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„Echte Notfallsituation“: Rufe nach bundesweiter 2G-Regelung werden lauter

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Von: Johannes Nuß

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Die Coronainfektionen explodieren in ungeahnte Höhen, da werden die Rufe nach einer bundesweiten 2G-Regelung lauter. Doch das kommt nicht überall gut an.

Hannover/Berlin – Das Coronavirus grassiert immer schlimmer in Deutschland. Am Mittwochmorgen, 10. November 2021, meldete das Robert-Koch-Institut den dritten Tag in Folge einen Rekord bei Neuinfektionen und der Sieben-Tage-Inzidenz. Diese liegt bundesweit aktuell bei 232,1, es wurden fast 40.000 Neuinfektionen gemeldet. Auch in Niedersachsen stieg die 7-Tage-Inzidenz am Mittwoch wieder an und liegt aktuell bei 106,2, es wurden 1883 Neuinfektionen und 14 Todesfälle gemeldet.

Die Hospitalisierungsrate in Niedersachsen liegt aktuell bei 4,1 (Vortag: 4,0). Aus diesem Grund hat der Landtag in seiner Sitzung am Dienstag auch Einschränkungen für Ungeimpfte beschlossen. So wird ab Mittwoch, 10. November 2021, niedersachsenweit die 2G-Regel eingeführt.

Bundesland:Niedersachsen
Fläche:47.709,82 Quadratkilometer
Einwohner:8.003.421 (Stand: 31. Dezember 2020)
Regierungschef:Stephan Weil (SPD)

Auch auf Bundesebene zeichnet sich ab, dass es für Ungeimpfte in Deutschland künftig ungemütlicher werden könnte. Zwar wird es auch weiterhin wahrscheinlich keine Impfpflicht geben, aber die Teilhabe für Ungeimpfte am öffentlichen Leben könnte schon sehr bald sehr eingeschränkt werden.

Rufe nach 2G-Regelung werden lauter: Linke und Marburger Bund fordern bundesweit einheitliche Regelung

So plädierten etwa der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund für eine bundesweit geltende 2G-Regelung. Konkret bedeutet die Regel, dass etwa bei Veranstaltungen nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt erhalten. Ungeimpfte und getestete Personen würden erst gar nicht mehr hineinkommen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach sich für schärfere Kontrollen von Maßnahmen aus, insbesondere in der Gastronomie. „Es muss klar sein: Wer sich an das Kontrollieren der 3G- oder 2G-Nachweise als Betreiber nicht hält, der muss die Konsequenzen spüren“, sagte er der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“.

Für die Linke geht es bei der Einführung der 2G-Regel vor allen Dingen um eine Güterabwägung. Aber auch um die Frage, was der größere Eingriff in die Grundrechte sei, so Dietmar Barsch: „Ein erneuter Lockdown mit katastrophalen Folgen, insbesondere für Kinder und Familien, oder ein bundesweit geltendes 2G-Modell?“ Die Corona-Lage sei wieder außer Kontrolle. Bei der Grundfrage der Pandemiebekämpfung dürfe es keinen Flickenteppich und keine falsche Rücksichtnahmen geben.

Bundesweite 2G-Regelung: Karl Lauterbach schließt erneuten Lockdown aus

Ins gleiche Horn blies auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der erneut eine flächendeckende Anwendung der 2G-Regel forderte: „Wir brauchen entweder einen Lockdown oder eine 2G-Regel, und einen Lockdown wird es nicht mehr geben“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Krux an der Sache: Ohne die Länder ist eine bundesweite 2G-Regelung überhaupt nicht möglich. Lauterbach rät daher allen 16 Landesregierungen dazu, dringend die 2G-Regel einzuführen, und zwar „in allen Bereichen außer in der Grundversorgung“.

Auch die Ärzteschaft des Marburger Bund mahnte laut RND: „Sollten wir keine bundesweite 2G-Regel einführen, wäre das der nächste Fehler in der Pandemiebekämpfung.“ NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte am Dienstag ebenfalls für eine bundesweite 2G-Regelung im Freizeitbereich plädiert.

2G-Regelung in Deutschland: Ampelkoalition will Länder selber entscheiden lassen

Die Parteien der voraussichtlichen Ampelkoalition – SPD, Grüne und FDP – stellen es in ihrem Gesetzentwurf für das künftige bundesweite Corona-Regelwerk, der ab dieser Woche im Bundestag beraten wird, den Bundesländern frei, ob sie 3G- oder 2G-Regeln anordnen. Einige Länder wie Niedersachsen haben bereits 2G-Vorschriften erlassen. Bei 3G-Regeln haben zusätzlich auch Getestete Zugang.

