Unermüdlich auf Achse: Günter Gruß aus Lauenbrück lenkt 600 Mal den Bürgerbus

Lauenbrück – Nein, langweilig sei ihm nicht in seinem Rentnerleben, er sei ja häufig noch auf Achse. Ja, das stimmt. Günter Gruß ist viel unterwegs. Sehr viel. Seit Ende 2014 lenkt der heute 72-Jährige den „Fintau-Shuttle“ mit sicherer Hand durch die Samtgemeinde Fintel, zählt damit zu den freiwilligen Bürgerbus-Fahrern der ersten Stunde. Viele ehrenamtliche Chauffeure sind gekommen und – meistens aus Altersgründen – auch wieder gegangen, auf Gruß aber sei immer Verlass gewesen, lobt Hans-Jürgen Schnellrieder, der Vorsitzende des Bürgerbusvereins, das unermüdliche Engagement.
Eines, das in Zahlen ausgedrückt staunen lässt: Denn wo andere treue Fahrer seit der vor knapp sieben Jahren begonnenen ÖPNV-Mobilitätsofferte vielleicht „erst“ auf 100, in seltenen Fällen sogar auf 200 oder 300 Touren kommen, setzte Gruß sich am Donnerstagmorgen sage und schreibe schon zum 600. Mal hinter das Shuttle-Lenkrad. Natürlich nahmen Vorstand und Mitstreiter das zum Anlass, das Fahrtenjubiläum gebührend zu feiern – während eines planmäßigen Zwischenstopps am Lauenbrücker Bahnhof. „Ihr seid ja mal wieder klasse!“, kommentierte Gruß den fröhlichen Empfang, den ihm das gute Dutzend einmal mehr bereitet hatte. So stand der frühere Kraftfahrer erst im vergangenen November im Mittelpunkt – seinerzeit anlässlich seiner 500. Fahrt.
So langsam schleicht sich also Routine ein. Und ja: Es gab schon wieder eine Urkunde aus den Händen des Vereinschefs und auch über einen neuen „Einsatz-Pulli“ durfte sich der ruhelose Ruheständler freuen. Nur stand dieses Mal doch alles unter einem etwas anderen Stern. Denn Günter Gruß zählte in diesem Sommer zu jenem erlesenen Kreis verdienstvoller Menschen, der zum Staatsempfang des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier nach Berlin eingeladen war. Ein Aufenthalt im Garten des Schlosses Bellevue, den er und Ehefrau Karin, die ihn begleiten durfte, ganz gewiss nicht so schnell vergessen werden, wie er selbst sagt. „Das war mal was anderes.“

Wie es zu der Überraschung von höchster Stelle überhaupt gekommen war? Man möchte meinen, der politisch versierte Bürgerbus-Vorsitzende hatte seine Finger im Spiel. Einräumen will Hans-Jürgen Schnellrieder das aber nicht. Nur so viel ist ihm zu entlocken: „Wir pflegen unsere Ehrenamtler.“
Er jedenfalls habe die Einladung mit dem darin eingearbeiteten Bundesadler zweimal lesen müssen, erinnert sich der „Fintau-Shuttle“-Fahrer, und es erst gar nicht glauben können.
„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, hieß es für das Paar also am 20. August, einem Freitag. „Am Eingang zum Schloss war zwar der rote Teppich wie für hohe Staatsgäste ausgerollt, aber auch ein ordentlicher Apparat an Wachpersonal zugegen“, schildert Karin Gruß das Szenario. „Das war ein Check-in wie am Flughafen, mit Piepser aber ohne abtasten“, ergänzt ihr Mann. Dann sei man durch die Empfangshalle hin zum festlich dekorierten Garten geschritten. Es spielte die Neue Philharmonie Berlin, durchs Programm führte die bekannte TV-Moderatorin Nazan Eckes. Später sollten noch die Schlagzeugmafia spielen sowie Sängerin Joy Denalane mit Band und Sänger Laith Al-Deen mit der Big Band der Bundeswehr auftreten.
Am frühen Abend trat Steinmeier schließlich ans Rednerpult, seine Würdigung für die Ehrenamtlichen war nachher unter anderem auch in der Tagesschau zu sehen. Auch abseits des offiziellen Teils habe der erste Mann der Bundesrepublik „super-sympathisch“ gewirkt, erzählt Karin Gruß. Nach der Rede sei Steinmeier ein wenig herumgegangen, habe sich mit den Leuten unterhalten. „Das war sehr ungezwungen und einfach nett, auch wenn um ihn herum natürlich Bodyguards waren.“
Zu einem persönlichen Gespräch mit dem Bundespräsidenten sei es zwar nicht gekommen, „aber immerhin stand er nur fünf Meter neben mir“, berichtet Günter Gruß. Und schmunzelnd fügt der dreimalige Schützenkönig hinzu: „Ich bin ja auch nicht so ein aufregender Mensch.“

Das sehen seine Vereinskollegen, die sich am Donnerstag auf ihre eigene Weise – mit tosendem Applaus sowie Bockwurst und Butterkuchen – bei dem Vielfahrer bedankten, natürlich ganz anders. Er halte den Fahrbetrieb maßgeblich aufrecht, besetze jede Lücke im Dienstplan, fand Schnellrieder lobende Worte.
Und Lücken, die gibt es einige, seitdem das Fahrerteam von einst rund 20 auf inzwischen nur noch zehn Freiwillige zusammengeschrumpft ist – eine Entwicklung, an der laut dem Vorsitzenden die Pandemie nicht ganz unschuldig sei und bedauerlicherweise zu gelegentlichen Ausfällen bei den Bürgerbus-Touren führe. „Momentan können wir zwei Schichten im Monat einfach nicht mehr bedienen“, sagt er.
Wie gut, dass Günter Gruß hier und da ganz spontan einspringt. Zwei bis vier Fahrten stünden derzeit wöchentlich für ihn auf dem Programm. „Im letzten Monat war ich 14 Mal mit dem Bus unterwegs.“ Aber er mache gerne sein Ehrenamt, schätze den Kontakt zu den Mitreisenden. In drei Jahren steht sein nächster Eignungstest an – bis dahin wird er wohl noch ein paar mehr Urkunden sammeln. Und wer weiß, vielleicht sogar ja noch für die 1 000. Tour.