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Das sagen die Schulen: „ChatGTP“ und künstliche Intelligenz im Unterricht

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Von: Judith Tausendfreund

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Larissa Rodrigues-Louback, Nastacia Kracht und Iris Rheder (v.r.) probieren ChatGPT aus.
Larissa Rodrigues-Louback, Nastacia Kracht und Iris Rehder (v.r.) probieren „ChatGPT“ aus. © Tausendfreund

Künstliche Intelligenz erobert immer stärker den Alltag, zum Beispiel durch Gesichterkennungstechnologie. Auch Texterstellung oder das Lösen von Mathematikaufgaben können auf Knopfdruck und kostenlos generiert werden. Doch wie gehen Lehrer und Schüler mit dem Thema um?

Sottrum/Rotenburg – Internetrecherche, Wikipedia und der Umgang mit Quellen – das ist in den Schulen längst Alltag. Doch unter dem Stichwort „Künstliche Intelligenz“ (KI) gibt es Programme, die mehr können. Die Tools erstellen auf Zuruf – oder genauer gesagt: auf Knopfdruck – ganze und vor allem sinnhafte Texte. Sie lösen Matheaufgaben, sie übersetzen in fremde Sprachen und bieten den schnellen Eintritt in eine Welt des Wissens, die man sich früher mehr oder minder mühsam erarbeiten musste. Wird Schule in Zukunft überflüssig? Oder lädt KI im Unterricht zum Schummeln ein? Diese Frage kann man stellen.

André Barth, Schulleiter der Oberschule in Sottrum, ist fasziniert vom Thema KI. „Bei unseren Schülern ist das noch gar nicht so stark im Gespräch – ich selber finde es spannend“, sagt er. Daher besucht er eine Fortbildung, die sich um den gesamten Themenkomplex dreht. „Wir wollen sehen, wie wir das gut integrieren können.“ Ein Verbot sei ohnehin nicht machbar. Wichtig sei es daher, zu klären, wie man die Möglichkeiten effektiv nutzt. „Vielleicht ist es irgendwann gar nicht mehr sinnvoll, den Schülern die Aufgabe zu erteilen, dass sie einen Text schreiben sollen“, beschreibt er eine von vielen Thesen.

Manch ein Lehrer kommt ob der Möglichkeiten ins Schwärmen

Am Ende gelte es, die eigenen Kompetenzen so zu nutzen, dass sie zum Erfolg führen. „Es gibt ja schon viele KI-Tools, die eigene Texte verbessern, die Texte übersetzen und eine echte Bereicherung sind.“ Barth kommt ob der vielen Möglichkeiten ins Schwärmen.

Sven Borstelmann, Schulleiter der Beekeschule in Scheeßel, bewertet diese etwas zurückhaltender: „Wir haben uns das schon angesehen, aber die Qualität einer selbst verfassten Schülerarbeit ist schon eine andere.“ Falls es in der Praxis dazu kommt, dass Lehrer Zweifel am Ursprung eines Textes haben, sieht er eine einfache Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden. „Dann diktiere ich die ersten drei Sätze dem Schüler und gleiche das Ergebnis auf Rechtschreibefehler ab“, so der Schulleiter. So könne man schnell prüfen, wer den Text geschrieben hat – Mensch oder Maschine.

Schüler fallen durch verblüffend gute Texte auf

Es sei im Grunde kein neues Phänomen, dass Schüler auf einmal durch verblüffend gute Texte auffallen – neu sei nur, dass man den Verdacht eines Plagiats im Fall von „ChatGTP“ nicht so schnell verifizieren kann. Dennoch bleibe es dabei, der Schüler hat als Aufgabe, einen eigenen Text zu erstellen und darf dazu eben nicht ein Hilfsmittel nutzen. „Ob das Google, die eigene Mutter oder eben ,ChatGTP` ist, das ist mir egal“, sagt Borstelmann. Er sieht aber auch das Potenzial: „Auch Lehrer können das nutzen, etwa um Multiple-Choice-Fragebögen zu erstellen.“ Im Unterricht an der Beekeschule wird auch über das Thema diskutiert. „Ich sehe das jetzt aber nicht als die große Neuigkeit an, sondern eher als ein wachsendes Thema.“

Iris Rehder, Schulleiterin des Rotenburger Ratsgymnasium, ist vertraut mit dem Thema. „Im regulären Unterricht gehen wir schon lange mit dem Thema Digitalisierung um und ,ChatGPT‘ gehört dazu“, erklärt sie. Aktuell prüfen sie und ihre Kollegen, was man mit dem Tool alles realisieren und wie man damit umgehen kann. „Problematisch wird es, wenn die Schüler das System bei ihren Hausarbeiten verwenden, dies aber nicht angeben“, so Rehder.

