Cannabis könnte in Deutschland legal werden - deshalb warnen Polizei und Ärzte
Die mögliche neue Bundesregierung könnte Cannabis legalisieren. Polizei und Ärzte waren vor den teilweise unerforschten Folgen.
Berlin - Der Slogan „Was lange währt, wird endlich gut“ könnte für die Kiffer-Szene zutreffen. Bei den rot-grün-gelben Sondierungsgesprächen ist Cannabis ein Thema. Wenn auch noch über das Für und Wider verhandelt wird, so sind sich die Parteienvertreter bei einem Punkt schon einig: Wenn Cannabis legalisiert werden sollte, dann erfolgt die Abgabe nur an Erwachsene.
Bong/Blubber | Rauchen von Cannabis in einer Wasserpfeife |
Cannabinoide | Inhaltsstoffe der Cannabispflanze |
Joint | Szenebezeichnungen für eine meist konische Zigarette |
Spice oder Smoke | Kräutermischungen zum Beduften von Räumen |
Eine Legalisierung könnte den Markt befeuern – mit Coffeeshops wie in den Niederlanden oder Drogenversand nach US-Vorbild. Musiker Justin Biber ist erst kürzlich in diesen Markt eingestiegen. Der neue Finanzminister könnte sich über mögliche neue Steuereinnahmen freuen. Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap hat ausgerechnet, dass der Fiskus bei einer Legalisierung mit Milliarden rechnen könnte. Gerade in den USA hat Cannabis eine Globalplayer als Befürworter: Amazon.
Cannabis schlägt aufs Hirn
Die Wirkung von Cannabis wird überwiegend als angenehm und entspannend erfahren. Die Wahrnehmung verändert sich, die Schmerzempfindlichkeit sinkt und ein erhöhtes Wohlbefinden („High“-Gefühl)* tritt auf. Aufgrund der beschriebenen Wirkungen kann Cannabis-Konsum die Fahrtüchtigkeit einschränken. Prinzipiell gilt: Wer unter Cannabis-Einfluss Auto fährt, begeht eine Straftat und verliert unter anderem den Führerschein. Unklar ist, ob man nach dem Konsum Autofahren darf. In Hamburg gab es dazu schon einige Gerichtsverfahren.*
Polizei gegen Legalisierung von Cannabis
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt hat zu der Kombination Autofahren und Cannabis eine klare Meinung. Cannabis sei nicht nur eine gefährliche Einstiegsdroge, sondern wegen der Unkontrollierbarkeit der Zusammensetzung, insbesondere für junge Menschen eine Gefahr. Vor allem im Straßenverkehr befürchtet Wendt fatale Folgen: „Wenn demnächst auch noch Bekiffte am Straßenverkehr teilnehmen, bekommen wir ein Problem.“ Schon jetzt komme es wegen Cannabis-Konsums immer wieder zu Unfällen mit unschuldigen Verletzten; die Kontrolle durch die Polizei sei völlig unzureichend.
Das Problem: Haschisch und Marihuana enthalten heute deutlich mehr THC, das für den Rausch sorgt, als noch zu Hippiezeiten. Damals lag der Anteil bei rund einem Prozent, heute sind es bis zu 20 Prozent. Das schlägt aufs Hirn – besonders bei jungen Leuten, die noch nicht ausgewachsen sind. Ärzte warnen auch vor möglichen Folgen, wenn Cannabis fast täglich konsumiert wird: Depressionen, Gedächtnisstörungen und psychische Abhängigkeit könnten die Folge sein.
Fraglich ist allerdings, wie mit Patienten umgegangen wird, die Cannabis als Medizin bekommen. Die Bundesregierung hat dazu im April 2017 mitgeteilt, dass Cannabis-Patienten am Straßenverkehr teilnehmen dürfen, wenn ihrer Fahrfähigkeit nicht eingeschränkt sei. Im Umkehrschluss heißt das: Patienten unter Medizinal-Cannabis dürfen kein Auto steuern, wenn sie das Cannabis nicht ordnungsgemäß eingenommen haben oder das Fahrzeug nicht sicher führen können.

