LNG-Terminal in Wilhelmshaven: Baubeginn für nächste Woche geplant
Unabhängig werden von russischem Gas mit LNG: Angesicht des Lieferstopps in Polen und Bulgarien drängt die Zeit. In Wilhelmshaven geht‘s nächste Woche los.
Wilhelmshaven/Brunsbüttel – Niedersachsen macht Ernst: Die Entscheidung ist bereits gefallen: Wilhelmshaven wird Standort für ein schwimmendes LNG-Terminal. Bereits in der kommenden Woche könnte es in Wilhelmshaven losgehen mit dem Bau der rund 30 Kilometer langen Pipeline, die zur Versorgung benötigt wird, berichteten mehrere Medien übereinstimmend. „Wir müssen jetzt im wahrsten Sinne des Wortes Gas geben, um Gas zu bekommen“, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) jüngst während einer Pressekonferenz.
LNG-Terminal in Wilhelmshaven: Baubeginn für nächste Woche geplant
Um das hinzubekommen, will der Wirtschaftsminister so viele Genehmigungsverfahren außer Kraft setzen wie möglich, sodass alle Ausnahmen, die möglich sind bei solch einem Bau, auch ausgenutzt werden können. Dafür soll die sogenannte Legalplanung genutzt werden. Vereinfacht gesagt, beschließt dabei der Bund ein Gesetz, das den Bau eines schwimmenden LNG-Terminals in Wilhelmshaven vorsieht. Dies hat zur Folge, dass Umweltschützer ausgebremst werden und langwierige Genehmigungsverfahren einfach außer Kraft gesetzt werden können.

Auch Brunsbüttel bekommt ein LNG-Terminal, der Schleswig-Holsteinische Landtag in Kiel entscheidet am Donnerstag darüber, wie der Bau beschleunigt werden kann. Dazu muss das Landeswassergesetz geändert werden. Dann könnte mit Arbeiten bereits begonnen werden, selbst wenn ein Gericht noch über Anfechtungsklagen entscheiden müsste. Grund für die geplanten LNG-Terminals ist Wladimir Putins Krieg in der Ukraine, bei dem eine Eskalation mit Atomwaffen droht.
„Es gibt bereits Vorverträge, die offizielle Unterzeichnung ist Anfang Mai“, kündigte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber dem in Düsseldorf erscheinenden Handelsblatt an. Erwartet wird dazu dann in Wilhelmshaven auch Ressortleiter Robert Habeck (Grüne). Dem Vernehmen nach aus der Branche soll der Termin für kommenden Donnerstag, 5. Mai 2022, anvisiert sein. Bestätigt ist dies aber nicht.
LNG-Terminal in Wilhelmshaven könnte bis zu 20 Prozent des russischen Erdgases ersetzen
Wie es in einem Bericht des NDR heißt, könnte das LNG-Terminal in Wilhelmshaven bis zu 20 Prozent des russischen Erdgases ersetzen. Geht es nach dem Willen von Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) und Wirtschaftsminister Habeck, sollen bis 2025 so viele LNG-Terminals errichtet werden, dass eine vollständige Unabhängigkeit von russischem Gas besteht.
Auf dem Papier wäre das im Prinzip schon so weit. Denn eigentlich sind die LNG-Terminals in Barcelona oder Rotterdam innerhalb der Europäischen Union auch für die Versorgung in Deutschland wichtig und mit vorgesehen. Das funktioniert aber nur auf dem Papier. Denn das Problem ist: Es gibt aktuell gar keine Möglichkeit, das LNG aus den Häfen in Rotterdam oder der Iberischen Halbinsel bis nach Deutschland zu transportieren.
Die Zeit bis 2025, um die entsprechenden Terminals in Deutschland zu bauen, werde laut Lies auch dringend benötigt, wie er dem Norddeutschen Rundfunk sagte. Auch aus diesem Grund will Lies nicht, dass sich Deutschland schon jetzt selbständig aus den Gaslieferverträgen mit der Russischen Föderation zurückzieht.
Denn, solange die Terminals noch nicht stehen und nicht in Betrieb sind, bleibt Deutschland weiter abhängig von russischem Gas. Zwar konnte die Abhängigkeit in den vergangenen Wochen bereits gemindert werden, aber sie ist noch da. Doch inzwischen wurden Polen und auch Rumänien von der russischen Gasversorgung abgeschnitten, weil sie sich weigern, die Gasrechnung an Russland mit Rubel zu bezahlen. Droht dies auch uns? Und wenn ja: Was bedeutet ein Stopp russischer Gaslieferungen für Deutschland?
