Klima, Bildung und Pflege: Das will Hannovers SPD-Chef Adis Ahmetovic in Berlin verändern

Hannovers SPD-Chef Adis Ahmetovic will in den Bundestag. Dort möchte sich der Politiker für Bildung und Klimaschutz stark machen. Und er weiß auch schon, wie.
Hannover – Die Bundestagswahl rückt nach und nach in greifbare Nähe. Damit steigt auch die Aufregung der Politiker, die sich in diesem Jahr um einen der Sitze im Bundestag beworben haben. Am 26. September liegt es in der Hand der Wähler, wer von den Bundestagskandidaten den Schritt nach Berlin schafft. Einer, der große Pläne für die Bundespolitik hat, ist Adis Ahmetovic. Der 28-Jährige ist SPD-Vorsitzender in Hannover und möchte sich im Bundestag für mehr Chancengleichheit einsetzen. Wie das genau aussehen soll, erzählt er im Interview mit www.kreiszeitung.de.
Name: | Adis Ahmetovic |
Partei: | SPD |
Position: | Bundestagskandidat und Partei-Vorsitzender in Hannover |
Geburtstag: | 27. Juli 1993 (28 Jahre) |
Herr Ahmetovic, Klimaschutz ist in diesem Jahr das Wahlkampfthema Nummer eins. Sie setzen sich in Hannover bereits seit mehreren Jahren für mehr Chancengleichheit ein. Wie kann sozial gerechter Klimaschutz gelingen?
Ich will mich für ein klimaneutrales Deutschland einsetzen – ohne dabei Existenzen zu gefährden. Durch innovative Technologien und emissionsarme Produktionsstandorte schaffen wir nachhaltige Lösungen für die Energie- und Mobilitätswende und zugleich Arbeitsplätze. Wir geben dafür nicht nur eine Zahl vor, sondern zeigen auch den Weg dahin auf. Die Wahrheit ist nun einmal, dass Deutschland ein Industriestaat ist. Wir haben hier eine große Automobil-, Zement- und Chemiebranche mit vielen Arbeitsplätzen. Den CO2-Bedarf dieser Unternehmen können wir nicht von heute auf morgen mit Erneuerbaren Energien abdecken. Wir setzen stattdessen auf einen Umwandlungsfonds, der Unternehmen bei der nachhaltigen Umrüstung helfen soll. Denn wenn wir in Deutschland nur noch Dienstleistungen anbieten würden, dann hätten wir ein soziales Dilemma mit einer immensen Arbeitslosigkeit.
Sie sind mit 28 Jahren noch recht jung für einen Bundestagskandidaten. Wie schätzen Sie Ihre und jüngere Generationen generell ein – vor allem in Hinblick auf politische Teilhabe, Klimaschutz und Gleichberechtigung?
Die junge Generation ist hoch politisiert. Das freut mich auf der einen Seite sehr. Auf der anderen Seite finde ich es aber schade, dass sich dieses Interesse am Weltgeschehen nicht wirklich in den Parteien widerspiegelt. Aktuell sind nur zehn Bundestagsabgeordnete unter 30 Jahre alt – damit sind junge Menschen im Bundestag kaum repräsentiert. Das liegt vor allem daran, dass leider viele Menschen noch Lebensalter mit Lebenserfahrung in Verbindung bringen und jungen Politikern sagen, sie sollen erstmal ein paar Jahre arbeiten. Das halte ich persönlich für einen Fehler.
Und dennoch gibt es viele junge Menschen, die sich nicht oder nur sehr oberflächlich für Politik interessieren. Wie können wir wieder mehr Menschen zu politischem Engagement bewegen?
Vor allem sollten wir anfangen, jungen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und voneinander zu profitieren. Dies ist nicht immer der Fall, dabei verstehen auch junge Erwachsene schon viel vom Leben. Deshalb sollten wir ihnen noch mehr zuhören und ihnen Raum geben, sich einzubringen. Junge Menschen brauchen die Möglichkeit, auch mal Fehler zu machen und sich mit ihren Ansichten am öffentlichen Diskurs zu beteiligen. Dafür braucht es neue Räume und mehr Lockerheit in der Politik.
SPD-Politiker Adis Ahmetovic probiert sich als Bäcker, Kassierer und Pfleger aus
Wie locker Politik sein kann, zeigen Sie mit Ihrem Projekt „Adis-in-Aktion“. Dabei schlüpfen Sie für einen Tag in die unterschiedlichsten Berufe. Sie waren schon Pfleger, Bäcker und Kassierer. Was haben Sie aus dem Projekt mitgenommen?
Ich bin unendlich froh, dass mein Team dieses besondere Projekt umsetzen konnte. Erst, wenn man in die Fußstapfen eines anderen Menschen tritt, merkt man, welche Probleme und Hürden er oder sie meistert. Neben den beruflichen habe ich so auch Einblicke in die persönlichen Herausforderungen der Mitarbeitenden in den jeweiligen Berufen erhalten. Ich habe zum Beispiel gleich in mehrere Pflegeberufe reingeschnuppert – und darauf basierend Pflege als eines meiner Kernthemen auf die Agenda gesetzt. Denn ich habe hautnah erlebt, dass wir vor einer verheerenden Pflegekrise stehen, die wir dringend mit fairen Löhnen und Arbeitsbedingungen angehen müssen. Auch deshalb mache ich die Hospitanzen nach der Bundestagswahl weiter. Mein Ziel ist, dem künftigen Bundesarbeitsminister meine gesammelten Erfahrungsberichte mit konkreten Maßnahmen gebündelt auf den Tisch zu legen.
Und welche Berufe stehen als nächstes auf dem Projektplan?
