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Führerscheine und Autos weg: Niedersachsen geht gegen Clankriminalität vor

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Von: Johannes Nuß

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Ein schwer bewaffneter Polizist mit Maschinenpistole und schusssicherer Weste verlässt ein Mehrfamilienhaus.
Justiz- und Innenministerium sowie Polizei haben am Montag in Hannover den Lagebericht Clankriminalität 2020 in Hannover für Niedersachsen vorgestellt. (Symbolbild) © Julian Stratenschulte/dpa

Die Landesregierung in Niedersachsen hat einen Lagebericht zur Clankriminalität vorgestellt. Mitglieder will man künftig dort treffen, wo es weh tut.

Hannover – Das Land Niedersachsen will härter gegen die Clankriminalität im Nordwesten vorgehen. Das gaben Justizministerin Barbara Havliza (CDU) und Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Montag, 19. Juli 2021, auf einer Pressekonferenz im Innenministerium in Hannover bekannt.

Bundesland in Deutschland:Niedersachsen
Fläche:47.709,82 Quadratkilometer
Einwohner:8.003.421 (Stand: 31. Dezember 2020)
Ministerpräsident:Stephan Weil (SPD)
Innenminister:Boris Pistorius (SPD)
Justizministerin:Barbara Havliza (CDU)

Dabei will man neben der normalen Verbrechensbekämpfung die kriminellen Clanmitglieder vor allen Dingen empfindlich treffen. So sollen – entsprechend den gesetzlichen Möglichkeiten – mehr Autos und Führerscheine eingezogen werden. Damit wollen Havliza und Pistorius die Bewegungsfreiheit der kriminellen Elemente innerhalb der Clanstrukturen einschränken. Mit im Boot: Landeskriminalamt und die Landespolizei.

Clankriminalität in Niedersachsen: Innenminister Boris Pistorius kündigt konsequentes Vorgehen an

„Wer unsere Gesetze ignoriert und die Allgemeinheit sowie Angehörige der Sicherheitsbehörden provoziert und angreift, muss mit einer entsprechenden Reaktion rechnen“, sagte Pistorius vor allen Dingen mit Blick auf die fortwährenden Angriffe auf Polizisten – etwa wenn bei Einsätzen dann auch noch weiter Familienmitglieder hinzugezogen würden, um die Situation bewusst eskalieren zu lassen.

Ein sichergestelltes Fahrzeug wird während einer Razzia abgeschleppt, daneben montiert der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hat gemeinsam mit Justizministerin Barbara Havliza den Lagebericht zur Clankriminalität in Niedersachsen vorgelegt. (kreiszeitung.de-Montage) © Hauke-Christian Dittrich/dpa & Polizeidirektion Oldenburg/dpa

„Niedersachsen war das erste Bundesland mit einem dezidierten polizeilichen Lagebild zur Clankriminalität“, unterstrich Pistorius und verdeutlichte bereits das konkrete Vorgehen von Justiz und Polizei im Land gegen die kriminellen Clans anhand der vier Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften in Osnabrück, Hildesheim, Braunschweig und Celle, die sich ganz im Speziellen mit der Clankriminalität beschäftigen.

„Wir kennen die regionalen Schwerpunkte, wir wissen, was passiert und wir greifen konsequent ein, wie schon die Beispiele Visselhövede, Peine und Bramsche in den vergangenen Monaten belegt haben. Wir sind immer präsent, auch niedrigschwellig mit den entsprechenden Maßnahmen, die die Machenschaften von Clankriminellen schwerer machen. Konsequent und ausdauernd“, sagte der Innenminister.

Man lasse es nicht zu, dass Gesetze ignoriert würden, so Pistorius: „Allen Versuchen, hier vermeintlich rechtsfreie Zonen zu schaffen, treten wir entschieden und mit allen zur Verfügung stehenden polizeilichen Mitteln entgegen. Wir packen da an, wo es den Kriminellen am meisten wehtut.“ Die laufend intensivierten Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung und die konsequente Einziehung illegal erlangter Vermögenswerte seien dabei wichtige Mittel der Polizei. Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt im Kampf gegen die Clankriminalität sei zudem die noch engere Vernetzung mit der Justiz, wie das am Montagmorgen vorgelegte gemeinsame Lagebild belegen soll. 