Im regulären Unterricht gehen wir schon lange mit dem Thema Digitalisierung um und ,ChatGPT‘ gehört dazu“.

Iris Rehder

Aktuell gebe es in Niedersachsen noch keine einheitliche Regelung, wie solche Fälle gehandhabt werden können. Dennoch ist weder Rehder noch das Kollegium gegen die Nutzung von „ChatGPT“ – es muss nur geklärt werden, wie man in Zukunft damit umgeht. Perspektivisch, so kann sie sich vorstellen, werden gerade die älteren Jahrgänge „ChatGTP“ nutzen. „Aktuell haben wir mit der Klasse zwölf eine Regelung getroffen, dass diese Schüler das Tool nicht anwenden bei Themen, die schon vergeben wurden, bevor überhaupt die Rede von ,ChatGTP‘ war“, erklärt sie die momentane Lösung am Ratsgymnasium.

Die Schule setzt auf eine freiwillige Selbsterklärung. In dieser geben die Schüler an, dass sie auf die Anwendung der KI-Möglichkeit verzichten. Sollten bei Korrekturarbeiten ernsthafte Zweifel auftreten, „führen wir mit den Schülern entsprechende Gespräche“. Rehder setzt dabei auf das Gespür der Lehrkräfte. Entsprechende Online-Überprüfungstools will sie nicht einsetzen, um zu kontrollieren, ob die Texte der Schüler händisch oder dann doch per KI entstanden sind. Die Fehlerquote ist ihr bei diesen Programmen zu hoch. „Da setzte ich statt auf KI lieber auf den gesunden Menschenverstand und die Erfahrung der Pädagogen.“

Schulen setzen auf freiwillige Selbsterklärung

Für die Zukunft kann sie sich vorstellen, dass Texte, die via „ChatGTP“ entstanden sind, als Quelle gekennzeichnet werden. Die Schule gehe Schritt für Schritt die Entwicklung mit, die der Markt eben aktuell vollzieht. Hierzu besuchen die Lehrer entsprechende Fortbildungen. „Wir wollen unsere Schüler fit für die Zukunft machen, wir wollen sie studierfähig machen“, sagt sie. Im Grunde sei das Tool ein gutes Hilfsmittel, man müsse aber auch sehen, wo Lernentwicklungen ausgebremst werden. „Über alle diese Fragen diskutieren wir intern und auch mit unseren Schülern“, so die Schulleiterin, die selber zugibt: Es ist eine ganz spannende Entwicklung.

Doch was sagen eigentlich die Schüler zu diesem Thema? Larissa Rodrigues-Louback (16) und Nastacia Kracht (15) haben zwar schon mal von der ganzen Sache etwas gehört, aber beschäftigt haben sich die beiden noch nicht damit. „Ich schreibe eigentlich lieber selber“, stellt Larissa fest. „Wenn man mal Zeitdruck hat, kann das ja okay sein. Aber man lernt mehr, wenn man selber schreibt“, findet auch Nastasia. Sicherlich wird es spannend sein, diese Frage in zehn Jahren erneut zu stellen – wer weiß, wie weit sich die künstliche Intelligenz bis dahin entwickelt hat.

Was ist „ChatGTP“?

„ChatGPT“ wurde vom amerikanischen Unternehmen OpenAI entwickelt und ist im Internet frei zugänglich. Trainiert wurde das System mit Millionen von Texten aus dem Internet, sozialen Medien, Zeitungsartikeln und auch Büchern. Nutzer können sich Fragen beantworten lassen, Texte schreiben, aber auch Mathematik-Aufgaben lösen gehört zu den Fähigkeiten der Systeme. Noch hat das niedersächsische Kulturministerium keine verbindliche Richtlinie entwickelt, wie die Schulen mit dem Thema umgehen sollen. Präsent sind die neuen Möglichkeiten aber schon.

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