Der Virologe Christian Drosten erwartet „einen sehr anstrengenden Winter“ und hält auch neue Kontaktbeschränkungen für denkbar. „Wir haben jetzt im Moment eine echte Notfallsituation“, sagte der Leiter der Virologie in der Berliner Charité angesichts der Lage auf den Intensivstationen im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“. „Wir müssen jetzt sofort etwas machen.“

Auf einer Covid-Station betreuen Ärzte, Schwestern und Pfleger einen Patienten, daneben montiert der Virologe Christian Drosten.
Die Situation auf den Intensivstationen in Deutschland wird aufgrund der Corona-Pandemie immer kritischer. Virologe Christian Drosten erwartet „einen sehr anstrengenden Winter“. (kreiszeitung.de-Montage) © Waltraud Grubitzsch/dpa & Michael Kappeler/dpa

3G- und sogar 2G-Regelungen reichten vermutlich nicht aus, um die Zahl der Infektionen angesichts der Delta-Variante ausreichend zu senken, sagte Drosten. Dabei müsse man auch Maßnahmen diskutieren, „die wir eigentlich hofften, hinter uns zu haben“, sagte Drosten. „Wir müssen also jetzt die Infektionstätigkeit durch Kontaktmaßnahmen wahrscheinlich wieder kontrollieren – nicht wahrscheinlich, sondern sicher.“ Er schränkte allerdings auch ein, dass es juristisch schwer sein könnte, breite allgemeine Kontaktmaßnahmen durchzusetzen.

2G-Regel: Experten setzen weiterhin auf hohe Impfquote in Deutschland

Allein auf vermehrtes Testen will der Virologe aber nicht setzen. Das deshalb, weil sich Getestete an Orten, an denen die 3G-Regel gilt, leicht infizieren könnten, „weil da unbemerkt infizierte Geimpfte sitzen“. Verantwortlich macht Drosten dafür die niedrige Impfquote in Deutschland, die derzeit bei 67,2 Prozent der vollständig Geimpften liegt. „Wir müssen die Impflücken schließen“, so Drosten. Das gelte auch für doppelt Geimpfte. Das „ideelle“ Ziel müsse „eine dreifach komplett durchgeimpfte Bevölkerung“ sein.

Die Intensivmediziner warnen vor einer Überlastung der Krankenhäuser, sollten keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden. Konkret wird vor einer Einschränkung des Regelbetriebs und dem Verschieben lebensnotwendiger Operationen gewarnt. „Wir werden kaum darum herumkommen“, sagte der Intensivmediziner und wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Christian Karagiannidis, am Dienstagabend in den ARD-„Tagesthemen“.

Karagiannidis bezog dies besonders auf stark betroffene Bundesländer wie Bayern, Sachsen und Thüringen. Die Berliner Charité-Universitätsmedizin sagt bereits seit Dienstag alle planbaren Eingriffe ab, um Mitarbeiter wieder vermehrt auf Covid-19-Stationen einzusetzen.

2G-Regelung oder Impfpflicht in Deutschland: Situation auf Intensivstationen besorgniserregend

Derzeit seien ungefähr zehn Prozent der Intensivbetten in Deutschland noch frei, erläuterte Karagiannidis. Das sei relativ wenig, weil eine Intensivstation im Schnitt aus zwölf Betten bestehe. „Und in dem Moment, wo wir regional unter fünf Prozent freie Betten rutschen, sind wir im Prinzip in den Kliniken nicht mehr wirklich handlungsfähig. Und das wird uns in den nächsten Wochen und (...) Monaten (...) zumindest in den Hotspots, die wir jetzt haben – Bayern, Sachsen und Thüringen – relativ schnell ereilen.“

Um dem Ganzen irgendwie Herr zu werden, plädierte die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ jüngst erneut für eine Impfpflicht, falls die Impfbereitschaft weiter stagniere. „Ich fürchte, dass wenn wir bis Weihnachten keinen richtigen Schub bei der Impfquote haben, werden wir über eine Impfpflicht für alle diskutieren müssen. Es kann ja jetzt nicht auf Dauer so weitergehen mit den Einschränkungen in unserem Leben.“ In diesem Zusammenhang kritisierten jüngst Hausärzte starre Bestellfristen der Impfstoffe.

2G und bundesweite Impfpflicht – Gewaltforscher warnt vor aggressiven Impfgegnern

Der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, Andreas Zick, warnte im Redaktionsnetzwerk Deutschland allerdings: „Wir können über einen Impfzwang diskutieren. Doch der Preis dafür wird sein, dass bestimmte Gruppen unter den Impfgegnern noch sehr viel aggressiver vorgehen.“

Man habe gehofft, dass die Herdenimmunität einen Ausweg biete und man damit jede Form von Zwangsmaßnahmen umgehen könne. Jetzt werde sich die Lage weiter verschärfen. „Wir rennen immer weiter in ein Dilemma hinein, das dramatisch ist. Mit der vierten Welle geht die nächste Welle der Radikalisierung einher.“

Stiko ändert Impfempfehlung für unter 30-Jährige – nur noch Impfstoffe von Biontech ohne Moderna

Für unter 30-Jährige empfiehlt in diesem Zusammen die Ständige Impfkommission des RKI den Impfstoff von Biontech/Pfizer zu benutzen. Aktuelle Meldeanalysen zeigten, dass Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen bei Jungen und jungen Männern sowie bei Mädchen und jungen Frauen nach der Impfung mit Moderna (Spikevax) häufiger beobachtet würden als nach der Biontech-Impfung. Das teilte die Stiko am Mittwoch mit.

Entsprechend werde die Covid-19-Impfempfehlung aktualisiert, der Beschlussentwurf sei zur Abstimmung an Fachkreise und Länder gegangen. Vergangene Woche war ein 12-jähriger Junge im Landkreis Cuxhaven nach einer Impfung mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer verstorben * kreiszeitung.de und merkur.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA.

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