Wölfe in Niedersachsen: 35 Kilometer langer Zaun soll Schafe vor Rissen schützen
Um die 35 Wolfsrudel gibt es immer wieder Aufregung in Niedersachsen. Der Abschuss der Tiere wurde vor einem halben Jahr gesetzlich erleichtert. Doch wie weit ist die Jagd auf Wölfe, die als „problematisch“ gelten?
- Noch kein Wolf in diesem Jahr in Niedersachsen abgeschossen.
- Umweltministerium investiert 375.000 Euro in einen Elektrozaun.
- Rund 350 Wölfe leben in 35 nachgewiesenen Rudeln in Niedersachsen.
Update vom 28. August: Die Zahl der in freier Wildbahn lebenden Wölfe in Niedersachsen steigt weiter an. Es gebe jetzt 35 bestätigte Rudel, sieben mehr als bei der letzten Zählung, teilte die Landesjägerschaft mit. Es seien vier neue Territorien bestätigt und drei Territorien hochgestuft worden. Außerdem seien drei Wolfspaare in Niedersachsen ansässig.
Neue Rudel gibt es demnach in der Lüneburger Heide sowie in den Landkreisen Rotenburg/Wümme, Diepholz und Emsland. Die Nachweise erfolgten zumeist durch Aufnahmen mit Fotofallen, in die Welpen hineingetappt waren. In einem Fall wurde ein Wolfs-Welpe, in einem weiteren eine laktierende, also milchgebende, Wölfin durch einen Verkehrsunfall getötet. In Niedersachsen ist die Landesjägerschaft für das Wolfsmonitoring zuständig. Das Monitoring beinhaltet die Beobachtung, Registrierung und statistische Erfassung von Vorkommen wildlebender Wölfe sowie die Erhebung und Bereitstellung detaillierter Daten.
Niedersachsen | |
Fläche: | 47.709 Quadratkilometer |
Einwohner: | 7.993.608 |
Gründung: | 1. November 1946 |
Update vom 26. August: Im Bereich der Osterstader Marsch am rechten Weserufer soll künftig ein 35 Kilometer langer Elektrozaun Schafe vor Wolfsangriffen schützen. Das am Dienstag gestartete Projekt des Deichverbandes Osterstader Marsch wird vom Niedersächsischen Umweltministerium mit 375.000 Euro gefördert. Das Land Niedersachsen erhoffe sich von dem Vorhaben „Antworten auf die Frage, wie ein wolfsabweisender Schutz für Schafe auf dem Deich aussehen kann“, sagte Umweltstaatssekretär Frank Doods. Eine Projektgruppe mit Vertretern des Ministeriums, des Deichverbandes, Schäfern und von mehreren Behörden werde den Betrieb begleiten und am Ende bewerten.
In der Vergangenheit wurden dem Ministerium zufolge immer wieder auch Schafe auf Deichen von Wölfen gerissen. „Deiche ohne Schafe sind aber undenkbar“, sagte Frank Doods. „Sie pflegen die Deiche landesweit, das ist gute und fachlich anerkannte Praxis.“ Darum müssten sie vor Wolfsangriffen geschützt werden. Der Elektrozaun soll mindestens bis zum Jahr 2024 Instand gehalten werden. Der in Beverstedt ansässige Deichverband Osterstader Marsch hat eigentlich die Aufgabe, das östliche Weserufer in den Landkreisen Cuxhaven und Osterholz vor Hochwasser zu schützen.
Den kompletten Deich einzuzäunen wäre aber utopisch, teilte das Ministerium mit. Es müssten rund 1.200 Kilometer Deichlinie für rund 30 Millionen Euro eingezäunt werden.
Update vom 24. August: Der sogenannte Rodewalder Rüde (GW717m) ist bis zum Ende des Jahres zum Abschuss freigegeben worden. Eine Ende März ausgelaufene Genehmigung hatte nicht zum Abschuss des Rodewalder Wolfes geführt. Das teilte das Niedersächsische Umweltministerium mit. Notwendig sei eine weitere Genehmigung geworden, da es entgegen einer günstigen Prognose von März weitere Wolfsrisse gegeben habe.
