Wegen Ukraine-Krieg: Aufrüsten im Norden – „Niedersachsen ist Bundeswehrland“
Der Ukraine-Krieg macht deutlich: Deutschland muss die Bundeswehr wieder aufrüsten. Geldsegen auch für Bremen und Niedersachsen. Die Pläne im Detail.
Hannover/Wilhelmshaven – Der Ukraine-Krieg* ist in keinster Weise gutzuheißen. Menschen werden getötet, Gebäude zerstört, eine Vielzahl musste das Land verlassen, ist auf der Flucht oder hat bereits Schutz in anderen Ländern gefunden. Und doch zeigt die Invasion von Russlands Präsident Wladimir Putin, dass Deutschland für seine Sicherheit mehr investieren muss. Die Bundeswehr soll aufgerüstet werden. Und hierbei spielen auch Bremen und Niedersachsen eine gewichtige Rolle.
Bundeswehr soll wegen Ukraine-Krieg finanziell aufgerüstet werden – Niedersachsen mit gewichtiger Rolle
Auch, wenn die Planungen und das Vorhaben an sich noch in den Kinderschuhen stecken: „Niedersachsen ist ein Bundeswehrland“, legt sich CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte bereits fest. Der Bundestagsabgeordnete aus dem niedersächsischen Celle hat dabei wohl auch Wilhelmshaven im Sinn.

Die Stadt an der Nordwestküste des Jadebusen, wo ein LNG-Terminal als Alternative zur Erdgas-Versorgung durch Russland entstehen soll, stellt den größten Stützpunkt der deutschen Marine dar. Zugleich ist Wilhelmshaven der größte Standort der Bundeswehr überhaupt.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) kündigt wegen Krieg in der Ukraine 100 Milliarden Euro Sonderausgaben für die Bundeswehr an
Das ist es in Niedersachsen jedoch noch längst nicht gewesen. Mit vier Kasernen ist Munster in der Lüneburger Heide der wichtigste Standort des Heeres. Die Luftwaffe wiederum hat ihre Transportflugzeuge Airbus A400M in Wunstorf bei Hannover stationiert. Die Fliegerei der Marine sitzt in Nordholz bei Cuxhaven. Und Fallschirmjäger aus Seedorf im Kreis Rotenburg sind das Rückgrat vieler internationaler Einsätze.
Wir brauchen Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen, und Soldatinnen und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind.
Obendrein sind viele Rüstungsbetriebe in Bremen und Niedersachsen ansässig. Unter dem Eindruck des von Wladimir Putin geführten Krieges in der Ukraine hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) 100 Milliarden Euro Sonderausgaben für die Bundeswehr angekündigt. Zudem will Deutschland jedes Jahr über zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben. Man steht bei der Nato im Wort.
Standorte der Bundeswehr in Niedersachsen verkleinert oder aufgelöst worden
Zur Einordnung: In den drei friedlichen Jahrzehnten seit Ende des letzten Ost-West-Konflikts schrumpfte die Bundeswehr kontinuierlich. Auch in Niedersachsen wurden Standorte entweder verkleinert oder ganz aufgelöst. Mitunter mussten sich Einheiten für ihre internationalen Einsätze das notwendige Gerät bei anderen Truppenteilen zusammenborgen.
„Die Bundeswehr braucht eine Vollausrüstung, um ihre Einsatzfähigkeit, Kampffähigkeit und Durchhaltefähigkeit zu sichern“, heißt es nun von Henning Otte. „Dazu brauchen wir ein Mehr an Fahrzeugen, Flugzeugen, Schiffen, Munition, Ersatzteilen und Cyberfähigkeiten“, wird der CDU-Verteidigungsexperte von der dpa zitiert. Zudem wird öffentlich über die Rückkehr der Wehrpflicht diskutiert.
Forderung von Verteidigungsexperten: Luftwaffenstützpunkt Wittmund sanieren, mehr Kapazitäten für Marinearsenal in Wilhelmshaven schaffen
Otte hat bereits konkrete Vorschläge parat, was genau an einzelnen Standorten in Niedersachsen getan werden müsse. Er spricht von der Sanierung des Luftwaffenstützpunktes Wittmund in Ostfriesland, die schnell zu Ende gebracht werden müsse. Noch bis 2024 sind die Eurofighter, die den norddeutschen Luftraum sichern, nach Rostock ausgelagert.
