Haushalt und Familie statt Hobbys und Freunde: Frauen fehlt Freizeit

Weltfrauentag am 8. März: Bei Frauen bleiben wegen Familie und Haushalt Hobbys und Freunde oft links liegen. Männer haben mehr Freizeit.
Rotenburg/Hannover – Am Mittwochnachmittag ist es mal wieder so weit: Es ist Lisa-Zeit. Eine Stunde, das hat die 32-Jährige mit ihrem Partner so vereinbart, gehört dann ihr ganz allein. Um den kleinen Sohn kümmert er sich währenddessen. Fotos sortieren, etwas im Haushalt erledigen, was liegengeblieben ist, oder auch einfach nichts machen – ihre ganz private Zeit nutzt Lisa unterschiedlich. Allerdings fällt die freie Stunde am Mittwoch mit unschöner Regelmäßigkeit aus. „Oft klappt das nicht“, sagt Lisa – Termine oder andere Aufgaben kommen dazwischen. Im Vergleich zu ihrem Mann stecke sie bei der freien Zeit oft zurück.
Lisa sitzt am großen Holztisch in den Räumen des Rotenburger Elternnetzwerk Simbav. Beim wöchentlichen Elternfrühstück gibt es hier Kaffee mit oder ohne Koffein, Brötchen und Gelegenheit zum Schnacken. Ein riesiges Regal voller Kinderbücher dient als Raumtrenner, Spielzeug zum Zeitvertreib für die Kleinen liegt auf dem Boden verstreut. Wer die Runde am Tisch fragt, wie es denn so bestellt ist um die Freizeit als Mutter, bekommt ein spontanes, lautes Lachen zur Antwort. „Das letzte Mal wirklich kinderfrei hatte ich an meinem Geburtstag, letztes Jahr im Sommer“, erzählt eine.
Diese Beispiele sind kein Zufall: Überall auf der Welt haben Männer mehr Freizeit als Frauen. Das zeigen OECD-Daten von 2020. In Deutschland steht Frauen demnach im Schnitt täglich eine halbe Stunde weniger Zeit zur Verfügung als Männern, um etwa Sport zu treiben, Freunde zu treffen oder fernzusehen. Die Forschung spricht vom Gender Leisure Gap, einem geschlechtsspezifischen Freizeitunterschied.
Frauen putzen, anstatt dass sie Freunde zu treffen
Sozusagen das Gegenstück dazu – und ein Teil der Erklärung für die Freizeitlücke – ist der Gender Care Gap, der angibt, wie groß der Unterschied der Zeitmenge ist, die Männer und Frauen für Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Haushalt aufwenden. Frauen Mitte 30 investieren einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft zufolge mehr als doppelt so viel Zeit wie Männer.
„Zeit ist endlich“, sagt Julia Kögler, „und sie ist nicht fair aufgeteilt.“ Kögler gehört zum Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) kommunaler Frauen- und Gleichstellungsbüros Niedersachsen. Männern falle es leichter, sich auszuklinken, meint sie. Frauen seien in der Regel durch Schwangerschaft und Stillzeit von vornherein enger an das Kind gebunden. Daraus seien in der Vergangenheit feste Rollenbilder erwachsen. Die hätten zur Folge, dass dasselbe Verhalten unterschiedlich bewertet wird. Ein Mann, der mit seinem Kind Zeit auf dem Spielplatz verbringt, werde gelobt, eine Frau erfülle damit lediglich die gesellschaftliche Erwartung. Wenn Frauen mehr Freizeit haben sollen, brauche es eine gerechtere Rollenaufteilung, sagt Kögler.
Das hinzubekommen, ist allerdings nicht so einfach. Rita Müller-Gödeke leitet die Elternberatungsstelle in Diepholz und kennt den Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit gut. Im Kopf seien viele Paare, die zu ihr kommen, bereits über die Klischees von Hausfrau und Alleinverdiener hinweg. Doch bei der Umsetzung hapere es noch. „Frauen neigen eher dazu, sich zu verausgaben. Sie fühlen sich anders verantwortlich als Männer“, sagt Müller-Gödeke. Den Eindruck, dass Väter stärker darauf pochten, Zeit für Hobbys zu haben, habe sie hingegen nicht – das sei früher anders gewesen.
Zeit ist endlich, und sie ist nicht fair aufgeteilt.
Gleichstellungsbeauftragte Kögler erlebt Frauen oft als große Organisationstalente, die alles rund um die Familie planen. Das habe allerdings auch eine Schattenseite, nämlich den unsichtbaren Stress, auch Mental load genannt. Damit sind die unzähligen Aufgaben und Überlegungen gemeint, die mit Familie und Haushalt zusammenhängen: Ist das Geburtstagsgeschenk für die Freundin der Tochter schon besorgt? Wann passt der Arzttermin für den Sohn noch rein? Und was ist eigentlich mit der Einkaufsliste?
Solche Fragen schwirren auch in Julias Kopf herum. Die 28-Jährige hat ihren Platz am Frühstückstisch beim Rotenburger Elternnetzwerk verlassen, um ihre Tochter zu stillen. Aus dem Sessel in der Ecke erzählt sie, dass der unsichtbare Stress rund um Kinder und Haushalt meist an ihr hängen bleibe. Das sei auch ein Thema zwischen ihr und ihrem Partner.
Julia ist zuversichtlich. Schon einmal haben die beiden es geschafft, ihre eigene Lösung für Ungleichheiten zu finden. Sobald ihr Sohn, das erste Kind, geboren war, habe sie kaum noch freie Zeit für sich gefunden, sagt Julia. Ihr Partner steckte damals noch in der Ausbildung, ein zusätzlicher Stressfaktor: „Im Alltag, spontan, hat es nicht geklappt.“ Das Paar setzte einen Stundenplan auf: Zeit für Privates, Familie, Hausarbeit. So kamen beide zu ihrem Recht – und die Freizeitlücke schrumpfte.