Corona-Modellregionen im Norden: Stopp „tief frustrierend“
Weitreichende Öffnungen in Niedersachsen – dies sollte in ausgewählten Modellregionen möglich sein. Das große Problem: Die geplante Bundes-Notbremse und das Festhalten am Inzidenz-Grenzwert.
Update vom 15. April: Niedersachsens Städtetagspräsident Ulrich Mädge glaubt nicht mehr an das Projekt der Öffnung der Innenstädte in der Corona-Pandemie. „Tief frustrierend“ bezeichnete der Lüneburger Oberbürgermeister den landesweiten Stopp der Modellprojekte bei einer Online-Veranstaltung des Landesverbands des CDU-Wirtschaftsrats am Mittwoch zur Krise der Innenstädte. „Wir waren so weit, am Donnerstag mit dem Modellprojekt zu beginnen“, sagte Mädge (SPD) nach Angaben der Braunschweiger Zeitung (Donnerstag).
13 Kommunen wollten in diesen Tagen ausgesuchte Regionen mit Einzelhändlern, Restaurants und Kultureinrichtungen mit einem Corona-Gesundheitskonzept öffnen. Wochenlang hätten die Kommunen bei Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) für die Idee geworben, dann seien Einzelhändler und Co. umworben worden, man habe sich an die Medien gewandt, und dann sei nur die Absage gekommen. „Das kann man nicht mehr erklären“, sagte Mädge.
Solange die Bundesregierung an einem Inzidenz-Grenzwert von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen festhalte, rückten Öffnungen in weite Ferne. Er warf der Berliner Politik Realitätsferne vor und spekulierte, dass „viele der Damen und Herren dort gar nicht mehr selbst einkaufen gehen“.
Update vom 13. April: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) drängt darauf, dass das Land den Modellversuch zur Öffnung von Innenstädten trotz der geplanten Bundes-Notbremse umsetzen kann. Er werde dem Bund sehr raten, solche Modelle zuzulassen, sagte Weil am Dienstag. Im vorliegenden Entwurf der Bundesregierung für das Infektionsschutzgesetz sei das aber bisher nicht klar geregelt. „Wir brauchen solche Modelle, wenn Zahlen runtergehe, aber wir noch sehr, sehr vorsichtig sein müssen“, sagte Weil.
Wie es konkret mit dem aktuell auf Eis gelegten Modellprojekt in etlichen Städten in Niedersachsen weitergehen wird, werde sich erst zeigen, wenn das Bundes-Infektionsschutzgesetz vom Bundestag beschlossen sei – frühestens Mitte nächster Woche, sagte Weil. Es bleibe nun abzuwarten, was sich nun noch ändern werde. Bereits am Wochenende hatten sich die niedersächsische Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände darauf verständigt, mit dem Modellprojekt noch zu warten, einen neuen Starttermin gibt es aber noch nicht.
Bundeskabinett Änderung des Bundes-Infektionsschutzgesetzes
Das Bundeskabinett hatte am Dienstag eine Änderung des Bundes-Infektionsschutzgesetzes beschlossen – die sogenannte Bundes-Notbremse. Das Gesetz soll jetzt im Eiltempo Bundestag und Bundesrat passieren. In vielen Regionen müssen sich die Menschen damit auf strenge Maßnahmen nach bundesweit verbindlichen Vorgaben einstellen.
„Niedersachsen steht zu dieser Notbremse“, betonte Stephan Weil. Das Land habe bereits jetzt strenge Regeln. Weil sich Niedersachsen stärker als andere Bundesländer an den Lockdown gehalten habe, seien die Verschärfungen des Bundes für Niedersachsen im Kern nicht notwendig.
Corona-Modellregionen liegen in Niedersachsen auf Eis
Update vom 12. April: Die Stadt Emden legt ihre Planungen zum Start einer Corona-Modellregion vorerst auf Eis. Dieser Beschluss sei am Montag nach Rücksprache mit Vertretern von Handel und Gastronomie getroffen worden, teilte die Stadt mit. Als Grund wurde fehlende Planungssicherheit angesichts der noch unklaren geplanten bundeseinheitlichen Regelungen des neuen Infektionsschutzgesetzes genannt. Das dreiwöchige Modellprojekt hätte eigentlich an diesem Donnerstag in Emden starten sollen.
„So lange die Landes- und Bundesregierung keine verlässlichen und dauerhaften Rahmenbedingungen für die Umsetzung des Modellprojektes schaffen, lohnen sich der immense Aufwand und die Mühe für die Einzelhändler und Gastronomen nicht“, sagte die Koordinatorin der Stadt Emden, Martje Merten. Aktuell sei es nicht möglich, Öffnungen zu erproben. Ob die Stadt zu einem späteren Zeitpunkt ihre Planungen wieder aufnehmen will, war zunächst nicht absehbar. (dpa)
Update vom 11. April: Der Start der ersten Modellversuche zur Öffnung von niedersächsischen Innenstädten in der Corona-Pandemie verzögert sich weiter. Angesichts der geplanten bundeseinheitlichen Regelungen im neuen Infektionsschutzgesetz hätten sich die niedersächsische Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände verständigt, noch zu warten, teilte das Gesundheitsministerium am Sonntag in Hannover mit.