Clankriminalität in Niedersachsen: Mitglieder missachten Rechtsordnung „in perfider Weise“

„Mitglieder von Clans missachten und negieren unsere Rechtsordnung in perfider Weise“, unterstrich Justizministerin Barbara Havliza das entschlossene Vorgehen gegen die Clankriminalität. Sie wollten den Eindruck erwecken, sie stünden über dem Recht. Dies gefährde das Vertrauen der recht schaffenden Bevölkerung „in unseren Rechtsstaat und seine funktionierenden Institutionen“. Das dürfe nicht geschehen. Entscheidend für den Ermittlungserfolg sei, dass die Ermittler die Strukturen eines Clans genau aufklärten und dann kennen. „Nur so lassen sich Straftaten in den richtigen Zusammenhang einordnen, denn dieses Geflecht ist vielfach durch eine dichte Vernetzung der Beschuldigten gekennzeichnet. Das ermöglicht ihnen arbeitsteiliges Vorgehen.“

Beamte eines Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei stehen während einer Razzia vor einer Wohnung, daneben montiert die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU)
Die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza will gemeinsam mit Innenminister Boris Pistorius härter gegen die Clankriminalität vorgehen. (kreiszeitung.de-Montage) © Oliver Berg/dpa & Markus Scholz/dpa

Deshalb dürften die grundlegenden Strukturen nicht im Dunkeln bleiben. Das sei die Grundlage für entschlossenes und erfolgreiches Handeln. Gute Ermittlungsergebnisse setzten deshalb eine besonders enge und langfristige Arbeit zwischen den Staatsanwaltschaften und der Polizei voraus: „Dafür haben wir in Niedersachsen beste Voraussetzungen geschaffen. Mit der Zentralstelle ,Organisierte Kriminalität‘ bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle (ZOK) stellen wir nicht nur die landesweite Koordination sicher, sondern gewährleisten auch die bundesweite und internationale Vernetzung“, so Havliza.

Wer mit brutalen Straftaten oder aggressivem Alltagsverhalten etwa bei einer Verkehrskontrolle auffalle, müsse damit rechnen, dass seine charakterliche Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr überprüft werde, kündigte auch Landespolizeipräsident Axel Brockmann am Montag während der Pressekonferenz in Hannover an. Im Zuge der Vermögensabschöpfung* könnten hochwertige Autos eingezogen werden, wenn diese aus illegalen Einnahmen finanziert wurden.

Bei der Vorstellung des Lagebilds zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen drohte Innenminister Pistorius ausländischen Straftätern auch mit konsequenten Abschiebungen, die sowieso immer geprüft würden. Wenn solche Kriminelle massiv gegen geltendes Recht verstießen, werde alles unternommen, um ihren Aufenthalt in Deutschland zu beenden. Knapp 40 Prozent der Tatverdächtigen im Bereich Clankriminalität in Niedersachsen sind Ausländer. Havliza sagte zur Kritik, dass der Staat zu viel Rücksicht auf Clans und Parallelgesellschaften nehme: „Die Zeit der Zurückhaltung ist vorbei!“

Clankriminalität in Niedersachsen: Insgesamt 1951 Straftaten im Jahr 2020 registriert

Insgesamt 1951 Fälle wurden im Jahr 2020 der Clankriminalität zugeordnet. Verglichen mit der gesamten polizeilichen Kriminalstatistik ergibt dies für die Clankriminalität einen prozentualen Anteil von 0,39 Prozent. Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit machen dabei den überwiegenden Teil der Gesamtfälle der Clankriminalität aus.

1886 Personen wurden als Tatverdächtige oder Beschuldigte erfasst. Davon waren 85 Prozent männlich und mehr als 40 Prozent in einem Alter von unter 25 Jahren. Die Tatverdächtigen mit einer deutschen Staatsangehörigkeit (etwa 71 Prozent) wurden auch überwiegend in Deutschland geboren (rund 76 Prozent). In Bezug auf die Herkunft dominieren neben der Bundesrepublik Deutschland die Staaten Türkei und Libanon. Insgesamt wurden Vermögenswerte in Höhe von 946.000 Euro vorläufig gesichert.  * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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