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Klima-Kleber in Not: Plötzlich hängt ein Stück Straße an der Hand

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Von: Thomas Kopietz, Stefan Rampfel

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Ein Aktivist klebt sich in Göttingen auf den Asphalt. Das gelingt ihm so gut, dass die Einsatzkräfte ihn nicht lösen können – und mit schwerem Gerät anrücken.

Göttingen - Ein Klimaaktivist klebt sich am Freitag, 3. März, auf einer Kreuzung in Göttingen an der Fahrbahn fest - die Hand kann nicht gelöst werden. Die „Lösung“ kommt mit der Feuerwehr. Einsatzkräfte stemmen eine Teerschicht ab.

Am Freitagnachmittag haben sich im Nachgang der „Fridays For Future“-Demo mehrere Klimaaktivisten an der sonst viel befahrenen Kreuzung Geismartor auf die Straße geklebt. Doch dieses Mal dauert die Aktion unerwarteterweise länger als sonst üblich.

Klimaaktivist benutzt in Göttingen zwei Sekundenkleber

Einer der Klimaaktivisten ist Lukas Krönke aus Göttingen. Er ist nicht zum ersten Mal bei einer Klebeaktion dabei. Doch während die Hände der anderen Teilnehmer von der Feuerwehr mit Pflanzenöl innerhalb weniger Minuten vom Asphalt gelöst werden können, funktioniert das Loslösen auf die herkömmliches Weise bei Lukas Krönke nicht.

Losstemmen: Die Hand des Klimaaktivisten Lukas Krönke aus Göttingen lässt sich am Freitag, 3. März, nicht von der Fahrbahn lösen. Einsatzkräfte der Feuerwehr stemmen ein Stück aus der Fahrbahn.
Losstemmen: Die Hand des Klimaaktivisten Lukas Krönke aus Göttingen lässt sich am Freitag, 3. März, nicht von der Fahrbahn lösen. Einsatzkräfte der Feuerwehr stemmen ein Stück aus der Fahrbahn. © Stefan Rampfel

Denn der hat seine linke Hand mit einem Gemisch aus zwei Sekundenklebern so fest auf den Zebrastreifen geklebt, dass sich diese nicht mit dem Öl der Feuerwehr lösen lässt, obwohl die Einsatzkräfte geduldig und vorsichtig vorgehen.

Feuerwehrleute versuchen vergeblich mit Öl die Hand zu lösen

„Wir haben 45 Minuten lang versucht, die Hand mit dem Öl schmerzfrei vom Asphalt zu lösen“, sagt Wolfgang Schmalstieg, Wachabteilungsleiter der Göttinger Berufsfeuerwehr. „Da dies nicht geklappt hat, mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen.“ Und das ist außergewöhnlich: Also entschließt sich die Feuerwehr, nicht die Hand vom Asphalt zu lösen, sondern die Fahrbahn-Deckschicht mit der Hand von der Tragschicht zu trennen.

Kurzerhand werden zwei Mitarbeiter des Baubetriebshofes der Stadt Göttingen hinzugerufen. Sie rücken mit grobem Gerät an: Stemmer und Motorflex. Zunächst wird der Asphalt quadratisch um die Hand herum eingeschnitten.

Die Einsatzkräfte der Feuerwehr arbeiten sich dann mit Hammer und Meißel weiter geduldig und behutsam vor, um den Mann nicht zu verletzen. Gehörschutz, Helm, Schutzbrille und eine Decke schützen den jungen Mann vor herumfliegenden Gesteinsbrocken und der Kälte.

Nach zwei Stunden ist es geschafft - Klimaaktivist in Göttingen mit seltenem Handschmuck

Nach zwei Stunden ist es geschafft: Klimaaktivist Krönke ist von der Fahrbahn befreit. Allerdings trägt er zunächst als Handschmuck ein Stück Straße mit sich herum.

