Lehrermangel in Niedersachsen: Gewerkschaft fordert Sofortmaßnahmen
Weil es zu wenige Lehrer an Schulen in Niedersachsen gibt, fordert die Gewerkschaft GEW ein Umsteuern. Die Lage sei so dramatisch wie zuletzt vor 20 Jahren.
Hannover – Der Unterrichtsausfall an Niedersachsens Schulen ist derzeit so dramatisch, wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Das gab der niedersächsischer Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) am Mittwoch, 2. Februar 2022, während einer Pressekonferenz in Hannover bekannt. Das Verhältnis von Schülern und Lehrerstunden lag zum Stichtag am 16. September 2021 bei lediglich 97,4 Prozent des Solls, an Hauptschulen liegt dieser Wert mit 90,8 noch einmal deutlich niedriger als eigentlich zumutbar. „Ich bin natürlich nicht glücklich mit diesem Wert, er ist unbefriedigend“, räumte Tonne ein.
Lehrermangel in Niedersachsen: Land will Einstellungsverfahren für Quereinsteiger beschleunigen
Der Kultusminister führte den Lehrermangel in Niedersachsen auf Sondereffekte durch die Corona-Pandemie an Schulen*, die derzeit mit der Omikron-Variante um sich greift und für hohe Infektionszahlen in Niedersachsen sorgt, einen hohen Teilzeit- und Elternzeitanteil bei den Lehrern, gestiegene Schülerzahlen sowie die wachsende Bedeutung von Inklusion und Ganztagsbetreuung zurück. Viele Lehrkräfte stünden perspektivisch aber wieder in Vollzeit zur Verfügung, an den Schulen in Niedersachsen, wo gerade noch einmal die Corona-Regeln verschärft wurden. In Niedersachsens Kitas wurde das Testregime zum 15. Februar 2022 auch noch einmal verschärft.
Gleichzeitig ging die Zahl der Quereinsteiger zurück. Von 961 neu eingestellten Lehrern zum zweiten Halbjahr kamen nur 29 aus anderen Berufen – das entspricht einer Quote von drei Prozent (Vorjahr: sechs Prozent). Vor drei Jahren lag die Quote sogar noch bei neun Prozent. Das Land will diesem Rückgang entgegensteuern und das Einstellungsverfahren für Quereinsteiger beschleunigen. Außerdem sollen Lehrer zur Verbesserung der Unterrichtssituation verstärkt auf die Flächenprämie hingewiesen werden, die in benachteiligten Regionen und Schulformen gezahlt wird.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte den niedrigen Stand der Unterrichtsversorgung seit 2002 und forderte aufgrund 7000 fehlender Lehrkräfte in Niedersachsen notwendige Sofortmaßnahmen. Die kommissarischen GEW-Landesvorsitzenden Sabine Kiel und Holger Westphal forderten daher die sofortige Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Lehramt – und nicht erst in der kommenden Legislaturperiode. Ebenfalls seien die Einstellungszahlen dramatisch schlecht, betonten beide.
Lehrermangel in Niedersachsen: lediglich 80 Prozent der ausgeschriebenen Stellen für Lehrkräfte besetzt
„Die Unterrichtsversorgung geht in den Keller. Krankheitsfälle sind dabei noch gar nicht mitgerechnet. Von den mit Vertretungsreserve ungefähr notwendigen 107 Prozent liegt Niedersachsen meilenweit entfernt. Die Not in den Schulen wird immer größer, weil die Landesregierung weitgehend untätig geblieben ist“, sagte Holger Westphal zum Lehrermangel in Niedersachsen.
Erneut konnten lediglich 80 Prozent der ausgeschriebenen Stellen für Lehrkräfte besetzt werden. Aktuell waren es 960 von 1200, im September 2021 rund 1600 von 2000 Neueinstellungen. Doch selbst diese Zahlen seien beschönigend: „Hier werden offenkundig immer nur so viele Stellen ausgeschrieben, wie halbwegs besetzt werden können. Und nicht einmal das gelingt mittlerweile mehr. Mit solchen Nebelkerzen muss auch endlich Schluss sein“, kritisierte Westphal.

Wer in jeder Einstellungsrunde lediglich die Zahl der Neueinstellungen nenne und diese mit den Pensionierungen verrechne, verschleiere trickreich den eigentlichen Stellenbedarf, so Westphal. Und weiter: „Es bleibt unattraktiv, in Niedersachsen Lehrkraft zu werden. Dies ist das Hauptversäumnis der aktuellen Regierungskoalition.“ Besonders die Stellen an Haupt-, Real-, Ober- und Grundschulen schreckten die jungen Menschen ab, weil dort monatlich rund 400 Euro weniger verdient werde als an den anderen Schulformen.
Lehrermangel in Niedersachsen: Fachkräftemangel in der Bildung dramatische Formen
„Der Fachkräftemangel in der Bildung nimmt schon seit mehreren Jahren dramatische Formen an, ohne dass mit diesem Umstand ehrlich und zukunftsweisend umgegangen wird“, sagte die kommissarische Landesvorsitzende Sabine Kiel. „Die Arbeitszeitkommission des Kultusministeriums hatte schon 2018 ihren Bericht zu Personalmangel und Überstunden vorgelegt. Dabei wurde klar, dass an den Grund- und Gesamtschulen sowie den Gymnasien zusammen 3600 zusätzliche Lehrkräfte nötig sind. Auf alle Schulformen hochgerechnet fehlen damit mindestens 7000 Lehrerinnen und Lehrern.“
In diesem Zusammenhang mit dem Lehrermangel in Niedersachsen verwies Kultusminister Tonne auf die Belastung der Lehrkräfte. Gerade die Erwartung ständiger Erreichbarkeit würde für Lehrer zunehmend zum Problem, so Tonne. „Alle Beteiligten, egal in welcher Phase der Pandemie man ist, haben einen Anspruch auf Feierabend. Eine ständige Erreichbarkeit über Mail oder private Handynummern sind nicht vorgesehen.“
Lehrermangel in Niedersachsen: zu „starre Vorstellung“ von der Wunschschule oder dem Wunschstandort
Es könne von keiner Seite Anspruch auf Dauerfeedback geben, so Tonne. Der vermehrte Einsatz digitaler Medien führe dazu, dass immer mehr Lehrkräfte diese Dauererreichbarkeit als zunehmend belastend empfänden.
Mit Blick auf junge Lehrkräfte und den Unterrichtsausfall in Niedersachsen kritisierte der Minister, bei manchen bestehe eine „starre Vorstellung“ von der Wunschschule oder dem Wunschstandort. „Im Zweifelsfall werden Stellenangebote schlicht nicht angenommen, es wird ein halbes Jahr zugewartet, in der Hoffnung, dass man dann an der Wunschschule im nächsten Einstellungsverfahren zum Zuge kommt“, bemängelte Tonne. * kreiszeitung.de und merkur.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA.