Letztlich solle das Papier auch bei der Prävention helfen: Damit der Landkreis und seine Akteure in Sachen Integration „vor die Lage kommen“, wie Wronka sagt, – sollten beispielsweise neue einschlägige Ereignissen wie die Kriege in Syrien und in der Ukraine für das nächste erhöhte Flüchtlingsaufkommen sorgen.

Das mag auf den ersten Blick ironisch anmuten: Die beigefügten Statistiken zur Bevölkerungszusammensetzung im Landkreis und zur Zusammensetzung des Ausländeranteils mangels neuerer Daten von Ende 2021 – so hinkt man zumindest mit Blick auf die Zahlen ein Stück hinterher. So wird zum Beispiel mit Blick auf Daten vom Landesamt für Statistik Niedersachsen deutlich, dass die häufigste Staatsangehörigkeit von Ausländern im Landkreis Ende 2021 Polen (1 930 Menschen) war, gefolgt von Syrien (1 370), Rumänien (925), den Niederlanden (810) und der Türkei (735). Von Geflüchteten aus der Ukraine – oder allgemeiner: Menschen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft – ist da noch gar nicht die Rede. Allerdings versichert Wronka, dass bei der Arbeit bis zur vor Kurzem erschienen Endversion aktuelle Erkenntnisse eingeflossen sind. Gleichzeitig seien die „Schlussfolgerungen und formulierten Ziele quasi zeitlos“. Dennoch müsse das Konzept laufend fortgeschrieben werden „und nach der Lektüre nicht einfach in den Schubladen diverser Schreibtische im Landkreis verschwinden“, wie es im Dokument selbst heißt.

Zielgruppe des Dokuments seien explizit nicht nur Geflüchtete und Migrierte, sondern die gesamte Gesellschaft. Heißt: Die Schwerpunkte, die das Integrationskonzept setzt, und die zugehörige Prioritätenliste an möglichen Maßnahmen zielen neben den vielen haupt- und ehrenamtlichen Helfern auch auf alltägliche Einrichtungen. Zum Beispiel die Verwaltung der Kommunen und des Landkreises, aber auch auf Vereine und diverse Gruppen von Zugewanderten. Das hängt nicht zuletzt auch mit dem Integrationsverständnis zusammen, dass das Papier formuliert: „Teilhabe von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund an zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens wie zum Beispiel frühkindliche Erziehung, schulische Bildung, berufliche Ausbildung, Zugang zum Arbeitsmarkt, Teilhabe an den rechtlichen und sozialen Sicherungs- und Schutzsystemen, bis hin zur statusabhängigen politischen Teilhabe“, heißt es dort angelehnt an den Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Und weiter: „Aber echte Integration beinhaltet auch die Akzeptanz gesellschaftlicher Normen und Gesetze sowie eine gemeinsame Wertebasis als Voraussetzung für ein friedliches, produktives und respektvolles Zusammenleben.“ Eben eine Daueraufgabe – für alle. „Es braucht Offenheit, Toleranz, Begegnung und Austausch. Vielfalt sollte als Normalfall, als Selbstverständlichkeit angesehen werden“, sagt Wronka. Die von ihr formulierte Quintessenz: Jeder Mensch sollte Möglichkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft haben – das aber auch wollen.

Das Dokument

Das Integrationskonzept finden Interessierte im Ratsinformationssystem auf der Internetseite des Landkreises: www.lk-row.de.

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