Brandbrief: Kinderkriegen darf kein Problem sein

Katastrophale Zustände - so beschreibt Celsy Dehnert die aktuelle Situation in der Geburtshilfe. Ja, in Deutschland. Sie selbst hat vor sieben Monaten ihr erstes Kind bekommen. Beim Gedanken an eine weitere Schwangerschaft wusste sie: Es muss sich etwas ändern.
Mit einem Brandbrief richtet sich die aus dem Landkreis Nienburg stammende Bloggerin unter anderem an Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Bundesminister für Gesundheit, Hermann Gröhe. Sie fordert die Politiker dazu auf, zu handeln. Denn „eine sichere, spontane Geburt ist in deutschen Kreißsälen aktuell nicht mehr möglich“, heißt es in dem Schreiben, das sie auch in ihrem Magazin „The Happy Spot“ veröffentlicht hat.

Dehnert hat selbst erlebt, wie stressig es auf einer Geburtsstation zugeht. Als ihr Sohn in ihrem Wohnort Hamburg geboren wurde, betreuten lediglich zwei Hebammen acht Schwangere. Ihr Kind kam im September 2016 per Kaiserschnitt zur Welt.
Nun plant die 26-Jährige weiteren Nachwuchs. In einem Gespräch darüber sagte sie kürzlich zu ihrem Mann, dass sie aufgrund des aktuellen Hebammennotstands lieber einen zweiten Kaiserschnitt wagen würde. „Da wurde mir klar, wie irrwitzig das ist. Weil die Bundesregierung sich weigert, einzugreifen, riskieren gesunde, junge Mütter eine OP“, sagt sie. Das war ihr Impuls, etwas verändern zu wollen.
Gute Betreuung sollte kein Luxus sein
Also schrieb sie einen Brief, der neben der Regierung auch an Krankenkassen ging. Außerdem stellte sie ihren Text online, damit möglichst viele Menschen erreicht werden. Die Bundesregierung müsse handeln, sagt Dehnert: „Ich erhoffe mir, dass die 1:1-Betreuung durch eine Hebamme für Schwangere nicht mehr nur Luxus, sondern gesetzlich verankerte Selbstverständlichkeit wird.“

Celsy Dehnert ist nicht die erste, die sich diesem Thema annimmt. Bereits im vergangenen November hat der niedersächsische Hebammenverband Alarm geschlagen. In dem Bundesland haben aktuell 75 von 182 Krankenhäusern eine Geburtshilfeabteilung. Im Jahr 2012 waren es nach Angaben des niedersächsischen Gesundheitsministeriums 86 von 192 Kliniken. Den verbliebenen Kliniken fehlen oft Hebammen und Gynäkologen.
In einigen ländlichen Regionen gibt es gar kein Krankenhaus mit Geburtshilfe mehr - so wie im fast 2000 Quadratkilometer großen Landkreis Diepholz. Im Jahr 2011 wurde in Bassum der letzte Kreißsaal des Kreises geschlossen. In Diepholz ist die Geburtsstation schon seit etwa neun Jahren dicht. Nur durch Zufall wurde dort 2015 ein Kind entbunden - eine Frau hatte ihre Schwangerschaft nicht bemerkt. Richtig vorbereitet auf eine Geburt waren die Ärzte und Pfleger allerdings nicht.
Schwangere aus Diepholz fahren nach Walsrode, Nienburg, Oldenburg oder Bremen. Und diese Standorte haben gut zu tun. Etwa in den Mittelweser Kliniken in Nienburg steigt die Geburtsrate. Wäre Celsy Dehnert in ihrer Heimat geblieben, hätte wohl auch sie dort ihren Sohn zur Welt gebracht.
Keine Hebamme für Schwangerschaftsvorsorge
Doch sie erlebte ihre Schwangerschaft in Hamburg. Und dort hatte sie nicht nur im Krankenhaus das Gefühl, dass die Hebammen überfordert waren. Rund 20 Geburtshelferinnen hat sie angerufen, bis sie eine fand, die sie im Wochenbett betreuen konnte. Für die Vorsorge ist ihr das nicht gelungen. So geht es auch Frauen im ländlichen Niedersachsen. „Ich muss mindestens die Hälfte der Anfragen von Schwangeren ablehnen“, sagt etwa Hebamme Jutta Meyer-Kytzia. Die Anzahl der freiberuflichen Hebammen ist in den vergangenen Jahren kaum gestiegen - als ein Grund dafür werden häufig die massiv gestiegenen Kosten für Haftpflichtversicherungen genannt.
Damit das nicht so weitergeht, setzt sich Dehnert für eine sichere Geburt ein. In sozialen Netzwerken kommt ihr Engagement gut an. „Es wird Zeit, dass etwas geschieht!“, schreibt Kristin Ay vom Blog ay-love.de und teilt den Brandbrief, wie viele weitere Unterstützer mit dem gemeinsamen Ziel, etwas zu ändern.
jom
mit Material der dpa