Einen neuen Starttermin gebe es noch nicht, sagte eine Sprecherin. Zuvor hatten sich die zwölf Modellkommunen und der niedersächsische Städtetag auf den Beginn am kommenden Donnerstag verständigt. Ursprünglich war der 12. April der Starttermin. Unter anderem die Stadt Achim hatte ihre Bewerbung für das Projekt kürzlich zurückgezogen, Betroffene äußerten nun Verständnis für die Entscheidung der Stadtverwaltung, berichtet kreiszeitung.de*. Die Stadt Nienburg ging demnach zuletzt davon aus, am Donnerstag, 15. April, den Modellversuch beginnen zu können.
Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens betonte, wegen der Pandemielage seien ohnehin nur Kommunen für Modellprojekte zugelassen, die eine Inzidenz von 100 nicht überschreiten. „Es gilt jetzt zu klären, was passiert, wenn Modellkommunen über die 100-Inzidenz wachsen“, sagte die SPD-Politikerin. „Vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist diese Frage nicht zuverlässig zu beantworten. Diese Klarheit ist aber wichtig für die Durchführung unserer Modellprojekte.“ * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
Update vom 1. April: 65 Kommunen haben sich in Niedersachsen als Modell-Projekt beworben, um nach den Osterferien weitreichende Corona-Lockerungen zu starten. Das gab ein Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums am Donnerstag bekannt. Insgesamt sollen 25 Kommunen ausgewählt werden. Die Entscheidung dazu wird für Samstag erwartet.
Das Ziel ist, mittels negativer Corona-Tests bei Mitarbeitern und Besuchern Geschäfte, Theater, Kinos, Museen, Fitnessstudios und Straßencafés in den ausgewählten Kommunen zu öffnen. Die Lockerungen sollen vom 6. April an in Kraft treten (mit dpa-Material).
Ursprüngliche Meldung vom 28. März: Niedersachsen will die geplanten Modellprojekte zur Öffnung von Handel, Kultur und Außengastronomie unter Nutzung der Luca-App zur Kontaktnachverfolgung starten. Daran gekoppelt sein sollen Schnelltests.
Gemeinsam mit Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und dem Saarland verhandele das Land über die Anwendung der App, sagte die stellvertretende Leiterin des Corona-Krisenstabs der Landesregierung, Claudia Schröder, am Donnerstag in Hannover.
Verträge zur Nutzung der App sollten spätestens Ende März abgeschlossen sein. Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Baden-Württemberg nutzen die Luca-App bereits. Mehrere Kommunen in Niedersachsen haben sich für das Pilotprojekt beworben, unter anderem der Kreis Vechta.
Luca-App für Gastronomie, Kultur, Theater, Kinos und Fitnessstudios
Die Modellprojekte sollen neben dem Einzelhandel die Außengastronomie, Kultureinrichtungen einschließlich Theatern und Kinos sowie Fitnessstudios beinhalten, sagte der Chef der Staatskanzlei, Jörg Mielke. Die Projekte sollen am 6. April beginnen und zunächst drei Wochen laufen. Über die Auswahl der Kommunen, die bereits in großer Zahl Interesse angemeldet haben, solle bis Samstag entschieden sein.
Einerseits gibt es die Überlegung, pro Gesundheitsamt nicht mehr als eine Kommune auszuwählen. Andererseits wird man sich möglicherweise beispielhaft für Kommunen mit unterschiedlicher Größe und Inzidenz entscheiden.

Parallel dazu nimmt die Corona-Teststrategie in Niedersachsen mit der Möglichkeit umfangreicher und kostenloser Schnelltestangebote für die Bevölkerung Fahrt auf. Über 1850 Arztpraxen, rund 500 Apotheken sowie kommunale und private Testzentren böten inzwischen Tests an, teilte das Gesundheitsministerium mit. Auch karitative Einrichtungen und Wohlfahrtsverbände seien mit dem Aufbau beschäftigt. Dazu kämen Tests in Schulen, Betrieben sowie die schon länger verpflichtenden Tests in Altenheimen und der Fleischindustrie.
Die Hoffnung ist, mit einem besseren Bild über die tatsächliche Infektionslage lokale, vorsichtige Öffnungen in der Übergangszeit bis zu einer höheren Impfabdeckung möglich zu machen. Noch liegen keine repräsentativen Daten zur Nutzung der Tests und zum Umfang positiver Fälle vor.
Keine Meldepflicht bei Arztpraxen
Gerade wird eine Meldeplattform geschaffen, mit der Ministerium und Landesgesundheitsamt die Nutzung des Testangebots tagesaktuell erfassen und das Infektionsgeschehen analysieren können. Automatisch erfasst werden aber nur die Daten der Testzentren – bei Arztpraxen bestehe keine Meldepflicht, aber die Bereitschaft der freiwilligen Meldung, erklärte das Ministerium. Positive Testergebnisse müssen auf jeden Fall immer den Gesundheitsämtern gemeldet werden.
Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) rief die Wirtschaft auf, die geforderten Testmöglichkeiten für Beschäftigte zu schaffen. „Wir werden die Betriebe mit Nachdruck auffordern, dieser Verpflichtung nachzukommen und Testmöglichkeiten zeitnah einzurichten“, sagte sie. „Wir setzen hier auf die Unternehmen, die auf den Betrieb angepasst und angemessene Testungen vornehmen, und werden beobachten, ob diese Selbstverpflichtung greift.“
Wie Krisenstabs-Vizechefin Schröder sagte, hätten 50 Prozent der Firmen auf Anfrage signalisiert, bereits vor Ostern Testmöglichkeiten zu schaffen, weitere 25 Prozent wollten nach Ostern soweit sein.