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Besonders normal: Wie es ist, ein Geschwisterkind mit Down-Syndrom zu haben

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Von: Maria Sandig

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In Deutschland leben schätzungsweise 50.000 Menschen mit Trisomie 21. Viele davon haben Geschwister. Doch wie ist es eigentlich, ein Geschwisterkind mit Down-Syndrom zu haben? Ein Porträt.

Bremen – Leonie und Thibaud Sturm sind Zwillinge. Die Mutter der beiden sagt liebevoll, dass Leonie die große Schwester ist, auch wenn die beiden zusammen zur Welt kamen. Die beiden unterscheidet jedoch nicht nur das Geschlecht: Thibaud kam mit einem Chromosom mehr auf die Welt, er hat das sogenannte Down-Syndrom. Leonie hat das Normal-Syndrom, wie ihre Eltern sagen. 

Down-Syndrom Awareness Month

Der Oktober ist der offizielle „Down-Syndrom Awareness Month“ der „National Down-Syndrom Society“. Das Ziel ist es, hierbei auf die Fähigkeiten von Menschen mit Down-Syndrom aufmerksam zu machen und weniger auf die Beeinträchtigung zu fokussieren.

Ein Bruder mit Down-Syndrom – „Wenn mich jemand ärgert, beschützt er mich“

„Wenn mich jemand ärgert, beschützt er mich. Und wenn Thibaud geärgert wird, helfe ich ihm. Ich möchte nicht, dass er ausgeschlossen wird oder traurig ist.“ Es verletzt Leonie, wenn jemand über ihren Bruder mit Down-Syndrom lästert oder sagt, dass er geistig behindert ist. Sie findet nicht, dass dies auf ihn zutrifft. 

Leonie hält ihren Eltern öfter den Spiegel vor, wenn sie das Gefühl hat, nicht genug Aufmerksamkeit seitens der Familie zu bekommen. Das schätzen Claudia und Rémy.
Leonie hält ihren Eltern öfter den Spiegel vor, wenn sie das Gefühl hat, nicht genug Aufmerksamkeit seitens der Familie zu bekommen. Das schätzen Claudia und Rémy. © Maria Sandig

Die 9-Jährige sagt, dass es eine Herausforderung für sie ist, in solchen Situationen ruhig zu bleiben. „Er sieht vielleicht ein bisschen anders aus und lernt langsamer. Er ist für mich aber nicht ganz anders. Für mich ist er ein Mensch, der alles lernen kann.“ 

Er sieht vielleicht ein bisschen anders aus und lernt langsamer. Er ist für mich aber nicht ganz anders. Für mich ist er ein Mensch, der alles lernen kann.

Leonie Sturm

Leonie fühlt sich manchmal benachteiligt, wenn der Bruder mit Down-Syndrom mehr Aufmerksamkeit bekommt

Wenn Thibaud mehr Aufmerksamkeit oder Unterstützung der Eltern bekommt, fühlt sich Leonie manchmal benachteiligt. Sie hat früh gelernt, ihre Probleme offen zu kommunizieren: „Ich sage dann auch, dass mich das stört. Dann klären wir das.“ Leonie möchte Schauspielerin werden. „Die Schauspielerei gefällt ihr gut, weil sie so auch mal im Mittelpunkt stehen kann“, sagt ihre Mutter Claudia. 

Was ist das Down-Syndrom (Trisomie 21)?

Einfach erklärt: Was ist das Down-Syndrom?
Beim Down-Syndrom handelt es sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine unveränderbare genetische Besonderheit. Anstatt der üblichen 23 Chromosomenpaare in allen menschlichen Zellen weisen die Zellen der Menschen mit Trisomie 21 ein zusätzliches Chromosom auf. Meist geht Trisomie 21 mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen einher.

Wie lange leben Menschen mit Down-Syndrom?
Die Lebenserwartung liegt bei 60 Jahren. Der älteste bekannte Mensch mit Down-Syndrom verstarb 2012 im Alter von 83 Jahren.

Können Menschen mit Down-Syndrom Kinder bekommen?
Ja, Menschen mit Down-Syndrom können Kinder bekommen.

Was ist besonders am Down-Syndrom?
Kinder mit Down-Syndrom (Trisomie 21) benötigen in der Regel von ihren Familien viel Zeit und Fürsorge. Eltern und Geschwister sind dabei oft auf Unterstützung angewiesen. Der Familienunterstützende Dienst kann helfen. Frühförderung ist für Kinder mit Trisomie 21 grundsätzlich wichtig und trägt zur Entwicklung bei.

Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen: Herausforderung für Eltern

Für Claudia und Rémy Sturm, die Eltern der Zwillinge, ist es nicht immer leicht, beiden Kindern gerecht zu werden. „Sie haben unterschiedliche Bedürfnisse“, merkt Mutter Claudia an. 

„Wir grenzen Leonie natürlich nicht bewusst aus.“ Trotzdem sei es oft der Fall, dass die beiden mehr auf Thibaud fokussiert seien. Für Leonie sei er wie ein kleiner Bruder und benötige mehr Unterstützung, erklärt Vater Rémy. Lob und Wertschätzung spielen auch in der Erziehung der Tochter eine große Rolle. „Trotzdem ertappen wir uns oft dabei, dass Erfolge oder Entwicklungen von Leonie selbstverständlich sind“, sagt Rémy.

Leonie und ihr Bruder Thibaud schauen Fernsehen.
Wenn Thibaud mehr Aufmerksamkeit oder Unterstützung der Eltern bekommt, fühlt sich Leonie manchmal benachteiligt. Doch sie hat früh gelernt, ihre Probleme offen zu kommunizieren. © Maria Sandig

Down-Syndrom: „Wenn Thibaud etwas schafft, was wir nicht unbedingt erwarten, sind wir natürlich total begeistert“

„Wenn Thibaud etwas schafft, was wir nicht unbedingt erwarten, sind wir natürlich total begeistert darüber“, sagt Vater Rémy. Leonie hält ihren Eltern öfter den Spiegel vor, wenn sie das Gefühl hat, nicht genug Aufmerksamkeit seitens der Familie zu bekommen. Das schätzen Claudia und Rémy.

Claudia Sturm versucht, Thibaud einen Tag in der Woche anderweitig betreuen zu lassen. An diesem Tag verbringt sie ihre Zeit dann allein mit Leonie. „Wir versuchen Dinge zu ermöglichen, die sie gerne hat und Freiraum für sie schaffen.“ 

Mittlerweile zahlen einige Krankenkassen vorgeburtliche Bluttests auf Trisomien. Was zu diesem Beschluss führte – und warum er von Verbänden und Medizinern kritisiert wird.

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