Aktivisten klagen gegen lasches Klimaschutzgesetz: „Haben Angst um unsere Zukunft“

Ist deutscher Klimaschutz zu langsam? Das ist der Eindruck von jungen Klimaaktivisten, die gegen das Klimaschutzgesetz klagten. Sie fordern schnellere Maßnahmen.
Hannover – Die Welt ist im Wandel. Nicht nur die Corona-Pandemie bedroht die Menschen, sondern auch die Auswirkungen des Klimawandels werden zunehmend spürbar. Seien es Extremwetterereignisse wie vergangenes Jahr im Westen von Deutschland oder das Schmelzen der Polkappen. Deutschland hat sich hehren Zielen im Klimaschutz verpflichtet, setzt auf den konsequenten Ausstieg aus der Kohlekraft und Kernkraft – jüngst wurden drei Kernkraftwerke abgeschaltet, am Ende dieses Jahres die letzten drei sollen folgen. Für junge Klimaaktivisten geht das nicht schnell genug. Sie fordern schnelleres Handeln, konkretere Maßnahmen und längerfristige Ziele von der Landesregierung in Niedersachsen.
Bewegung: | Fridays for Future |
Gründerin: | Greta Thunberg |
Gründung: | 20. August 2018 |
Klimagesetz Niedersachsen: Fridays for Future und Umwelthilfe klagen dagegen
Gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe hatten fünf junge Klimaaktivisten von Fridays for Future Anfang Dezember gegen das Klimagesetz des Landes Niedersachsen geklagt. Nachdem bereits auf Bundesebene gegen das Klimaschutzgesetz Beschwerde erfolgreich eingereicht wurde, zogen die niedersächsischen Aktivisten nach.
Als Reaktion auf die Verfassungsbeschwerde gegen das Klimagesetz erklärte der niedersächsische Energie- und Klimaschutzminister Olaf Lies (SPD) am 10. Dezember, dass noch eine Novellierung in der laufenden Legislatur nötig wäre. „Wir werden in allen Bereichen einen noch konsequenteren Weg gehen“, versprach der Politiker in einem Statement, das sein Ministerium veröffentlichte. „Dann geht es um mehr Flächen für die Erneuerbaren, es geht um eine Photovoltaikplicht auf allen Neubauten, es geht um ein besseres ÖPNV-Angebot. Es geht um die Frage, was wir selbst auch als Land tun, also wie wir beispielsweise schneller unsere Fahrzeugflotten auf E-Mobilität umstellen.“
Klimaschutz in Niedersachsen: Lies will Land bis 2045 klimaneutral machen
Kern der neuen Bestrebungen soll es sein, dass das Land spätestens 2045 klimaneutral werde – ursprünglich war das Ziel für 2050 angepeilt. Lies betonte, dass es notwendig sei, auf dem Weg dorthin detailliertere Zwischenziele zu definieren, um den Erfolg der Maßnahmen überprüfbar zu machen. Für die Aktivisten und Kläger Jennifer Zauter (18) und Matteo Feind (16) sind die angekündigten Maßnahmen nicht weitreichend genug. Wie sie zu den Plänen der Landesregierung stehen, erklären sie im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur:
Sie kritisieren, dass die Maßnahmen, die im Klimaschutzgesetz festgehalten sind, nicht ausreichen. Was gefällt Ihnen daran nicht?
Feind: Es geht nicht darum, dass es uns nicht gefällt. Das Gesetz der Landesregierung widerspricht dem Grundgesetz und dem Pariser Klimaschutzabkommen und auch dem Bundes-Klimaschutzgesetz. Das momentane Gesetz der Landesregierung sieht vor, dass das Land erst 2050 klimaneutral wird, was viel zu spät ist, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Deswegen haben wir geklagt, weil wir die Lebensqualität der zukünftigen Generationen eingeschränkt sehen.