Ob nach einer Legalisierung auch die Folgekrankheiten wie Sucht von den Krankenkassen übernommen werden müssen, entscheidet der Gemeinsames Bundesausschusses(G-BA). Auf Nachfrage von kreiszeitung.de* schrieb die AOK Niedersachsen: Der G-BA ist das wichtigste Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung. Dessen Hauptaufgabe ist es, die Inhalte der gesundheitlichen Versorgung näher zu bestimmen und zu entscheiden, welche Leistungen von der GKV gezahlt werden. Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass die Legalisierung von Cannabis Auswirkungen auf den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen hat.
Der Hanfverband fordert die Legalisierung von Cannabis. In ihrem Bundestagswahlprogramm haben die Grünen angekündigt, „einen regulierten Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften“ ermöglichen zu wollen. Die FDP forderte in ihrem Programm die kontrollierte Freigabe von Cannabis. Die SPD befürwortet eine „regulierte Abgabe“ an Erwachsene erst einmal in Modellprojekten.
Mit der Legalisierung kann der Staat die Einfuhr, die Qualität, den Verkauf und die Abgabe von Cannabis besser kontrollieren. Der Verkauf wäre beispielsweise nur durch lizenzierte Geschäfte an erwachsene Konsumenten legal. Aufklärungsgespräche vor dem Kauf von Cannabis könnten Pflicht werden. Auf dem Schwarzmarkt werden aktuell auch Produkte mit niedriger Qualität. Experten zufolge sei Cannabis nicht gesundheitsschädigender als Alkohol oder Nikotin.
Cannabis-Gegner: Langzeitwirkungen nur unzureichend erforscht
Die Gegner argumentieren, dass die Langzeitwirkungen nur unzureichend erforscht seien. Einige Studien ergaben ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko, andere Studien warnen vor einer verminderten Konzentrationsfähigkeit. Cannabis steht im Verdacht, Psychosen zu verstärken oder sogar auszulösen und Symptome einer Depression zu verschlimmern.
Cannabis wird seit Langem eine medizinische Wirkung nachgesagt. Laut den Experten von Stiftung Warentest sind die positiven Effekte allerdings oft schlecht belegt oder verhältnismäßig schwach. Trotzdem gibt es einen Hanf-Hype. Dieser ruft zahlreiche Start-ups auf dem Plan.
Cannabis ist in Deutschland eine Droge. Viele andere Länder haben sie inzwischen legalisiert. Uruguay war das erste Land weltweit, das Marihuana legalisiert hat. In den USA ist der Besitz von Marihuana mittlerweile in mehreren Bundesstaaten erlaubt.

Der Kinder- und Jugendpsychiater Rainer Thomasius geht davon aus, dass die Fälle von paranoider Schizophrenie, bei denen die Betroffenen gewalttätig werden, selten sind. Regelmäßiger Cannabis-Konsum sei gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden sehr gefährlich, erklärt Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE).
Eine vorgelegte Studie habe mithilfe bildgebender Verfahren bei Menschen und Experimenten an Mäusen gezeigt, dass die Entwicklung des Gehirns unter dem Einfluss des Cannabis-Wirkstoffs THC Schaden nehme. Die Folge seien nicht nur verminderte Intelligenz, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit.
Auch die Gefahr, an einer Psychose zu erkranken, erhöhe sich, und zwar um den Faktor 3,2, bei starkem Konsum von Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von über zehn Prozent sogar um den Faktor 4,8. Das habe eine 2019 in der Fachzeitschrift „The Lancet Psychiatry“ veröffentlichte Studie gezeigt. (Mit Material von dpa) *kreiszeitung.de und 24Hamburg.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA.