Neuanfang mit Starthilfe

Bookholzberg – Mögen es körperliche Leiden wie ein Bandscheibenvorfall sein, Folgen eines Unfalls oder psychische Erkrankungen wie etwa ein Burn-out: Manche Menschen sind plötzlich nicht mehr in der Lage, ihren Beruf weiter ausüben zu können. Um wieder produktiv sein zu können, ist eine Umschulung oder eine Fortbildung ein geeignetes Mittel. Finanziell gefördert werden diese unter anderem von der Rentenkasse, der Berufsgenossenschaft oder der Agentur für Arbeit.
Einer der Anbieter für solche Maßnahmen ist etwa das Berufsförderungswerk Weser-Ems in Bookholzberg des gemeinnützigen Unternehmens „Inn-tegrativ“, das elf Standorte in Niedersachsen betreibt. Zwei Besonderheiten machen die Bildungseinrichtung aus: Zum einen liegt sie direkt an dem Spieldorf Stendingsehre. Zum anderen bietet es 188 sogenannte Internatsplätze, kleine Einzelappartements, in dem Teilnehmer für die Dauer ihrer Maßnahme wohnen können, erläutert Christin Püschel, die an dem „Inn-tegrativ“-Standort unter anderem für das Marketing zuständig ist. „Es sind sogar Haustiere erlaubt“, ergänzt Püschel – das sei nicht überall so. Auch über Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung – von der Holzerwerkstatt über eine gemeinsame Küche sowie einem Fitnessstudio bis hin zur Bowlingbahn – verfügt die Einrichtung. Interessanterweise wüssten jedoch auch so manche Bookholzberger nicht, was direkt in ihrer Nachbarschaft auf dem 20 Hektar großen, von Flachbauten bestimmten und mit vielen alten Bäumen bestandenen Areal abläuft.
Viele der rund 300 bis 400 Teilnehmer jährlich stammten aus der Umgebung und seien daher Tagespendler, doch gebe es auch Interessenten aus dem ganzen Bundesgebiet, so Püschel. Unter anderem 18 Umschulungen und Qualifizierungen nebst Abschlussprüfungen im Umfang von wenigen Wochen bis hin zu mehreren Monaten, sind in Bookholzberg möglich, berichtet sie weiter: vom kaufmännischen, verwaltenden, gewerblich-technischen Beruf bis hin zum Gesundheits- und Sozialbereich. Unterrichtet wird wochentags zwischen 8 und 16 Uhr. Doch bevor es so weit ist, wird überprüft, welche Maßnahme geeignet ist. „Manche Personen stehen komplett vor einem Neuanfang und wissen nicht, wie es weitergehen kann“, berichtet sie – und das nicht selten nach vielen Jahren in dem erlernten, angestammten Beruf. Deswegen stehe vor jeder Maßnahme ein ausführliches Gespräch, um Stärken und Schwächen auszuloten sowie Möglichkeiten aufzuzeigen. Ärzte und Psychologen könnten bereits in dieser Phase mit zurate gezogen werden. Darüber hinaus gebe es Integrationsmaßnahmen, wie etwa Bewerbungstrainings.
Nachhaltige Neuorientierung
Wenn ein Antrag von einem der Kostenträger bewilligt ist, steht eine sogenannte Eignungserprobung an, die Tage oder Wochen dauern kann. „Kaufmännisch – das kann vieles sein“, gibt Püschel zu bedenken. Praktikumsstellen etwa sollen sich die Teilnehmer – gegebenenfalls mit etwas Unterstützung – selber suchen. „Wir ermutigen die Leute, sich Plätze in der Nähe ihres Wohnortes zu suchen“, berichtet sie. Denn dadurch können nicht selten Kontakte entstehen, die später vielleicht in eine neue Anstellung münden, weiß Püschel.
Mitunter sei es möglich, an vorhandene Kompetenzen anzuknüpfen. Etwa, bei der Krankenschwester, die ihren Beruf aufgeben musste, eine Ausbildung zur Verwaltungswirtin abschließt – und danach beispielsweise bei einer Krankenversicherung oder in der Klinikumsverwaltung einsteigt. Das könne zusätzlich Selbstbewusstsein geben, so Püschel. Doch generell gelte: „Niemand wird gezwungen, etwas zu machen, was er nicht will“, betont die „Inn-tegrativ“-Mitarbeiterin. Denn die Ausbildung solle nachhaltig sein – und der neue Beruf möglichst bis zur Rente Bestand haben.
Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Einen Beruf, dem er insbesondere im Oldenburger Land gute Chancen attestiert, ist für Ausbilder Oliver Bliefernich der der CNC-Fachkraft. Diese arbeiten an kostspieligen, computergesteuerten Werkzeugmaschinen. Zwei dieser je 100 000 Euro teuren Apparate habe er in seiner Lehrwerkstatt, dazu acht Simulationsplätze, an dem die komplexen Anwendungen vorher durchgespielt werden können. „Diese Leute werden gesucht“, so Bliefernich, der auch mit den Berufsbildenden Schulen in Wildeshausen zusammenarbeitet.
Dass seine Maschinen aktuell dennoch stillstehen, liege daran, dass die sechsmonatige Weiterbildung eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem metallverarbeitenden Beruf voraussetzt, etwa den des Feinwerkmechanikers. Gegebenenfalls könne vor der Ausbildung noch ein achtwöchiger Vorbereitungskurs für Zerspanungstechnik angeboten werden, erläutert der Ausbilder.
