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Kein Ende im Mediziner-Prozess in Sicht

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Die Internistin Mechthild Bach - hier mit ihren Anwälten Matthias Waldraff (r.) und Albrecht-Paul Wegener zu Prozessbeginn - steht seit fast einem Jahr in Hannover vor Gericht. Ihr wird vorgeworfen, 13 Krebspatienten mit zu hohen Schmerzmittel-Dosen umgebracht zu haben. © dpa

Hannover - Hat eine Krebsärztin aus Langenhagen bei Hannover 13 Menschen mit zu hohen Schmerzmittel-Dosen umgebracht? Und wenn ja, warum? Um das Leiden ihrer Patienten zu lindern? In einem der längsten Ärzte-Prozesse in Deutschland ist auch ein Jahr nach Start der Hauptverhandlung im Landgericht Hannover keine Antwort auf diese Fragen in Sicht.

Inzwischen ist klar, dass bis mindestens 2012 verhandelt wird, 53 Sitzungstage sind bis dahin anberaumt. Bisher wurde das Schicksal von fünf Menschen erörtert, die zwischen 2001 und 2003 in der Paracelsus-Klinik starben, nachdem die Internistin ihnen hoch dosierte Mengen Morphium und Valium verordnet hatte. Klar geworden ist bisher nur soviel: Ob die Kranken durch die Schmerzmittel starben oder durch ihre Ursprungsleiden, darüber können sich medizinische Gutachter genauso gepflegt wie erbittert stundenlang streiten. Aus Sicht von unbefangenen Prozessbeobachtern scheint eine eindeutige Antwort darauf aber objektiv kaum möglich.

Der Verteidiger der Medizinerin ist dagegen überzeugt, aus den ersten Runden als Sieger hervorgegangen zu sein. „Nach unserer Überzeugung haben wir aus medizinischer Sicht den Vorwurf, die Angeklagte habe Menschen vorsätzlich getötet, entkräften können“, sagt Anwalt Matthias Waldraff. Unerklärlich sei aber der unvermindert scharfe Streit zwischen den beiden bundesweit äußerst renommierten medizinischen Gutachtern. „In jedem bisherigen Fall sind sie zu völlig konträren Ergebnissen gekommen“, erläutert Waldraff. Die angeklagte Ärztin ist eine Frau, die polarisiert. Die 60-Jährige sieht sich als Vertreterin einer ganzheitlichen Medizin, der die Qualität des Lebens im Zweifelsfall mehr wert ist als die bloße Zahl der gelebten Tage. „Jeder Mensch hat das Recht, seinen letzten Lebensabschnitt in Würde und angstfrei zu erleben“, betont sie im Gericht. Zu Beginn hatte sie sichtlich aufgewühlt und unter Tränen erklärt: „In keinem der 13 Fälle habe ich die letzte Lebenszeit meiner Patienten durch Morphium verkürzt.“

Zahlreiche frühere Patienten der Krebsärztin verfolgen jeden Verhandlungstag. Sie berichten, dass die Internistin für viele Menschen die letzte Anlaufstelle gewesen sei, nachdem sie von anderen Ärzten bereits aufgegeben wurden. „Deswegen sind bei ihr auch so viele gestorben“, sagt eine Frau, die die Medizinerin vor allem als aufopferungsvoll und verständnisvoll erlebte. Kritiker beschreiben ihr Verhalten aber auch als selbstherrlich. Für Verwunderung sorgt die schmale, grauhaarige Frau im Gerichtssaal mit Sätzen wie „Ich spürte, wenn ein Patient keine Aura mehr hat, keine Energiefelder.“ Neben Geruch und Gesichtsausdruck sei auch die Aura eines Menschen ein Hinweis darauf, dass er sich in der „präfinalen Phase“ befinde, sagte die Ärztin im vergangenen Dezember im Gerichtssaal.

„Die Schmerzbehandlung in der Hospiz- und Palliativversorgung hat seit Jahren einen hohen Stellenwert“, sagt Julia von Hayek vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband in Berlin. Immer mehr Ärzte nutzten die seit langem angebotenen Weiterbildungen in der Palliativmedizin. Zudem seien die Aus- und Weiterbildungsangebote, die bereits vor Jahren zur Verfügung standen, für alle Berufsgruppen, die schwerstkranke und sterbende Menschen begleiten, erweitert worden. Zu dem konkreten Prozess konnte sich von Hayek aber nicht äußern. Die Ermittlungen gegen die angeklagte Krebsärztin begannen, nachdem einer Krankenkasse der ungewöhnliche hohe Morphium-Verbrauch in der Klinik aufgefallen war. Die Ärztin kam zwischenzeitlich in U-Haft, musste ihre Approbation abgegeben, heute betreibt sie eine „Praxis für Präventologie“ in Bad Salzdetfurth gut 50 Kilometer südlich von Hannover.

dpa

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