Zudem brauche das Marinearsenal in Wilhelmshaven mehr Kapazitäten zur Wartung der Schiffe und mehr Lager für Material und Munition. Darüber hinaus sollte der Truppenübungsplatz in Bergen bei Celle – der größte der Nato in Westeuropa – modernisiert werden.
Standortkommunen in Niedersachsen würden durch Investitionen der Bundeswehr wirschaftlich profitieren
Von den Investitionen der Bundeswehr würden aber auch die Standortkommunen wirtschaftlich profitieren. „Es sichert Arbeitsplätze“, sagte Wilhelmshaven Oberbürgermeister Carsten Feist (parteilos) der dpa. „Wenn zusätzliche Wohngebäude, zusätzliche Funktionsgebäude gebaut werden, dann wird die örtliche Wirtschaft profitieren“.
Schon vor dem Ausbruch des von Wladimir Putin geführten Ukraine-Kriegs sei für die Ertüchtigung des Marinestandorts eine Milliarde Euro eingeplant worden. Über weitere Pläne habe man mit Kanzler Scholz aber noch nicht gesprochen. Den Wohnungsmarkt in Wilhelmshaven sehe Feist auf jeden Fall als „jederzeit aufnahmefähig“. Und auch die Infrastruktur der Hafenstadt am Jadebusen sei gut.
„Sehr enges Zusammenleben mit der Bundeswehr“: Bürgermeister von Munster sieht positiven Effekt auf seine Stadt durch Investitionen in die Bundeswehr
„Das sind unsere Nachbarn, unsere Freunde, unsere Kollegen“, spricht Feist von den Soldaten der Marine. Deshalb bereite ihm die aktuelle Lage Sorgen. Denn es in fast jeder Kita-Gruppe, in nahezu jeder Schulklasse gebe es Kinder von Bundeswehrangehörigen. Müssen Papa oder Mama jetzt in den Krieg? Das sei eine Frage, welche die Kinder umtreibe.
Für uns als Verantwortliche, als Schulträger ist es ein Problem, Antworten zu geben, die uns selber schwerfallen.
Derweil sieht auch Ulf-Marcus Grube (CDU), Bürgermeister von Munster, „ein sehr enges Zusammenleben mit der Bundeswehr“. Auch Grube erwartet, dass seine Stadt von den Vorhaben der Bundesregierung „wirtschaftlich und strukturell profitieren“ werde. Es gebe genug billige Wohnungen in alten Gebäuden.
Und künftig wolle Munster auch mehr mittel- und hochwertigen Wohnraum anbieten können. Grube denkt aber auch an die Betreuung der Kinder: „Haben wir genug Kitaplätze, sollen wir vier oder fünfzügig planen?“.
Niedersachsen auf Platz drei der genehmigten Rüstungsexporte – mit Lürssen sitzt größter Anbieter von Überwasserschiffen für Marine in Bremen
Erst im Herbst 2021 war unter anderem aus dem Deutschen Bundestag zu erfahren, wie wichtig die Rüstungsindustrie im Norden überhaupt ist. Denn bei den genehmigten Rüstungsexporten unter der damaligen Regierung lagen niedersächsische Hersteller auf dem dritten Platz, hinter Bayern und Baden-Württemberg.
Bekannt ist vor allem der Standort von „Rheinmetall“ in Unterlüß in der Heide. Hier werden Panzerfahrzeuge sowie Artillerie- und Panzermunition hergestellt. Für kommende Aufträge benötige man zusätzliche 1000 bis 3000 Mitarbeiter. Damit rechnet der Düsseldorfer Konzern in Form von Vorstandschef Armin Papperger gegenüber der „Wirtschaftswoche“.
Darüber hinaus ist die Werftengruppe Lürssen mit Sitz in Bremen der größte Anbieter von Überwasserschiffen für die Marine in Deutschland. Und ebenfalls in der Hansestadt lässt Airbus die Rümpfe für die Militärtransporter A400M montieren. (mit Material der dpa) * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.