1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Oldenburg

Wie sehr Corona der Jugend geschadet hat - und was jetzt getan werden sollte

Erstellt:

Von: Gero Franitza

Kommentare

Jörg Emmerich (43) ist seit 2014 Jugendpfleger des Landkreises Oldenburg.
Jörg Emmerich (43) ist seit 2014 Jugendpfleger des Landkreises Oldenburg. © fra

Wildeshausen/Landkreis – „Corona ist für alle Altersgruppen ein Problem gewesen – und ist es immer noch“, sagt Kreisjugendpfleger Dirk Emmerich. Nur seien die Probleme der Jugendlichen nicht so wahrgenommen worden, unterstreicht er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Bei ihnen hat man gedacht, dass sie am ehesten damit klarkommen, weil sie gut vernetzt sind“, sagte der 43-Jährige. Doch das sei nicht der Fall gewesen. Nur mit einem Smartphone kämen Heranwachsenden nicht durch eine Pandemie, selbst wenn sie die moderne Technik ausgiebig nutzten. Eher im Gegenteil: Denn vielmehr wollten junge Menschen „jugendtypisch“ miteinander kommunizieren. Und dazu gehöre eben, dass man von den Gleichaltrigen gesehen und gehört werde – und dazu gehöre auch der physische Kontakt.

Diese dreijährige Dauerpause, so Emmerich, werde aber von der breiten Bevölkerung nicht so wahrgenommen: „Sehr viel wird jetzt im schulischen Kontext gesehen“, kritisiert er. Die Stichworte lauteten „Aufholen und Nachholen“ – und nicht etwa Identitätsentwicklung der jungen Menschen: dabei gehe es um Dinge wie sexuelle Identität, Loslösung vom Elternhaus und Umgang und Einordnung mit Gleichaltrigen.

Chillen, Partys feiern, sich ausprobieren - das muss sein

Hier gebe es aus Sicht der Jugendarbeit große Defizite. Seiner Meinung nach wäre ein „Entwicklungsmoratorium“ notwendig, das den außerschulischen Bereich umfasst – doch dem werde kaum Beachtung geschenkt. „Es hilft nichts, wenn man gut in Mathe ist, aber nicht mehr in der Lage, sich anderen nähern zu können“, bringt es der Jugendpfleger auf den Punkt. Deswegen müsse alles, was dies fördere, nun unbedingt gestärkt werden: Chillen, Partys feiern, Ausflüge machen, im Verein eingebunden sein und mitzuwirken. Die Jugendlichen brauchten Gelegenheiten, sich auszuprobieren und Dinge untereinander aushandeln zu können. Diese Faktoren müssten in dem Kontext auf gleicher Stufe wie schulische Belange stehen.

Emmerich setzt dabei vor allem auf die eigenen Erfahrungen der Jungen und Mädchen – es helfe nichts, das mit einem Pädagogen „durchzudeklinieren“ oder sie in ein immer engeres zeitliches Korsett zu zwängen. Vielmehr bedürfe es Freiräumen, wo sich Begegnung, Annäherung, ein Ausprobieren und Aushandeln abspielen können: „Jugendorte sind ein Riesenthema“, weiß Emmerich. Und da dürften die Erwachsenen sich auch nicht immer sperren, diese zu schaffen oder zuzulassen und die Jugendlichen quasi weiterreichen, sondern das auch mal „aushalten“. Ideal wären „Aneignungsräume“, in denen Teenager machen können, was sie in eigener Verantwortung wollen – und man sie vor allem auch machen lässt. Früher habe es auch in kleinen Ortschaften noch eine „Dorfpinte“ oder eine „Dorfdisco“ gegeben, wo Jugendliche die Erwachsenenwelt erforschen konnten. Diese gebe es vielerorts nicht mehr, gibt er zu bedenken. Das hätte sich heute in die Städte verlagert, etwa nach Wildeshausen, Delmenhorst oder Oldenburg. „Was machen wir dafür, dass es kein ,vergessener Ortsteil wird‘“, stellt der 43-Jährige eine rhetorische Frage. Hier seien Politik und Verwaltung gefordert.

Entwicklung unterbrochen

Auch wenn Jugendliche intensiv „soziale Medien“ nutzten: „Sie merken, dass Likes und Follower einem nicht genug geben.“ Was den Teenies entgangen ist, sei nur ganz schwer wieder aufzuholen, so der Jugendpfleger. Doch eben das wollten sie wieder erleben können – „Und wir sind noch lange nicht durch“, so Emmerich. „Was Kinder heute nicht dürfen, können sie morgen nicht können“, warnt er mit Hinblick auf die deren Entwicklung.

Auch interessant

Kommentare