Kirchseelter „Kita mit Biss“: Kariesprävention als Selbstverpflichtung

Kirchseelte – In Fünf-Zentimeter-Abständen drapiert Tanja Kutscher weiße Kleckse am Rand eines Tellers. Was ein bisschen nach Schickimicki-Vorspeise der Nouvelle Cuisine aussieht, dient der Vermeidung der Keimübertragung. Die Kleckse bestehen aus Zahnpasta. Die Mädchen und Jungen des Kirchseelter Kindergartens „Kasperburg“ nehmen sie mit ihren Zahnbürsten auf. „Das ist hygienischer, als die Tube auf einer Bürste nach der anderen auszudrücken“, weiß Einrichtungsleiterin Kutscher.
Das Zähneputzen nach den Mahlzeiten, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, begreift die „Kasperburg“ nun als freiwillige Selbstverpflichtung. Das wiederum hängt mit der soeben erfolgten Zertifizierung als „Kita mit Biss“ durch den Landkreis Oldenburg zusammen. Ein Schild, überreicht von Jugendzahnärztin Alexandra Demand, verrät nach außen hin: Die „Kasperburg“ hat sich darauf eingelassen, in Zahnpflege, Mundhygiene und gesunder Ernährung vorgegebene Standards zu erfüllen. Wie gut ihr das gelingt, werden die jährlichen zahnärztlichen Kontrollen offenbaren.
Wir unterstützen die Prävention, indem wir Zahnbecher, -bürsten und -creme stellen, und zwar nicht nur einmalig. Wann immer Bedarf besteht, sorgen wir für Nachschub.
Hinter der Zertifizierung steckt ein Präventionsprogramm: Der Jugendzahnärztliche Dienst des Landkreises Oldenburg will der frühkindlichen Karies vorbeugend begegnen. Das bedeutet für die „Kita mit Biss“, Wasser und ungesüßte Tees zu reichen und auf zuckerhaltige Getränke – von der Schorle bis zum „Quetschie“ – möglichst komplett zu verzichten. Das Achten auf gesunde Ernährung gehört ebenfalls zu den Handlungsleitlinien, zu deren Einhaltung sich zertifizierte Kindergärten verpflichten. Die Erzieherinnen müssen im Übrigen auch darauf achten, dass die Kinder nicht jeden Tag süße Sachen mitbringen. Heißt: Die Eltern sitzen mit im redensartlichen Boot. Sie sind gefordert, selbst einen Beitrag zur Einhaltung der Standards im Interesse der Zahngesundheit zu leisten. Schließlich ließe sich Karies schwerlich vermeiden, wenn die Mädchen und Jungen zwar in der Kita Wasser bekämen, zu Hause aber eine zuckerhaltige Cola nach der anderen in sich hineinschütteten. Die regelmäßige Zahnpflege haben die „Kasperburg“-Kinder längst verinnerlicht. Sie putzen ihre Zähne nicht mit elektrischen Bürsten. Das soll zusätzlich die Motorik schulen.

„Wir unterstützen die Prävention, indem wir Zahnbecher, -bürsten und -creme stellen, und zwar nicht nur einmalig. Wann immer Bedarf besteht, sorgen wir für Nachschub“, erläutert Alexandra Demand. Die „Kasperburg“ sei kreisweit die achte zertifizierte „Kita mit Biss“, sagt sie und fügt hinzu: „Es wäre schön, wenn es viel mehr wären.“
Zahnfäule kommt schon bei Säuglingen vor
Stellt sich heraus, dass die Handlungsleitlinien wider Erwarten nicht befolgt werden, droht Sanktionierung. Heißt: Die Zertifizierung wird gegebenenfalls wieder aberkannt. Demand liegt daran, bei der Prävention so früh wie möglich anzusetzen: „Wir haben uns sogar mit Hebammen zusammengesetzt, weil wir wissen, dass Karies schon im Säuglingsalter vorkommt. Wir gehen mit unserem Präventionsprogramm auch ins Café Kinderwagen und ins Café Bobbycar, um Eltern auf Dinge hinzuweisen, die sie im Interesse der Zahngesundheit ihrer Kinder vermeiden sollten. Inzwischen gibt es sogar eine Kinderzahnsprechstunde in jeder kreisangehörigen Gemeinde. Die wird auch von Eltern wahrgenommen, deren Babys gerade mal sechs Monate alt sind.“
Karies sei leider auf dem Vormarsch und inzwischen „die chronische Erkrankung, die am häufigsten in Deutschland vorkommt“, bedauert Alexandra Demand.

Bleibt die Zahnfäule über einen längeren Zeitraum unbehandelt, breiten sich die daraus resultierenden Bakterien unter Umständen im ganzen Organismus aus. Bekannt sind unter anderem magenschädliche Auswirkungen. Besorgniserregend findet es die Amtszahnärztin, dass heutzutage Zahnfäule häufig schon im frühkindlichen Alter unter Vollnarkose behandelt werden muss.
„Da muss ganz viel präventiv passieren. Und dafür sorgen wir vom Landkreis Oldenburg. Wir versuchen dem Problem von allen Seiten beizukommen und gehen bekanntlich auch in die Schulen“, sagt Alexandra Demand.