Seit 2014 ist Verdi auch bei den Tarifverhandlungen für die Diakonie-Beschäftigten in Niedersachsen offiziell mit im Boot. Der aktuelle Tarif läuft Ende August aus. „Die Verhandlungsgespräche sollen vor den Sommerferien beginnen“, so Pähler. Er spricht von einem entsprechenden Signal der Arbeitgeber.
Auch dann geht‘s um mehr als nur ums Geld. „Das Klatschen 2020 hat nicht für Verbesserungen in der Pflege gesorgt“, sagt Pähler. Torsten Rathje spricht vom „dauernden Prozess des Personalmangels“. In den drei Corona-Jahren hätten beide Häuser viele Mitarbeiter verloren. Wird eine Stelle in den Werken frei, dauere es im Durchschnitt drei Monate, bis sie wieder besetzt werden kann.
Es seien die Rahmenbedingungen und die sinkende Attraktivität der Jobs. Das mache es schwer, neue Kollegen zu finden. Schichtdienste, die hierarchischen Strukturen, zu wenig Zeit für die Patienten und Bewohner. Die Belastung steigt, und immer häufiger komme es zu Überlastungen, berichten die beiden MAV-Vorsitzenden. Folge: Es gebe mehr sogenannte „Gefährdungsanzeigen“. Der Job von Rathjen und Pähler ist gezeichnet davon. Pähler: „Es klingelt viel häufiger das Telefon. Das alles verändert auch unsere Arbeit.“ Immer häufiger benötigten Kollegen Rat und oder sind sogar in Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten verwickelt. Rathje: „Die Themen sind viel komplexer geworden, wir mussten uns inhaltlich neu aufstellen.“
Im Diakonieklinikum geht es um etwa 2 500 Beschäftigte, in den Rotenburger Werken sind es etwas mehr als 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind zusammen etwa zehn Prozent der Diakonie-Beschäftigten in Niedersachsen. Die Situation ist in den meisten Häusern und Einrichtungen ähnlich. Gefährdungsanzeigen nehmen auch an anderen Orten zu. Was steckt aber dahinter? „Es geht um die eigene Gesundheit der Kollegen, um Arbeitssicherheit, die angesichts der Belastung gefährdet sei, aber auch um die sichere Versorgung der Patienten“, erklärt Hans Pähler.
Was kann man machen? Man müsse, so Rathje, nicht nur über ein gutes Ausfallmanagement nachdenken, sondern sich auch mit neuen Arbeitszeitmodellen beschäftigen, um die hohe Belastung gleichmäßiger verteilen zu können. Erforderlich seien dafür freilich strukturelle Veränderungen. „Die Geschäftsführung reagiert darauf dankbar und ist sehr kooperativ“, berichtet Rathje von einem guten Miteinander. Pähler stimmt für die Werke zu.
Ein wenig lässt sich das personelle Dilemma in Zahlen ausdrücken. Im Diakonieklinikum seien zuletzt 500 bis 600 Dienste zusammengekommen, die „reorganisiert“ werden mussten – in nur einem Monat. Die MAV sei daran beteiligt. Und das betreffe nur die Pflege. Zwischen 400 und 500 Dienste sind es in den Rotenburger Werken. Rathje sorgt sich im Fall des Krankenhauses um den Status als Maximalversorger. Ließe dieser sich auf Dauer nicht halten, „wäre es fatal für die Region“. Pählers Sorgen zielen mehr auf die Belegschaft ab. Es gehe um eine Arbeitsqualität, die unbedingt gehalten werden müsse.
Mehr Personal muss her – und um das zu erreichen, sei es ganz entscheidend, die Kollegen gut zu bezahlen. Die Inflation, die Notwendigkeit eines eigenen Autos, um hier im ländlichen Raum zur Arbeit zu kommen: Das seien ganz wesentliche Gründe, weshalb ein großer Schluck aus der Pulle angemessen ist. Man orientiert sich bewusst an de Forderungen und am Abschluss für den öffentlichen Dienst.
Das zu unterstreichen, ist das Ansinnen mit der aktiven Mittagspause. Schon mehrmals haben die MAV vom Diako und der Werke dazu eingeladen, wenn eine neue Tarifrunde anstand. Man trifft sich am Kreisel vor dem Diako am 15. März von 12 bis 15 Uhr. „Wir wissen, dass viele Kollegen vielleicht nur kurz mal dazukommen können, deshalb haben wir das Zeitfenster so angelegt“, sagt Pähler. Wie viele kommen, lasse sich nicht sagen. Auf jeden Fall seien die Kollegen sehr interessiert. Am Ende wird das Wetter entscheidend sein. Nicht nur in diesem Punkt zeigen sich Rathje und Pähler zuversichtlich.