Was bedeutet ein Stopp russischer Gaslieferungen für Deutschland?
Momentan wird Deutschland vor allem durch die Pipeline Nord Stream 1 mit russischem Erdgas versorgt. Dazu wird das Erdgas durch die Ostsee aus Russland direkt nach Deutschland geleitet. Der Rest kommt über das bayerische Waidhaus nach Deutschland. Lag der Anteil russischer Gaslieferungen in Deutschland im vergangenen Jahr bei 55 Prozent, liegt er laut Wirtschaftsministerium zurzeit bei 35 Prozent. Bis zum Jahresende soll er auf etwa 30 Prozent gesenkt werden – vor allem durch LNG. Bis Sommer 2024 hält die Bundesregierung einen weiteren Rückgang des Anteils auf 10 Prozent des Verbrauchs für möglich
Vonseiten der Bundesnetzagentur heißt es, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland derzeit gewährleistet sei.: „Die Einstellung von russischen Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien hat bislang keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland.“
In einem Bericht des Wirtschaftsministeriums an den Bundestag vom Mittwoch ist allerdings die Rede von einer „akuten Gefahr, dass die Situation weiter eskaliert und russische Gaslieferanten ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nur eingeschränkt erfüllen“. Dies wäre für die Gasversorgungslage in Deutschland kurz- bis mittelfristig kritisch. Hintergrund sei die Forderung Russlands, Zahlungen in Rubel abzuwickeln, dem sich die G7-Staaten widersetzen.
Bundesregierung befürchtet bei Stopp der Gaslieferungen aus Russland starke Rezession der Wirtschaft
Trotzdem will man in Berlin nicht auf russisches Gas verzichten, denn die Bundesregierung befürchtet weitreichende Folgen unter anderem für die Wirtschaft. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat mehrfach deutlich gemacht, dass aus Sicht Berlins in einem solchen Fall ganze Industriezweige in Deutschland bedroht seien. Das Wirtschaftsministerium rechnet bei einem Lieferstopp mit einer Rezession, also einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung.
Sollte Russland die Lieferungen einstellen, dann würde in Deutschland die höchste Stufe des Notfallplans Gas in Kraft gesetzt, die Notfallstufe. Die Netzagentur würde dann das knapp gewordene Gas verteilen. Bestimmte Verbrauchergruppen sind gesetzlich besonders geschützt und möglichst bis zuletzt mit Gas zu versorgen. Dazu gehören Haushalte und soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser, aber auch Gaskraftwerke, die gleichzeitig Wärme liefern oder für die Stromerzeugung nötig sind. Hier sieht der Koalitionspartner FDP aber noch Redebedarf, da man die Wirtschaft ebenfalls versorgen will.
Die erste Stufe des Notfallplans wurde Ende März in Kraft gesetzt. Seitdem behält ein Krisenteam aus Experten von Energieversorgern und Behördenvertretern die Versorgungslage im Blick, fast täglich. Gleichzeitig erhebt die Netzagentur Daten von Netzbetreibern und demnächst auch Großverbrauchern, um im Notfall Liefermengen verringern zu können. Deutschland bereitet sich also auf den Ernstfall vor.
Stopp russischer Gaslierferungen könnte sich in Deutschland auf den Gaspreis auswirken
Sollte es wirklich so kommen, könnte dies natürlich auch Auswirkungen auf den Gaspreis haben. „Weitere Preissteigerungen für die Haushalte sind vorprogrammiert, auch bei stagnierenden Preisen“, sagt der Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Udo Sieverding. Verbrauchern rät er, Kosten zu senken: „Energie sparen, was das Zeug hält.“ Und das trotz der geplanten Energiepauschale über 300 Euro für Arbeitnehmer. Kommen soll die Förderung für Arbeitnehmer mit dem Juni-Gehalt, wie Finanzminister Christian Lindner diese Woche bekannt gab.
Wer könne, solle den Sommer nutzen, um den Verbrauch im Winter zu reduzieren, etwa Heizungsrohre dämmen oder Fenster abdichten. Im Sommer seien Handwerker leichter zu bekommen als im Winter. Mietern empfahl er, schon mal Geld für die erwartbar große Nachzahlung beiseitezulegen. „Es kann auch sinnvoll sein, schon unterjährig die Abschläge zu erhöhen.“