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Ein Besuch in der Eystruper Kläranlage

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Von: Mareike Hahn

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Zwischen Gezwitscher und Geruch: In der Kläranlage Eystrup ist „richtig was los“.

Vom Dach eines Schlammstapelbehälters haben Stephan Schmidt (rechts) und Jürgen Köneking einen guten Blick auf das Gelände der Kläranlage in Eystrup. Im Hintergrund sind das Bürogebäude (mittig), das Rechengebäude (rechts) und ein Belebungsbecken (ganz hinten) zu sehen.
Vom Dach eines Schlammstapelbehälters haben Stephan Schmidt (rechts) und Jürgen Köneking einen guten Blick auf das Gelände der Kläranlage in Eystrup. Im Hintergrund sind das Bürogebäude (mittig), das Rechengebäude (rechts) und ein Belebungsbecken (ganz hinten) zu sehen. © Mareike Hahn

Eystrup – Wenn in Hassel jemand die Klospülung betätigt, dauert es etwa 48 Stunden, bis der Inhalt seiner Toilette am Arbeitsplatz von Stephan Schmidt ankommt. Dort, in der Kläranlage Eystrup, landen täglich rund 1 300 Kubikmeter Abwasser. Circa vier Tage später fließt das gereinigte Wasser in die Weser. In der Zwischenzeit sorgen Stephan Schmidt und sein Kollege, der Anlagenverantwortliche Michael Wulff, für einen reibungslosen Ablauf. Ein Job, der Schmidt übrigens überhaupt nicht stinkt – ganz im Gegenteil.

Ein hoher Zaun umschließt das Gelände der Kläranlage am Kesselbergweg. Grünflächen und Bäume wechseln sich mit verschiedenen Gebäuden ab. Vögel zwitschern. Wer beim Betreten des Areals mit fiesem Geruch rechnet, wird positiv überrascht. „Nur die Rechenanlage stinkt etwas“, räumt Schmidt mit einem Vorurteil auf. „Und der Schlamm, wenn er abgefahren wird.“

Die Eystruper Kläranlage ist zuständig für die Bereiche Eystrup, Hämelhausen, Hassel und Gandesbergen. Das Abwasser von 17 000 sogenannten Einwohnerwerten wird dort geklärt. „Wir zählen nicht die reinen Einwohner, weil ja auch Gewerbebetriebe angeschlossen sind“, erklärt Schmidt.

Das Abwasser landet zunächst in der Rechenanlage. Ein Betonbau mit Flachdach. Beim Betreten fällt der Blick auf die Wand eines mehrere Meter hohen Beckens, vor der zwei Müllcontainer stehen, in die jeweils ein dickes Rohr ragt. Eine leichte Brise erinnert an den Geruch, den Partygänger aus der Schlange vor Toilettenwagen kennen.

In der Rechenanlage wird das Abwasser mechanisch gereinigt: „Das funktioniert wie mit einem groben Sieb“, erklärt Schmidt. „Alles, was fest ist, soll hängen bleiben, wird gepresst und fällt in die Restmüllbehälter.“

Von der Rechenanlage fließt das grob gesäuberte Abwasser in die beiden Belebungsbecken, von denen in Eystrup jedes 2 350 Kubikmeter fasst. Schmidt spricht vom „Herzstück der Kläranlage“. Eine etwa einen Meter hohe Mauer umfasst die Becken, die circa sechs Meter tief sind und ohne Dach auf dem Grundstück stehen. Darin schwimmt eine braune, leicht schäumende, undurchsichtige Brühe. „Das Wasser wird durch die Bakterien so braun“, erklärt Schmidt.

Diese Bakterien zersetzen das Abwasser und bauen die Schmutzstoffe ab. „Da ist richtig was los“, sagt Schmidt schmunzelnd. Am Grund der Belebungsbecken sind Belüftungsplatten angebracht. Denn die Bakterien brauchen die richtige Menge Luft in den richtigen Abständen: „Wir benötigen viel Sauerstoff, um Ammonium abzubauen – und wenig, um Nitrat abzubauen“, erläutert Jürgen Köneking, als Leiter des Fachteams Tiefbau bei der Samtgemeinde für Kläranlage und Kanalnetz zuständig. Beides, Ammonium und Nitrat, ist in großen Mengen schädlich für die Umwelt.

Am Computer überprüfen Schmidt und Wulff regelmäßig die Werte und steuern die Sauerstoffzufuhr. „Da steckt viel Know-how hinter“, sagt Schmidt.

Drei Jahre dauert die Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik. Der Hämelhauser Schmidt landete „aus purem Zufall“ als Quereinsteiger in dem Beruf, seit 2010 ist er in Eystrup tätig. Ursprünglich hatte er Kfz-Mechaniker gelernt. Als sein Betrieb insolvent war, arbeitete er auf dem Bau – und half 2005, das Vakuumsystem in Hämelhausen einzubauen. „So bin ich da reingeraten“, sagt Schmidt. Er ist beim Kreisverband für Wasserwirtschaft angestellt, der im Auftrag der Samtgemeinde die technische Betriebsführung der Eystruper Kläranlage übernimmt.

