Poetisch und mitten aus dem Leben

Bücken - Von Uwe Campe. „Ich fliege meinen Traum, ich brauche keine Flügel, die Arme tun es auch“. Mit dieser Zeile aus ihrem Lied „Aus Zeit und Raum“ eröffnete Sängerin und Frontfrau Marita Boettcher am Freitagabend das Konzert der Gruppe „Fährhaus“ in der Bücker Kleinkunstdiele (KKD) und gab damit den knapp 40 Besuchern gleich vor, was sie im weiteren Verlauf erwarten würde: Einfühlsame und nachdenklich stimmende deutsche Texte aus ihrer Feder, gekonnt verbunden mit dynamischer und griffiger, zuweilen mit Elementen aus Jazz, Soul, Funk und sogar Reggae durchsetzter Rockmusik.
Unter dem auf den ersten Übungsraum der Band im ehemaligen Fährhaus an der Weser in Rieda/Verden zurückgehenden Namen, haben sich 2015 die im Raum Verden-Rotenburg beheimateten Musiker Marita Boettcher (Gesang), ihr Ehemann Matthias Boettcher (Keyboard, E-Gitarre, Gesang), Christoph Wüstefeld (E-Bass, Gesang) und Jörg Meyer (Schlagzeug, Gesang) zusammengetan. Nach dem Startdebüt im März 2016 in der KKD hat sich die Formation erfolgreich entwickelt und mit dem sich ihr inzwischen angeschlossenen argentinischen E-Gitarristen Ian Luka Frau ihre musikalischen Möglichkeiten noch zusätzlich erweitert.
Bevor sie das Konzert mit dem Song „Für alles Andere“ fortsetzte, stellte die Sängerin schon einmal fest, dass in der KKD Musik, Einstellung und Ort perfekt zusammen passen würden. Recht hatte sie, denn der Funke sprang von Beginn an auf das Publikum über, wie sich immer wieder an den im Takt wiegenden Köpfen der Gäste, aber auch an dem reichlich gespendeten Applaus nur zu deutlich zeigte. Bis zur Pause folgten acht weitere, teilweise auch mehrstimmig gesungene Titel, unter anderem „Strandsegler“, „So schade“ und schließlich das von Matthias Boettcher behutsam mit nur wenigen Akkorden auf dem Keyboard intonierte, im Duett mit seiner Frau vorgetragene „Lass uns träumen“. Poetisch und tief gehend, den Besuchern zugleich konzentriertes Zuhören abverlangend, waren die Texte allesamt mitten aus dem Leben gegriffen und hatten überwiegend zwischenmenschliche Verhältnisse zum Thema. Als Beispiel mag das sich mit Flüchtlingsdramatik auseinandersetzende Lied „Achtsamkeit“ dienen, in dem es heißt: „Achtsamkeit brauchen wir, um uns zu verstehen. Viel zu weit war deine Reise, waren wir bislang voneinander entfernt“.
Die zweite Hälfte bestand aus zehn weiteren Stücken ähnlichen Inhalts, wie schon an Titeln wie „Mit dir weitergehen“, „Kopf frei“ oder „Aufhören Mauern zu bauen“ zu erkennen. Das schlichte „Einfach danke“ setzte dann zunächst den Schlusspunkt dieses weitgehend auf Showeffekte verzichtende, dafür umso mehr von makelloser musikalischer Performance, aber auch abwechslungsreichen und überraschenden Arrangements geprägten Konzertereignisses, dem als Zugabe noch „Und dann überwiegt“ und „Glück ist zeitlos“ folgten.
Resümierend hob Veranstalter Peter Klein besonders die tiefgründigen Texte hervor, in die er sich beim Zuhören regelrecht „verbissen“ hätte. Vielen der Besucher, die ihre hohen Erwartungen an „Fährhaus“ erfüllt gesehen haben, wird es ähnlich gegangen sein.
Dass diese Veranstaltung dennoch nicht wie vorgesehen den krönenden Abschluss der diesjährigen Konzertsaison im KKD bildete, ist allein dem Umstand geschuldet, dass Peter Klein kurzfristig für den 29. November mit dem nicht ganz unbekannten kubanischen Jazz-Pianisten Jorge Louis Pacheco noch einen Ausnahmekönner par excellence verpflichten konnte.