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Psychotherapie: So lange ist die Wartezeit auf einen Platz

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Von: Maria Sandig

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Die Suche nach einem Therapieplatz kann in Deutschland sehr langwierig sein. Im Durchschnitt warten Hilfe suchende Menschen fünf Monate darauf. Woran es liegt und was sich verändern muss.

Plätze für Psychotherapie sind in Deutschland rar. Eine Therapie beginnt in Deutschland im Durchschnitt erst etwa fünf Monate (19,9 Wochen) nach der ersten Anfrage. Das sagt eine Studie der Bundes-Psychotherapeuten-Kammer von 2018.

Psychotherapieplatz finden

Seit der Psychotherapie-Reform im Jahr 2017 sollte sich die Situation für Therapiesuchende verbessern. Doch die durchschnittliche Wartezeit hat sich lediglich um 3,5 Wochen verkürzt.

Psychotherapie: Zahlen zu Wartezeiten

Wartezeit auf Sprechstunde:5,7 Wochen
Wartezeit auf Akutbehandlung:3,1 Wochen
Wartezeit auf Richtlinienpsychotherapie (2017):19,9 Wochen
Wartezeit auf Richtlinienpsychotherapie (2011):23,4 Wochen
Wartezeit für Kinder & Jugendliche:17,8 Wochen

Studie der BPtK (Bundes-Psychotherapeuten-Kammer) - Wartezeiten 2018

Die Wartezeiten schwanken außerdem deutlich zwischen den einzelnen Bundesländern. Während Patienten in Berlin gut drei Monate warten, bis die Psychotherapie beginnt, sind es im Saarland fast sechs Monate. Besonders Menschen außerhalb von Großstädten und speziell im Ruhrgebiet müssen besonders lang auf einen Therapieplatz warten.

Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen beginnt 17,8 Wochen nach der ersten Anfrage. Die Wartezeit ist damit ungefähr um zwei Wochen kürzer als in Praxen, die ausschließlich Erwachsene behandeln.

Wie lange wartet man auf eine Therapie in Deutschland?

Einen Therapieplatz zu finden, ist in Deutschland nicht leicht.
Einen Therapieplatz zu finden, ist in Deutschland nicht leicht. © imago

Wartezeiten sind für Menschen mit psychischen Erkrankungen eine erhebliche Belastung. Mit zunehmender Dauer der Wartezeit steigt auch der Anteil der Menschen, die eine Behandlung gar nicht erst beginnen.

Mit der Wartezeit steigt auch das Risiko, dass sich psychische Erkrankungen verschlimmern, verlängern oder immer wiederkehren. So steigt beispielsweise das Risiko, erneut an einer Depression zu erkranken, mit jeder weiteren Krankheitsphase.

Auch Psychoanalytiker Karl-Heinz Bomberg weiß aus Erfahrung, dass es schwer ist, einen Therapieplatz zu finden.
Auch Psychoanalytiker Karl-Heinz Bomberg weiß aus Erfahrung, dass es schwer ist, einen Therapieplatz zu finden. © Privat

Bleiben Depressionen unbehandelt, ist ihre durchschnittliche Dauer doppelt so lang wie bei einer behandelten Depression. Auch bei Zwangserkrankungen, Posttraumatischen Belastungsstörungen oder Essstörungen * steigt das Risiko einer Chronifizierung, wenn sie nicht behandelt werden.

Auch Psychoanalytiker Karl-Heinz Bomberg weiß aus Erfahrung, dass es schwer ist, einen Therapieplatz zu finden. „Es gibt grundsätzlich zu wenige Therapieplätze, um den Bedarf zu erfüllen. Das liegt darin begründet, dass eine Psychotherapie sehr aufwendig ist. Die Psychotherapeuten, wenn auch in guter Zahl vorhanden, können diesen hohen Bedarf nicht voll decken“, erklärt der Experte.

Prognose der Bundes-Psychotherapeuten-Kammer:

Rund 7.000 psychotherapeutische Praxissitze seien zusätzlich erforderlich, um Wartezeiten auf eine Richtlinienpsychotherapie insbesondere außerhalb von Großstädten und im Ruhrgebiet zu verkürzen.

In Zukunft: Weiter steigende Nachfrage nach psychotherapeutischer Behandlung zu erwarten. Bisher fragen erst 20 Prozent der psychisch kranken Menschen professionelle Hilfe nach. Die Entstigmatisierung sei zunehmend erfolgreich.

Terminservicestellen: Die psychotherapeutische Sprechstunde und Akutbehandlungen sind bislang der häufigste Grund für Anfragen bei Terminservicestellen. Der Bedarf an Terminvermittlung wird nach Prognosen erheblich steigen, weil die Kassenärztlichen Vereinigungen zukünftig auch für die Vermittlung von dringender Richtlinienpsychotherapie zuständig sein werden.

Die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen vergeben seit der Reform 2017 Sprechstundentermine bei Therapeutinnen und Therapeuten. Die Wartezeiten auf ein Erstgespräch konnten dadurch deutlich verringert werden, die Wartezeiten auf eine Behandlung ist allerdings nach Meinung der Bundes-Psychotherapeuten-Kammer nach wie vor erheblich zu lang. Auch die Bedingungen für die Psychotherapie-Ausbildung * haben sich geändert.

Psychotherapie-Regeln

„Die neuen Psychotherapie-Regeln von 2017 haben zumindest bewirkt, dass der Zugang zum Psychotherapeuten erleichtert ist. Durch die Maßnahmen der Sprechstunde, durch die Maßnahmen der Vorgespräche und der Akutbehandlung. Das bedeutet aber nicht, dass man schneller zum Therapieplatz kommt“, sagt auch Psychotherapeut Karl-Heinz Bomberg. „Aber wenn ein Patient zeitiger zum Psychotherapeuten kommt, dann hat er schon mal eine Hilfe für die Überbrückung, um dann die Wartezeit zu gestalten, bis ein Therapieplatz frei ist.“ *kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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