Zauter: Niedersachsen bezeichnet sich als kommendes Klimaschutzland Nummer eins, was einfach derzeit noch nicht gegeben ist. Obwohl Niedersachsen Möglichkeiten hat, guten Klimaschutz zu machen. Wir haben hier in Niedersachsen Heide, wir haben Moore, wir haben den Harz, wir haben die Nordsee. Da gibt es viele unterschiedliche Maßnahmen, die man ergreifen könnte, um diese Gebiete zu retten und diese Gebiete weiter auszubauen, was gleichzeitig dem Klimaschutz und dem Klima sehr gut tun würde.
Was genau sind Ihre Forderungen? Was haben Sie für konkrete Vorschläge, damit der Klimaschutz schneller vorangetrieben wird?
Zauter: Klar ist, dass mehr Moorschutz betrieben werden muss. Dass die Wälder wieder aufgefüllt werden müssen, dass darauf geachtet wird, dass der Borkenkäfer nicht alle Bäume kaputt macht. Das sind aber nur kleine Tropfen auf den heißen Stein. Wichtig ist gerade auch, die fossile Energie einzuschränken. Dass nicht weiter Erdgas gefördert wird oder Erdgas, wie es gerade passiert ist, als grüne Technologie gilt. Die Landesregierung plant gerade sogar noch neue Anlagen für klimaschädliches Flüssig-Erdgas, das häufig mit der besonders umweltbelastenden Fracking-Technik gewonnen wird. Das ist absolut nicht in unserem Sinne.
Feind: Dafür kann man natürlich auch auf erneuerbare Energien setzen. Man kann in Niedersachsen relativ gut viele Windräder bauen, was nur leider in den letzten Jahren sehr ins Holpern gekommen ist. Das kann nicht sein, denn wir müssen aus der Kohle raus. Es bringt nichts, wenn wir unseren Strom aus irgendwelchen Nachbarländern einkaufen, wo er dann mit Kohlestrom produziert wird. Und deswegen brauchen wir für Niedersachsen, gerade weil wir an der Nordsee sind, viel Windkraft.
Zauter: Ein weiterer Punkt ist, dass man die Menschen dazu bringen kann, klimafreundlicher zu handeln. Natürlich ist auch das wieder nur ein kleiner Effekt, aber wenn alle Menschen nachhaltig leben und nachhaltig handeln, dann ist die Industrie mehr oder weniger auch dazu gezwungen, nachhaltig zu produzieren. Daher gilt es, den Nahverkehr weiter auszubauen und günstiger zu machen.
2021 haben Klimaschützer am Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen das deutsche Klimaschutzgesetz geklagt. Jetzt muss der Gesetzgeber nachbessern. Was erhoffen Sie sich von Ihrer Klage?
Zauter: Wir erhoffen uns so ziemlich den gleichen Effekt. Klar ist: Niedersachsens jetziges Klimagesetz strebt eine Klimaneutralität bis 2050 an, das des Bundes bis 2045. Da ist ganz klar, dass nachgebessert werden muss. Aber ich glaube, ich kann auch sagen, dass wir uns noch mehr erhoffen. Gerade weil Niedersachsen so viele Möglichkeiten hat, guten Klimaschutz zu machen, deutlich mehr als andere Bundesländer. Und deswegen müssen wir auch Vorbild für andere Bundesländer sein. (Interview: Mia Bucher, dpa)
Luisa Neubauer: Kritik an EU-Plänen zu Atomkraft
Währenddessen hat sich die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer deutlich gegen die Pläne der EU-Kommission ausgesprochen, Atomkraft und Gas unter Auflagen als grün einzustufen, und die Bundesregierung um Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, die Pläne abzulehnen. Atomkraft und Gas als nachhaltig zu klassifizieren, sei „ein lächerlicher Versuch, fossile Energien als Teil der Lösung darzustellen und weiterhin die Klimakatastrophe voranzutreiben“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
„Jeder Euro, der heute in Erdgasinfrastruktur fließt, ist einer, der für den dringend notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien fehlt“, erklärte sie weiter und bezeichnete die Klimawirkung von Gas als desaströs. Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP müsse das anerkennen und „jetzt zeigen, dass Klimaschutz mehr als nur eine Floskel im Koalitionsvertrag ist“. (Mit Material der dpa) *kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.