In Altenwahlingen (Heidekreis) wurde im Mai ein zwölf Monate altes Rind aus einer Herde mit sechs erwachsenen Tieren durch einen oder mehrere Wölfe getötet. Der letzte Schadensfall ereignete sich am 16. Juni im Landkreis Nienburg, bei dem Wölfe des Rodewalder Rudels zwei Pferde töteten und ein weiteres schwer verletzten. In den von den Biss- und Fraßstellen genommenen Speichelproben wurden jeweils DNA-Spuren mehrerer Tiere des Rudels nachgewiesen, von denen zumindest ein Tier männlich war. Das Rissbild lässt aufgrund der daraus abzulesenden Jagdtechnik darauf schließen, dass der Leitrüde des Rudels beteiligt war.

„Wenn zumutbarer Herdenschutz von Wölfen überwunden wird, muss rechtzeitig reagiert werden - im Interesse einer artgerechten Weidetierhaltung, aber auch um die Akzeptanz für Wölfe bei uns zu erhalten“, sagte Umweltminister Olaf Lies (SPD).
Meldung vom 13. August: Hannover - Sechs Monate nach Beginn der gesetzlichen Erleichterung für die Tötung von Wölfen hat es bis Anfang August in Niedersachsen keinen weiteren Abschuss gegeben. Im April 2016 war Wolf „Kurti“ MT6 in der Lüneburger Heide von einem Scharfschützen der Polizei getötet worden - er war der erste und bisher einzige legal getötete Wolf seit der Rückkehr der Tiere nach Deutschland.
Auch weiterhin dürfte es in Niedersachsen trotz der seit einem halben Jahr geltenden Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz kaum eine Tötung von Wölfen geben. Die letzte von drei Ausnahmegenehmigungen wurde im April auf Bitte des Verwaltungsgerichts Lüneburg ausgesetzt, zwei später vom niedersächsischen Oberverwaltungsgericht für teilweise rechtswidrig erklärt.
Niedersachsen: Neue Wolfsverordnung im September
Zuletzt hatte das Land Niedersachsen nach 14 Monaten die erfolglose Jagd auf den Leitwolf des Rodewalder Rudels zum 31. März eingestellt. Aufgrund ausbleibender weiterer Herdenschutzüberwindungen und einer damit günstigeren Schadensprognose wurde die Genehmigung nicht verlängert. Eine neue Genehmigung wurde ab Juli erteilt.
Den künftigen Umgang mit den Wölfen im Bundesland soll eine niedersächsische Wolfsverordnung regeln. Diese soll planmäßig im September erlassen werden.
Die niedersächsischen Behörden hätten von der neuen bundesweiten Regelung bereits Gebrauch gemacht, sagte dazu Gunars Reichenbachs, Sprecher des niedersächsischen Umweltministeriums. Es sei zwar noch nicht zum Abschuss eines problematischen Wolfes gekommen, doch sei es deutlich leichter geworden, Personen wie zum Beispiel Jäger zum Vollzug solcher Maßnahmen zu gewinnen.
„Derzeit ist vor allem die Klärung der Parameter für den sogenannten günstigen Erhaltungszustand für den Wolf offen“, erklärte Gunars Reichenbachs. „Es muss klar sein, wie viele Wölfe wo leben müssen, um den Erhaltungszustand zu sichern“, betonte Reichenbachs in dem Zusammenhang. „Diese Klarstellung des Bundes steht nach wie vor aus.“
In Niedersachsen gibt es nach Angaben der für die Beobachtung der Tiere zuständigen Landesjägerschaft 28 nachgewiesene Rudel. Bei einem Rudel geht man von 8 bis 10 Einzeltieren aus. Mit den Welpen von diesem Jahr dürften es samt der umherziehenden Einzeltiere insgesamt mehr als 350 Wölfe sein. Wo sich die Wölfe aufhalten, ist im Wolfsmonitoring zu sehen.
Anfang August wurde ein in der Region Nordhorn vermutetes Wolfspaar bestätigt. Es hat mindestens einen Welpen. Wegen schlechter Bildqualität konnten drei weitere Welpen nicht bestätigt werden.
Nicht jeder Wolf ist in Niedersachsen pauschal geschützt
Umweltminister Olaf Lies (SPD) zufolge soll der Wolf als Tierart geschützt werden, jedoch nicht jedes einzelne Tier. „Wir wollen eine Lösung finden, wie Weidetierhaltung und der Schutz des Wolfes möglich ist.“ Wolfsmanagement bedeute auch die Regulierung des Bestands. „Auf Deichen oder in Naturschutzgebieten werden wir beispielsweise nicht flächendeckend hohe Zäune bauen.“ Weder der Hochwasserschutz noch Wiesenvögel würden dem Wolf geopfert“, sagte Lies.
Für Niedersachsen gilt: Nähert ein Wolf sich auf weniger als 30 Meter einem Menschen oder greift er ihn gar an, gilt er als problematisch und kann sofort getötet werden. Wenn ein Wolf zweimal einen fachgerecht aufgestellten Zaun überwindet und Schafe reißt, wird er ebenfalls sofort zum Abschuss freigegeben. Sollte ein gesuchter „Problem-Wolf“ nicht eindeutig identifiziert werden können, dürfen auch andere Wölfe aus diesem Rudel abgeschossen werden. Erster Ansprechpartner für das behördlich angeordnete Töten von Wölfen sind die Jäger. Dazu gibt es regionale Besonderheiten, beispielsweise an der Küste oder in der Lüneburger Heide.
Schutzzaun gegen den Wolf: Land gewährt Kosten-Zuschüsse
Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen ist seit dem 1. Januar als Bewilligungsstelle für die Förderung von wolfsabweisenden Präventionsmaßnahmen zuständig. In der Regel werden Maßnahmen zum Herdenschutz für die durch Wölfe besonders gefährdeten Nutztierarten Schafe, Ziegen und Gatterwild gefördert. Eine Förderung von Herdenschutzmaßnahmen für Rinder und Pferde ist in Einzelfällen möglich. Niedersachsen hat in diesem Jahr laut Umweltministerium bereits knapp 3,5 Millionen Euro für Präventionsmaßnahmen ausgezahlt.

Gefördert werden in Niedersachsen unterschiedliche Schutzmaßnahmen: Nutzgeflecht- oder Litzenzäune mit einer Mindesthöhe von 90 Zentimeter oder Festzäune aus Knotengeflecht oder Maschendraht mit einer Mindesthöhe von 120 Zentimeter und zusätzlichem Untergrabeschutz. Bei Gatterwild werden Wildzäune aus Knotengitter oder Maschendraht mit einer Mindesthöhe von 180 Zentimeter und zusätzlichem Untergrabeschutz. Der Antrag ist auf der Seite der Landwirtschaftskammer Niedersachsen hinterlegt.
Wölfe haben in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2019 mehr als 1.000 Schafe, Ziegen und Rinder gerissen. Laut der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, starben im Norden insgesamt 1.026 Nutztiere bei 371 nachgewiesenen Wolfsangriffen. Gerissen wurden überwiegend Schafe. Im Vergleich zum Jahr 2018 sei das ein Anstieg der Risszahlen um mehr als 60 Prozent, berichtet die Zeitung. 2018 wurden demnach insgesamt 630 Tiere von Wölfen gerissen oder so schwer verletzt, dass sie eingeschläfert werden mussten.
Bei Sichtung: Wolf bei Wolfsmonitoring Niedersachsen melden
Wenn man einen Wolf gesehen haben will, sollte man ihn melden. Auf der Seite des Wolfsmonitoring gibt es ein entsprechendes Online-Formular. Das Problem: Echte Wölfe sind von Wolfhunden für Laien kaum zu unterscheiden.