Es gibt einen Beruf, gegen den sträube ich mich bisher so ein bisschen: Bestatter. Das habe ich schon mehrfach gesagt, weil ich das Thema Tod gerne verdränge und mich ehrlich gesagt lieber mit dem Leben beschäftige. Mal sehen, ob ich das nach der Bundestagswahl langsam mal angehe, indem ich vielleicht zuerst Mal nur mit einem Bestatter über seinen Beruf spreche. Ich habe auf jeden Fall großen Respekt vor dem Thema. Ansonsten steht aber das Thema Kanalarbeiter auf dem Plan. Rund 800 Menschen sorgen in Hannover dafür, dass in der legalen Unterwelt alles läuft – und sie werden leider oft vergessen. Ich möchte mir anschauen, was sie eigentlich tagtäglich für uns leisten.
Transparenz ist Ihnen aber nicht nur bei dem Projekt wichtig, sondern zieht sich auch sonst durch Ihre politische Arbeit. Sie bezeichnen sich selbst gerne als „gläserner Politiker“ – warum?
Ich habe schon mehrmals die Erfahrung gemacht, dass Intransparenz in der Politik immer wieder ein großes Thema auf der Straße ist. Das letzte große Ding diesbezüglich war die sogenannte Masken-Affäre der CDU und CSU. Darunter hat die Glaubwürdigkeit der Politik immens gelitten. Und das ist nun einmal unsere wichtigste Währung. Genau deshalb möchte ich auch alles offenlegen. Denn ich bin im Auftrag der Wähler unterwegs und finde, sie haben deshalb auch das Recht auf Transparenz.
Hannovers SPD-Chef Adis Ahmetovic will einfachen Zugang zu Bafög und Ausbildungsgarantie
Abgesehen von der Transparenz – welche Werte prägen Ihr politisches Handeln?
Soziale Gerechtigkeit ist das Kernthema meines politischen Handelns. Ich möchte, dass jeder unabhängig von Herkunft und sozialer Ausgangslage die gleichen Chancen auf Bildung hat – und zwar von der Kita bis zur Universität. Zu meinen persönlichen Werten zählen außerdem Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Hilfsbereitschaft.
Apropos Bildung: Warum studieren eigentlich aktuell noch vergleichsweise wenige Kinder von Arbeiterfamilien?
Der Zugang zum Bafög muss vereinfacht werden! Viele Jugendliche, gerade aus einkommensschwächeren Familien, stehen vor der Frage, ob sie es sich leisten können, fünf bis sechs Jahre kein richtiges Einkommen zu haben. Und wer dann kein finanzielles Backup von den Eltern hat, der überlegt sich das Ganze zweimal. Wir dürfen zudem nicht vergessen, dass viele Jugendliche auch lieber eine Ausbildung machen, damit sie ihre Eltern finanziell unterstützen können.
Was sollte die Politik tun, um genau diesen Jugendlichen mehr Möglichkeiten zu bieten?
Wir müssen den Jugendlichen die Ängste und Sorgen nehmen und das soziale Netz um sie herum enger spannen. Das heißt, dass wir den Zugang zum Bafög erleichtern, eine Ausbildungsgarantie sowie eine Übernahmegarantie für Auszubildende sowie Förderungen für schulische Ausbildungen anstreben.
Und was wollen Sie konkret verändern, wenn Sie in den Bundestag gewählt werden?
Das 365-Euro-Jahresticket für den öffentlichen Nahverkehr, um die Mobilitätswende etwas anzukurbeln, möchte ich als erstes angehen. Außerdem möchte ich eine vollumfassende Pflegereform anschieben und mich für eine Neuausrichtung in der Außenpolitik einsetzen.
SPD-Politiker Adis Ahmetovic über Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil: „Ist ein echter Vollprofi“
Sie selbst sind bereits als Jugendlicher mit gerade einmal 15 Jahren in die SPD eingetreten. Wie kam es damals dazu?
Im Jahr 2008 hatte Niedersachsen noch eine schwarz-gelbe Landesregierung, die fatale Fehlentscheidungen getroffen hat – vor allem in der Bildungspolitik. Es wurden z. B. an den Studiengebühren festgehalten und am Turbo-Abitur. Gegen diese Politik bin ich dann damals auf Bildungsdemonstrationen gegangen. Irgendwann wollte ich diesbezüglich mehr machen und habe angefangen, mich politisch zu engagieren.
Und warum ist es am Ende die SPD geworden?
Die SPD trägt mein Herzensthema Bildung quasi in der DNA. Als Stephan Weil Ministerpräsident von Niedersachsen wurde, haben wir z. B. direkt die Studiengebühren abgeschafft – das ist tatkräftige Politik, wie ich sie machen möchte.
Sie waren auch schon Mal als Referent für Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil tätig. Was konnten Sie von ihm lernen?
Stephan Weil ist ein echter Vollprofi. Seine große Stärke ist, dass er trotz jahrelanger Erfahrung immer noch bodenständig und nah bei den Bürgern geblieben ist. Er weiß immer, wo er herkommt und ist perfekt über die Sachlage informiert. Und ich habe von ihm gelernt, nichts zu versprechen, was ich nicht halten kann – und einzuhalten, was ich sage.
Am Sonntag, 26. September 2021 berichtet kreiszeitung.de mit einem Live-Ticker laufend aktuell von allen Ergebnissen der Bundestagswahl 2021, außerdem gibt es detaillierte Ergebnisse und gewählte Direktkandidaten aus Niedersachsen, Bremen und Hamburg. Spannend wird es auch bei der Stichwahl zur Kommunalwahl in Niedersachsen. *kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.