Eine Gitarre, die wie ein ganzes Orchester klingt

Bücken - Von Horst Friedrichs. Wieder einmal krönte ein Musikerlebnis der Extraklasse das Kulturprogramm der Kleinkunstdiele Bücken: Wenn eine Gitarre zur Abwechslung mal wie eine Laute klingt, dann ist es Markus Segschneider, der sie spielt. Wenn eine Gitarre wie ein ganzes Orchester klingt, dann ist es auch Markus Segschneider, der dahintersteckt. Solche Beispiele ließen sich fortsetzen, wenn es gälte, einen Saitenzauberer wie Segschneider zu beschreiben. Denn nichts Geringeres ist er, der Ausnahmekünstler, sobald er das Instrument in die Hände nimmt und ihm Klänge von klein und fein bis gewaltig entlockt. Dass er dafür gelegentlich auch nur eine Hand braucht, bestätigt lediglich das Ausmaß der Unerschöpflichkeit seiner Virtuosität.
Sicherlich gibt es auch andere meisterhafte Gitarristen, die solche an Magie grenzende Saitenkunst beherrschen. Aber Markus Segschneider ist einer der ganz Großen. Das bewies er am Freitagabend erneut in der Kleinkunstdiele Bücken. Zweimal war er schon da. Und am Freitag nun, bei seinem dritten Gastspiel, war die Zuschaueranzahl schon so groß, dass freie Stühle Mangelware wurden.
Mit einer voluminös dominanten tiefen E-Saite seiner elektronisch verstärkten Akustikgitarre begann der Künstler, in raumfüllenden Bassschritten das anheimelnde Fachwerkambiente zu durchmessen. Draufgesetzte Hochtöne in zarten Melodielinien erzeugten tonale Spannung und Entspannung, und dabei war es nur ein Vorgeschmack auf die gitarristischen Wirbelstürme, die bis zum Ende des zweieinhalbstündigen Konzerts noch folgen sollten.
So mancher Zuhörer mochte sich bei geschlossenen Augen gefragt haben: „Und das alles kommt von einer einzigen Gitarre?“ In der Tat, so war es. Markus Segschneider arbeitet nicht mit elektronischen Tricks, um das gigantische Spektrum seines Fingerstyle-Könnens auszuweiten. Alles, was sich an zauberhaften Saitenklängen vor dem Publikum ausbreitete, entstammte einzig und allein dem überragenden technischen und kreativen Talent Segschneiders. Logische Folge, dass die Gäste der Kleinkunstdiele ihn nach dem eigentlichen Schlussakkord nicht ohne Zugabe gehen ließen.
Zu Segschneiders Eigenkompositionen auf der vor gut zwei Jahren erschienenen CD „Earth Tones“ gehört der Titel „Galliard“, den er mit zur Laute umfunktionierten Gitarre in Bücken vorstellte. Um den besonderen Klang des Vorläuferinstruments der Gitarre zu erzeugen, erläuterte der Künstler seinem fachlich versierten Publikum, stimme man einfach eine Saite um. Gesagt, getan, und schon versetzte der Saitenzauberer die Bücker Konzertgäste ins England des 16. und 17. Jahrhunderts, wo die französische Gaillarde in den höfischen Tanz „Galliard“ umgewandelt wurde. Eindrucksvoll demonstrierte Markus Segschneider, wie Englands Lauten-Komponist John Dowland (1563 bis 1626) zu Werk gegangen sein mag, als er Londons Höflinge mit Melodien für die Hüpfschritte ihrer Tänze versorgte.
Und als Markus Segschneider in die Neuzeit wechselte und den guten alten Superhit „Apache“ aus dem britischen Musikalienhut zauberte, schien es, als hätten sich die Urheber „Shadows“ hinter der Bühne versteckt und würden dort heimlich aber hörbar mitspielen.