„Kaum Überlebenschancen für Biberbabys“:Nabu erstattet Strafanzeige gegen Landkreis Oldenburg

Weil ein Biberdamm Fische bei deren Wanderung behindert, hat der Landkreis Oldenburg diesen geöffnet. Der Nabu hat daraufhin Strafanzeige gegen den Landkreis Oldenburg erstattet.
Ostrittrum – Die rege Bautätigkeit einiger Biber im Rittrumer Mühlbach ließ das kleine Gewässer schon vor Monaten über die Ufer treten. Jetzt ist der Staudamm des streng geschützten und nachtaktiven Nagers in der Nähe des Tier- und Freizeitparks Ostrittrum sogar Grund für eine Strafanzeige, die der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) am Donnerstag gegen den Landkreis Oldenburg erstattete.
Der Kreis hatte ein Unternehmen beauftragt, den Damm zu öffnen, um den in dem Gewässer lebenden Neunaugen – eine streng geschützte Fischart – die Wanderung zu ihren Laichplätzen zu ermöglichen. Ein Bagger hat deshalb in dieser Woche in die Mitte des Dammes eine Vertiefung gegraben. Diese Maßnahme führt dazu, dass das Wasser abläuft und die Nabu-Gruppe Dötlingen-Wildeshausen rechtliche Schritte eingeleitet hat. „Hier gab es einen Eingriff in ein Ökosystem zum Schaden eines geschützten Tieres. Wenn der Wasserstand zu tief sinkt und die Eingänge seiner Burg trockenfallen, ist sie für den Biber verloren“, erklärt Nabu-Sprecher Wolfgang Pohl am Donnerstag bei einem Ortstermin. „Dann wandert er ab, und die Aufzucht der Jungen gerät in Gefahr.“ Vermutlich sei das Weibchen derzeit hochtragend. „Vielleicht sind die Babys schon geboren“, ergänzt Willy Zerhusen vom Nabu.
Deshalb sei jede Störung im Sinne des Naturschutzgesetzes eine strafbare Handlung, ist sich Pohl sicher. Die Anzeige hat der Nabu gegen Eva-Maria Langfermann als Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises gestellt. Sie habe in dieser Position die Ausnahmegenehmigung zum Abtragen des Biberdamms erteilt und den Gewässerverband Hunte-Wasseracht mit den Rodungs- und Baggerarbeiten beauftragt.
Der Landkreis hatte seine Aktion einen Tag zuvor in einer Pressemitteilung begründet. Demnach war die Entscheidung zur Öffnung des Damms im Rahmen eines von der Kreisverwaltung initiierten „Runden Tisches Biber“ getroffen worden. „Trotz unterschiedlicher Ansätze und Sichtweisen sind gute Absprachen getroffen worden. Zu der nun getroffenen Entscheidung haben alle Teilnehmer beigetragen“, erklärt Landrat Christian Pundt in der Veröffentlichung. Nicht alle Anwesenden seien von Beginn an mit der Entscheidung zufrieden gewesen, eine sachliche und vor allem nachvollziehbare Erklärung habe letztendlich für den Kompromiss gesorgt.
Das sieht Zerhusen, der Mitglied des runden Tisches war, vollkommen anders. „Es gab keinen Kompromiss, weil gar nicht über Alternativen diskutiert wurde“, kritisiert er. „Wir haben dem Vorhaben mit keinem Wort und keiner Geeste zugestimmt.“
Pohl wirft dem Landkreis eine „Entscheidung nach Gutsherrenart“ vor. „Die Teilnehmer wurden von dem Beschluss des Landkreises durch Frau Langfermann in Kenntnis gesetzt“, kritisiert er. Er könne verstehen, dass der Sportfischerverein Huntlosen sich um den Fischbestand im Rittrumer Mühlbach sorge. Schließlich habe dieser zahlreiche Renaturierungsmaßnahmen umgesetzt, um den Fischen ihre Wanderung zu den Laichplätzen zu ermöglichen. Dennoch hätte eine andere Lösung gefunden werden können, sind Pohl und Zerhusen überzeugt.
Mit der Durchgängigkeit des Gewässers für die Fische begründet auch der Landkreis seine Maßnahme. „Aktuell ist die Situation so, dass der Damm den Wanderkorridor von Neunaugen, die als hoch geschützt durch die FFH-Richtlinie für das Naturschutzgebiet Mittlerer Hunte und Rittrumer Mühlbach gelten, verhindert“, schreibt die Behörde in ihrer Mitteilung. Deshalb müsse die Verwaltung einen Zielkonflikt zwischen der Wanderung der Neunaugen und einer Sperrung durch einen Biberdamm lösen. „Wenn hier nicht aktiv eingegriffen würde, ist eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der Neunaugen-Population auch im FFH-Gebiet Mittlere Hunte zu befürchten. Auf der anderen Seite schützt der Damm den Bau eines Bibers. Sinkt infolge der Öffnung der Wasserstand, kann es zu Beeinträchtigungen am Biberbau führen. Da Biber anpassungsfähig sind, nur einzelne Individuen betroffen sind und auch bei einer Öffnung keine Verschlechterung des Erhaltungszustands der Population zu befürchten ist, fiel die Entscheidung für den Wanderkorridor für die Neunaugen aus. Darum wird der Biberdamm geöffnet“, heißt es in der Veröffentlichung.
Die Nabu-Mitglieder sind überzeugt, dass eine Maßnahme in kleinerem Umfang gereicht hätte, um den Fischen das Wandern wieder zu ermöglichen. Verschiedene Vorschläge, die der Nabu unterbreitet habe, seien von der Naturschutzbehörde als untauglich zurückgewiesen worden. Ein flacher Anstieg über eine längere Strecke neben dem Damm wäre eine Alternative gewesen. „Man hätte sogar abwarten können, wie sich Biber und Neunauge arrangieren“, erläutert Zerhusen. Tausende von Jahren hätten sich beide Arten die Gewässer geteilt und seien miteinander klar gekommen.
Darüber hinaus habe der Landkreis viel Zeit verstreichen lassen. „Jetzt, wenige Tage bevor die Neunaugen mit ihrer Wanderung beginnen, startet er diesen Aktionismus“, kritisiert er. Die Nabu-Mitglieder befürchten zudem, dass gerade der Bibernachwuchs bei einem Ortswechsel kaum eine Überlebenschance hat. Zudem bestehe die Gefahr von Revierkämpfen, wenn die Nagerfamilie sich ein neues Gebiet suchen müsse.
„Von der Behörde wird unzulässig priorisiert“, sagt Pohl. Beide Arten seien gleichberechtigt zu behandeln. Deshalb fordert der Nabu jetzt ein unabhängiges Gremium zu diesem Thema. Die Strafanzeige soll dabei helfen, hofft der Nabu. Sie zerrütte vor allem die Vertrauensbasis zwischen den Naturschützern und der Kreisverwaltung, sagt Kreissprecher Oliver Galeotti. „Wir können uns aufgrund der Anzeige jetzt nicht mehr zu diesem Thema äußern“, bedauert Galeotti. Das habe allein der Nabu zu verantworten. „Wir bedauern es sehr, dass sich der Nabu für dieses scharfe Schwert entschieden hat.“
