Mit einer unbemannten Förderplattform, die rund 500 Meter von deutschen Hoheitsgewässern entfernt errichtet werden soll, wollen die Niederländer das Erdgas aus der Nordsee fördern. Von der rund 40 Meter hohen Plattform sollen bis zu zwölf Bohrungen schräg in das Gasfeld laufen.
Um das Gas an Land zu transportieren, soll eine Leitung verlegt werden, die an eine bestehende Pipeline in der Nordsee angeschlossen wird. Strom soll die Plattform von dem benachbarten deutschen Offshore-Windpark Riffgat bekommen. Dafür müssen Kabel verlegt werden.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) sagte kürzlich, Deutschland verbrauche jährlich 80 bis 100 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Rund 50 Milliarden davon kämen aus Russland. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr nach Zahlen des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie rund 5,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas produziert.
Mehr als 95 Prozent davon wurden im Land Niedersachsen produziert. Selbst wenn Deutschland jährlich die vollen zwei Milliarden Kubikmeter Erdgas bekäme, wäre dies für den bundesweiten Verbrauch also relativ gering.
Im vergangenen Sommer hatte sich die rot-schwarze Landesregierung zusammen mit den Stimmen der Grünen in einem Landtagsbeschluss noch klar gegen das Vorhaben positioniert. Dazu passt, dass das Land zurzeit auch an einer Novelle des Nationalparkgesetzes arbeitet, die ein Verbot von Erdöl- und Erdgasförderung vorsieht.
Ab wann vor Borkum Erdgas gefördert werden kann, lässt sich heute nicht mit Sicherheit sagen. Ende April wird zunächst die endgültige Genehmigung des niederländischen Wirtschaftsministeriums erwartet. Für die Förderung der deutschen Reserven braucht es aber die Zustimmung Niedersachsens. Zurzeit führt die Landesregierung dazu Abstimmungsgespräche mit One-Dyas. Wenn das Unternehmen die Förderrechte bekommt, muss das Landesbergbauamt noch ein Planfeststellungsverfahren einleiten.
Sofern das Vorhaben dann genehmigt und nicht beklagt wird, könnte der Förderbetrieb nach vorsichtigen Schätzungen des Ministeriums 2024/2025 beginnen. Eine kurzfristige Lösung auf dem angespannten Energiemarkt ist dieses Vorhaben somit eher nicht.
Wie das geförderte Erdgas zwischen Deutschland und den Niederlanden aufgeteilt werden soll, lässt sich laut Ministerium und Unternehmen noch nicht einschätzen. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Berend Lindner (CDU), machte kürzlich aber bei der Insel-Konferenz in Aurich den deutschen Anspruch deutlich.
„Uns wäre es wichtig, für den Fall einer Bewilligung sicherzustellen, dass ein erheblicher Beitrag aus dieser Gasreserve dann auch nach Deutschland, auf den deutschen Markt fließen kann“, so Lindner.
Einige Punkte sorgen indes für Kritik am Erdgasvorhaben in der Nordsee – und die kommt von Umweltverbänden, den Grünen im Landtag und den angrenzenden Nordseeinseln. Ende Januar hatten acht niederländische und deutsche Wattenmeerinseln, darunter auch Borkum, gemeinsam gefordert, keine neuen Erdgasförderungen nahe dem Wattenmeer mehr zu erlauben. Ihrer Ansicht nach gefährden sie das Ökosystem und damit die Lebensgrundlage der Inseln.
Auf Borkum ist zudem die Sorge vor Seebeben und Absackungen in Folge der Erdgasförderung groß. „Die Insulaner fürchten, dass ihre Insel verschwindet“, sagt die Borkumer Grünen-Landtagsabgeordnete Meta Janssen-Kucz. Je tiefer die Insel ins Meer sacke, desto weniger Widerstand biete sie bei Sturmfluten auch der Küste. Die Grünen kritisieren zudem, dass die Erdgasförderung gegen das landeseigene Klimagesetz verstoße. Dies sieht Klimaneutralität bis 2045 vor.
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Niedersachsen (BUND) sieht mit dem Vorhaben den Meeresschutz in Gefahr. Zum einen durch störenden Bau- und Schiffslärm für Meeressäuger, zum anderen aber auch durch Verunreinigungen, die durch Bohrungen entstehen könnten. „Das Wattenmeer ist ein zusammenhängendes System, egal ob da eine Grenze von Menschenhand gezogen wurde. Was 100 Meter neben dieser Grenze eingebracht wird, ist durch Winddrift schnell 300 Meter im Nationalpark“, warnt der Vize-Landesvorsitzende des BUND, Axel Ebeler. (Mit Material der dpa) * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.