Fachkräftemangel verschärft sich
Hannover - Von Ralf E. Krüger. Auf der Suche nach Lösungen im Kampf gegen den Fachkräftemangel gehen Handwerkskammern in Niedersachsen neue Wege. Experten warnen, dass der Mangel an guten Mitarbeitern zur Wachstumsbremse werden kann. Doch womit können Beschäftigte in ein Unternehmen gelockt werden?
Der Fachkräftemangel in Niedersachsen nimmt an Tempo zu. „Viele Unternehmen, die Fachkräfte suchen, sehen sich einem wachsenden Wettbewerb gegenüber", sagte die Niedersachsen-Chefin der Arbeitsagentur, Bärbel Höltzen-Schoh, der Deutschen Presse-Agentur. Die Arbeitsmarktexpertin warnte, dass der Mangel das Wirtschaftswachstum auszubremsen drohe. Höltzen-Schoh: „In einzelnen Branchen können Fachkräfteengpässe sogar zum Wachstumsbremser werden, wenn es nicht gelingt, gegenzusteuern."
Welche Branchen und Berufe sind besonders betroffen?
Einen flächendeckenden Fachkräftemangel gibt es in Deutschland nicht. Allerdings gibt es in Niedersachsen Engpässe in einzelnen Berufen, etwa im Tiefbau, bei Elektrotechnikern oder auch bei Klempnern. Bei Altenpflegern oder Ärzten, aber auch Mechatronikern und Heizungsbauern gibt es ebenfalls nicht genug Bewerber. Ein Indiz für Fachkräfteengpässe sind berufsspezifische Arbeitslosenquoten: Die Arbeitslosenquote für Mechatroniker lag zuletzt bei 1,7 Prozent, in der Altenpflege bei 0,6 Prozent und bei den Lokführern bei 0,7 Prozent. Zum Vergleich: Die allgemeine Arbeitslosenquote im Januar 2018 lag bei 5,9 Prozent.
Wie lange dauert es im Schnitt bis zur Besetzung einer freien Stelle?
Im Vorjahr dauerte es nach Angaben der Arbeitsagentur im Schnitt 102 Tage, bis in Niedersachsen eine freie Stelle erfolgreich besetzt wurde - das waren drei Tage mehr als 2016. Besonders lange dauerte es mit 145 Tagen bei den nicht-medizinischen Gesundheitsberufen wie etwa Zahntechnikern, gefolgt von Mechatronikern, Energie- und Elektroberufen (140 Tage) oder Sicherheitsberufen (128 Tage).
Welche Regionen in Niedersachsen sind besonders betroffen?
Die niedrigsten Arbeitslosenquoten finden sich in Niedersachsen in den westlichen Landkreisen sowie im Speckgürtel der Ballungszentren Hannover, Bremen und Hamburg. Im Kreis Emsland etwa war im Januar mit einer Arbeitslosenquote von 3,0 Prozent ein Wert erreicht, der Vollbeschäftigung nahekommt. Der Kreis Osnabrück liegt mit 3,4 Prozent kaum darunter. Auch in Harburg ist mit einer Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent für viele Unternehmen das Arbeitskräfteangebot kaum mehr ausreichend. Die Arbeitsagentur geht davon aus, dass es für Betriebe in Kreisen mit einer sehr guten Beschäftigungslage deutlich schwieriger ist, den Bedarf an Fachkräften zu decken als in anderen Regionen.
Ist der Fachkräftemangel eine Chance für ältere Arbeitslose?
Ja. Die Erwerbstätigenquote der 55- bis 65-Jährigen ist in den vergangenen zehn Jahren stärker gestiegen als die der erwerbsfähigen Bevölkerung insgesamt - im europäischen Vergleich ist sie damit überdurchschnittlich hoch. Die Regional-Chefin der Arbeitsagentur, Höltzen-Schoh, ist sich sicher: „Der hohe Fachkräftebedarf in einzelnen Berufsfeldern bietet auch für ältere Arbeitnehmer zunehmend gute Beschäftigungschancen und hat bereits seit einigen Jahren dazu geführt, dass Ältere ab 55 Jahren immer häufiger beschäftigt sind."
Wie können Schulabgänger von der Fachkräftenachfrage profitieren?
In den vergangenen Jahren haben sich viele Schulabgänger für ein Studium statt eine betriebliche Ausbildung entschieden. Dabei ist die Fachkraftausbildung weiter attraktiv und bietet gute Verdienstmöglichkeiten. „Jugendliche sollten sich deshalb vor der Berufswahl gut umhören, auch mal links und rechts neben dem Traumberuf schauen, welche Möglichkeiten sie haben", rät die niedersächsische Agentur-Chefin Höltzen-Schoh.
Was können Arbeitgeber tun?
Patentrezept, um für Fachkräfte attraktiv zu sein, gibt es nicht. Das Einstiegsgehalt ist nicht immer ausschlaggebend. „Es gehört immer ein Mix von verschiedenen Bausteinen dazu, von dem Engagement als Ausbildungsbetrieb über das Entgelt bis hin zu Arbeitszeitmodellen", weiß Höltzen-Schoh. Sie betont: „Viele angehende Fachkräfte gibt es auch schon im Betrieb - ihnen fehlt nur eine Weiterbildung."