Wasserkühlung: Die Aktion am Geismartor in Göttingen dauert zwei Stunden. Die Helfer der Feuerwehr gehen behutsam vor, um den Klimaaktivisten Lukas Krönke nicht zu verletzen.
Wasserkühlung: Die Aktion nach einer Demo am Geismartor in Göttingen dauert zwei Stunden. Die Helfer der Feuerwehr gehen behutsam vor, um den Klimaaktivisten Lukas Krönke nicht zu verletzen. © Stefan Rampfel

„Es ist jedes Mal anstrengend, es macht überhaupt keinen Spaß, und ich mache das nicht gerne“, sagt Krönke über seine Blockade-Aktionen. „Aber ich sehe keinen anderen Weg, um auf das Thema Klimaschutz und die Untätigkeit unserer Regierung diesbezüglich aufmerksam zu machen.“

Göttinger Klimaaktivist hat für seine Aktionen das Bio-Studium abgebrochen

So fordert die „Letzte Generation“ die Gründung eines Gesellschaftsrates, ein Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen und eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Für seine Aktionen hat er sein Biologiestudium vor Kurzem abgebrochen.

Der befreite Aktivist Krönke jedenfalls lobt die Arbeit der Feuerwehr ausdrücklich: „Ich habe nette Gespräche über das Klima mit den Feuerwehrleuten geführt“, sagt er. Einsatzleiter Schmalstieg stimmt zu: „Alle Aktivisten waren sehr freundlich und höflich. Die Stimmung war gelöst.“ Gelöst – das trifft auf Lukas Krönke im Besonderen zu.

Klimaaktivist lobt Göttinger Einsatzkräfte - Hand blieb fast unversehrt

Mit dem Asphaltblock an der Handfläche wird er dann im Rettungswagen untersucht. Die Fahrt in ein Krankenhaus lehnte er jedoch ab. Folglich geht er mit dem Stück Asphalt an der Hand nach Hause. Dort befreit er seine Hand selbstständig mit viel heißem Wasser und Öl. „Das Lösen hat lange gedauert und tat auch ein wenig weh, aber meine Hand ist größtenteils unversehrt“, berichtet Krönke erleichtert.

Für Feuerwehr-Einsatzleiter Wolfgang Schmalstieg ist es am Freitagabend der erste Einsatz dieser Art. „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“

Bauhof-Mitarbeiter reparieren die Straße in Göttingen

Lukas Krönke hingegen hat sich schon in mehreren Städten auf die Straßen geklebt, konnte bislang aber immer schnell befreit werden. Nachgeben will er nach seinem „Teerhand-Erlebnis“ aber nicht: „Ich werde auch weiterhin die Straßen durch solche Aktionen blockieren“, sagt er. Über die Kosten und deren Übernahme ist noch nichts bekannt.

Abgang: Am Ende stopfen Mitarbeiter des Bauhofs der Stadt mit kaltem Asphalt das Loch. Zurück bleibt ein Stück Straße an der Hand. Damit geht Klimaaktivist Lukas Krönke nach Hause.
Abgang: Am Ende stopfen Mitarbeiter des Bauhofs der Stadt mit kaltem Asphalt das Loch. Zurück bleibt ein Stück Straße an der Hand. Damit geht Klimaaktivist Lukas Krönke nach Hause und befreit sich dort von seinem Schmuckstück. © Stefan Rampfel

Die beschädigte Straße wird übrigens kurzerhand und ruckzuck von den Bauhof-Mitarbeitern per Schaufel mit Kaltasphalt aus einem Eimer repariert. Und der Verkehr kann wieder rollen, auch über das gestopfte Loch.

Die im Feierabendverkehr wartenden Autofahrer sind an diesem Freitag in Göttingen, wo auch die Kreuzung am Groner Tor teilweise blockiert wird, nicht amüsiert – auch über die Teer-Hand-Geschichte von Lukas Krönke werden sie nicht lachen können. (Stefan Rampfel/Thomas Kopietz)

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