Letzte Station des Abwassers ist das Nachklärbecken. Dort trennen sich Klarwasser und Schlamm. Ein „Räumer“ bewegt sich langsam durch das Wasser und schiebt den sich absetzenden Schlamm in eine Art Trichter. Der überschüssige Schlamm wird über ein Rohr in zwei große, runde Schlammstapelbehälter gepumpt. 3 000 Kubikmeter Schlamm können in Eystrup lagern, im März und im August holen Landwirte ihn ab und düngen damit ihre Felder.

Über ein anderes Rohr läuft das geruchlose, klare Wasser aus dem Nachklärbecken ab. Es wird in die rund zwei Kilometer entfernte Weser eingeleitet; die Samtgemeinde hat extra dafür eine Erlaubnis. „Bestimmte Parameter müssen eingehalten werden“, sagt Köneking. Schmidt ergänzt: „Dass die Werte stimmen, wird jeden Monat ohne Anmeldung überprüft.“

Das Prüfen vieler verschiedener Werte gehört zum Arbeitsalltag von Schmidt und Wulff wie hierzulande das Klopapier zum Toilettengang. Für den Fall eines Problems außerhalb der regulären Arbeitszeiten hat immer ein Mitarbeiter des Kreisverbands Rufbereitschaft.

Chemie, Technik, Computerarbeit – an seinem Beruf schätzt Schmidt die Vielfalt. Ein typischer Arbeitstag beginnt für ihn um 7 Uhr mit einem Rundgang über die Anlage. „Wir schreiben alles auf“, sagt Schmidt und nennt Beispiele: „Wie viel Regen gab es, wie viel Strom und Wasser wurden verbraucht?“

Schmidt und Wulff kümmern sich um Kläranlage, Kanalnetz und Pumpwerke. Sie reinigen und warten die Maschinen, nehmen Hausanschlüsse bei Neubauten ab, schauen bei Zulauf, Belebung und Ablauf nach dem Rechten. „Automatisierung hört sich gut an, aber es ist nach wie vor wichtig, dass ein Mensch in die Becken guckt. An der Farbe des Wassers kann man vieles erkennen“, sagt Schmidt.

In Eystrup, Hassel und Gandesbergen fließt das Abwasser über Freigefällekanäle in insgesamt 22 Hauptpumpwerke und von dort durch Druckrohrleitungen weiter nach Eystrup. Anders ist es in Hämelhausen: Dort gibt es ein Vakuumsystem, erklärt Rathaus-Mitarbeiter Köneking. „Von jedem Haus führt eine Leitung zu einem Pumpschacht, in dem sich bei einem gewissen Füllstand automatisch ein Ventil öffnet, Unterdruck entsteht und das Abwasser abgesaugt wird.“

Im Fall einer Störung machen sich Schmidt und Wulff auf den Weg. Zum Beispiel, wenn ein Hämelhauser anruft, weil sein Abwasser nicht abfließt. Ein Grund dafür können ins WC gefallene Gegenstände sein, die den Pumpschacht verstopfen.

Schmidt schüttelt den Kopf: „Man kann sich nicht vorstellen, was man alles im Abwasser findet.“ Hygieneartikel, Spielzeug, Gebisse, Geld – die Liste ist lang. Ein großes Problem seien Feuchttücher: „Wenn sie sich in einem Pumpwerk sammeln, muss man die Pumpe aus dem Boden holen und die Tücher entfernen. Die Pumpe wiegt bestimmt 80, 100 Kilo. Da braucht man spezielles Gerät. Zum Absaugen kommt ein Spülwagen zum Einsatz.“

Im Belebungsbecken zersetzen Bakterien das Abwasser und bauen die Schmutzstoffe ab.
Im Belebungsbecken zersetzen Bakterien das Abwasser und bauen die Schmutzstoffe ab. © Hahn, Mareike

Auch alte Lebensmittel sind ein Ärgernis. „In den Schmutzwasserkanälen leben Ratten. Wir sind an dem Thema laufend dran, aber sie sind da“, sagt Köneking. „Das Wasser bewegt sich im Kanal mit weniger als Schrittgeschwindigkeit. Da können sich die Ratten von Lebensmitteln ernähren.“

Ebenfalls unerwünscht: altes Fett, das sich beim Erkalten in Hausanschlüssen und Rohren absetzt und Verstopfungen verursacht. „Man sollte das Fett zum Beispiel aus Pfannen immer mit Küchenrolle aufnehmen und in den Müll werfen“, sagt Köneking.

Bei ihrer Arbeit legen Schmidt und Wulff viel Wert auf Hygiene und Schutzmaßnahmen. Ganzkörperanzüge gehören genauso dazu wie ein Schwarz-weiß-Bereich in der Kläranlage. Manchmal müsse man mit Handschuhen ins Abwasser greifen, um etwas herauszuholen. „Das spritzt schon mal. Nicht so schön“, sagt Schmidt.

Gibt es etwas, wovor er sich ekelt? „Vor altem Fett, das stinkt richtig fies“, antwortet er. „Aber sonst?“ Schmidt schüttelt den Kopf. „Man gewöhnt sich an alles.“

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