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Spurensuche: Wo es heute in Rotenburg noch Telefonzellen gibt

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Von: Lars Warnecke

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Einsam und verlassen steht sie da: Rotenburgs letzte verbliebene Telefonstelle am Pferdemarkt.
Einsam und verlassen steht sie da: Rotenburgs letzte verbliebene Telefonstelle am Pferdemarkt. © Menker

Heute stehen sie meist nur noch vereinsamt in der Gegend herum: Telefonzellen. Und in Rotenburg? Eine Spurensuche.  

Rotenburg – Vor wenigen Jahrzehnten war es noch ein Kinderspiel, die nächste Telefonzelle zu finden. Leuchtend gelb oder magentafarben standen die Münzfernsprecher gut sichtbar quasi an jeder Straßenecke. „Fasse dich kurz!”, lautete damals ein allgegenwärtiger Slogan, der nicht nur an die Kosten erinnern sollte, sondern auch daran, dass andere ja vielleicht auch telefonieren wollten.

Und heute, in Zeiten, in denen fast jeder immer und überall über Handy und Smartphone erreichbar ist? Möchte man im Jahr 2023 ein öffentliches stationäres Telefon in Rotenburg finden, ist das gar nicht so einfach. Ein erster Versuch über Google Maps scheitert, das Stichwort „Telefonzelle“ ergibt keinen Treffer.

Noch 12000 Telefonzellen in Deutschland

Als zweite Möglichkeit auf der Suche bietet es sich an, Passanten zu fragen. Doch eine Umfrage in der Fußgängerzone hilft nicht weiter. Von den Befragten weiß auf Anhieb niemand, wo in der Nähe ein öffentliches Telefon zu finden ist. „Ich habe keine Ahnung”, erklärt Sandra Lübke, „man braucht sie ja heute auch nicht mehr”. Auch Georg und Silvia Badenhop, die gemeinsam mit ihren Enkeln durch die City spazieren, können nicht weiterhelfen. Letztere kann sich noch gut daran erinnern, wie wichtig Telefonzellen früher waren. „Oh Gott ja, in meiner Jugend haben wir sie ständig benutzt”, berichtet die 58-Jährige. Das sei in den 80er-Jahren gewesen.

Ein dritter Anlauf im Rahmen unserer Recherche führt zur Telekom und zur Stadt Rotenburg. Letztere ist für den öffentlichen Raum zuständig, die Telekom betreibt die Telefonzellen. Beim Konzern kann man nicht sagen, wo sich noch welche im Stadtgebiet befinden. Nur so viel: Zur Hochzeit in den 1990er-Jahren standen mehr als 160 000 Telefonzellen in Deutschland. Aktuell seien es noch etwas mehr als 12 000, teilt eine Sprecherin auf Nachfrage mit.

2017 wurde im Rathaus entschieden, dass gegen einen weiteren Abbau keine Bedenken bestehen.

Ann-Christin Beims, Pressesprecherin Stadt Rotenburg

Mehr Aufschluss bekommt man schließlich im Rathaus. Dort ist zu erfahren: Heute gibt es in Rotenburg tatsächlich nur noch eine einzige Telefonzelle – und die findet sich am Pferdemarkt. Genau genommen handelt es sich aber nicht um eine Telefonzelle, sondern um eine Telefonstele: eine graue Säule, an der ein Telefon hängt. Eine schützende Kabine gibt es nicht. Wie Ann-Christin Beims, Pressesprecherin der Stadt Rotenburg, mitteilt, habe die Telekom schon 1994 damit begonnen, solche Fernsprecher, die sich als unwirtschaftlich herausgestellt hätten, nach und nach abzubauen – so auch in der Wümme-Stadt. „In diesem Jahr waren das bereits drei der zu diesem Zeitpunkt im Stadtgebiet vorhandenen 29 Zellen.“ 2011 seien immerhin noch 23 Anlagen in Betrieb gewesen – sieben Jahre später noch vier.

Warum dieser drastische Rückgang? „2017 wurde im Rathaus entschieden, dass gegen einen weiteren Abbau keine Bedenken bestehen. Grund hierfür war unter anderem, dass etwa 90 Prozent der Rotenburger Bevölkerung ein Mobiltelefon hatten.“

Telefonstelen statt Telefonzellen

Vom Zeitpunkt der ersten Rückbaumaßnahmen bis heute sei es außerdem zu keinerlei Nachfragen oder Beschwerden gekommen. „Daher muss davon ausgegangen werden, dass das Nicht-Vorhandensein öffentlicher Telefone von der Mehrheit nicht als Verlust angesehen wird.“

Von klassischen Telefonzellen konnte zuletzt aber gar nicht mehr die Rede sein. Denn: „In den letzten zehn bis 15 Jahren sind diese zwischenzeitlich gegen kostengünstig zu unterhaltende Basistelefone ausgetauscht worden“, berichtet Beims. Die hätten beispielsweise anstatt mit Bargeld nur noch mit Telefonkarten verwendet werden können.

Anspruch der Grundversorgung

Die geringe Nachfrage nach öffentlichen Telefonen hierzulande führte dazu, dass im Dezember 2021 die sogenannte „Grundversorgungspflicht zur Bereitstellung öffentlicher Telefonstellen” für die Telekom entfiel. Bis dahin hatte das Unternehmen den gesetzlichen Auftrag, ein Mindestmaß an öffentlichen Telefonstellen in jeder Kommune vorzuhalten – und zwar unabhängig davon, ob die Apparate finanziell einen Gewinn erzielten. Denn durch jedes Telefon entstehen der Telekom Kosten. Vor allem für Strom, die Standortmiete sowie die Wartung und die Beseitigung von Schäden durch Vandalismus fallen diese an.

Durch die Gesetzesänderung kann die Telekom unwirtschaftliche Telefonzellen abbauen, ohne auf die Zustimmung des jeweiligen Standortvertragspartners angewiesen zu sein. Als Standortvertragspartner treten im Normalfall die Städte und Gemeinden auf, in denen die Telefone stehen. Nun plane die Telekom bis voraussichtlich Anfang 2025, nach und nach fast alle noch verbliebenen Telefonstellen abzubauen, so die Unternehmenssprecherin. Immerhin: Rund 3 000 Standorte sollen noch als sogenannte „Small Cells“, also kleine Antennen für die Verbesserung des örtlichen Mobilfunks, ohne öffentliche Telefonfunktion weiter genutzt werden.

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