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Nach Tod eines 19-Jährigen in Delmenhorst: Gericht bestätigt Einstellung des Verfahrens gegen Polizisten

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Von: Dierk Rohdenburg, Fabian Raddatz

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Blumen und Kerzen stehen im Wollepark in Delmenhorst
Blumen und Kerzen erinnern im Wollepark an einen verstorbenen 19-Jährigen. © Sina Schuldt/dpa

Oldenburg. Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen mehrere Polizeibeamte aus Delmenhorst bestätigt. Vor gut einem Jahr war ein 19-Jähriger am Wollepark in Delmenhorst vorläufig festgenommen worden und später in Gewahrsam gestorben.

Der 19-Jährige hatte Widerstand geleistet, so dass die Polizei Reizgas einsetzte. Im Polizeigewahrsam kam der junge Mann zu Fall und schlug mit dem Kopf auf den Boden auf. Die Polizeibeamten riefen einen Rettungswagen. Der junge Mann verstarb am nächsten Tag im Krankenhaus an einem Multiorganversagen, dessen Ursache nicht abschließend geklärt werden konnte.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg – bestätigt durch die Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg - stellte das Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamten mangels Tatverdachts ein. Hiergegen wandten sich die Eltern des Verstorbenen. Sie verlangten die Erhebung einer Anklage wegen Körperverletzung im Amt und unterlassener Hilfeleistung sowie die Fortführung der Ermittlungen.

Der 1. Strafsenat hat jetzt die Anträge der Eltern als unzulässig verworfen. Die Eltern seien nach dem Gesetz nicht berechtigt, ein Klageerzwingungsverfahren wegen der Körperverletzung oder der unterlassenen Hilfeleistung zu betreiben, so der Senat. Wegen eines Tötungsdeliktes seien nahe Angehörige nach § 373b der Strafprozessordnung (StPO) nur dann antragsbefugt, wenn der Tod die direkte, unmittelbare Folge der – unterstellten oder festgestellten – Tat wäre. Der junge Mann sei jedoch nach den durchgeführten Ermittlungen nicht durch den Einsatz des Pfeffersprays verstorben. Ebensowenig habe die Tatsache, dass die Polizeibeamten ihn vor Eintreffen der Rettungssanitäter nicht reanimierten, den Tod direkt verursacht, heißt es in dem Urteil.

Auch eine weitere Ermittlung kann nicht erzwungen werden

Auch der Antrag der Eltern auf Fortführung der Ermittlungen sei unzulässig. Ein sogenannter Ermittlungserzwingungsantrag komme nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in engen Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn die Staatsanwaltschaft eklatant unzureichend ermittelt habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft habe vielmehr zahlreiche Zeugen vernommen und mehrere Gutachten eingeholt und insgesamt zweifelsfrei umfassende und sorgfältige Ermittlungen durchgeführt. Weitere Aufklärungsverpflichtungen träfen die Staatsanwaltschaft daher nicht.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist rechtskräftig.

Artikel vom 4. August 2021:

Die Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg sieht nach dem Tod eines festgenommenen 19-Jährigen in Delmenhorst keinen Anlass für weitere Ermittlungen. Die Beschwerden der Angehörigen des Toten gegen die Einstellung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Oldenburg seien zurückgewiesen worden. Das sagte die Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft, Carolin Castagna, am Dienstag und bestätigte entsprechende Medienberichte.

Stadt in Niedersachsen:Delmenhorst
Fläche:62,36 km²
Bevölkerung:77.607 (2019)
Oberbürgermeister:Axel Jahnz (SPD)

Die Polizei hatte den jungen Mann am 5. März in Delmenhorst wegen möglichen Drogenkonsums kontrolliert. Es kam zu einer Auseinandersetzung, bei der die Beamten auch Pfefferspray einsetzten. Später in der Gewahrsamszelle brach der 19-Jährige zusammen. Er starb einen Tag später in Oldenburg im Krankenhaus. Während die Polizei von einem Unglücksfall ausging, erhoben Angehörige und Freunde des Opfers schwere Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte.

Tod eines festgenommenen 19-Jährigen: Staatsanwaltschaft lehnt Beschwerden ab

Sie zeigten die beteiligten Polizisten und die Rettungskräfte an – und forderten Aufklärung. Als die Staatsanwaltschaft Oldenburg die Ermittlungen einstellte, legten sie Beschwerde ein. Die Generalstaatsanwaltschaft habe wegen der Todesursache nicht selbst ermittelt, stellte Castagna klar. „Wir bewerten das im Rahmen des Dienstrechts.“ Die untergeordnete Behörde habe korrekt festgestellt, dass kein Fremdverschulden erkennbar sei.

Ein Unterstützerkreis der Familie bleibt indes bei den Vorwürfen gegen die Behörden. Die Ursache für den Tod des 19-Jährigen hat sich trotz mehrerer gerichtsmedizinischer Untersuchungen bislang nicht genau klären lassen. Rechtlich könne die Familie Beschwerde beim niedersächsischen Justizministerium einlegen, sagte Castagna. Unter bestimmten Bedingungen gebe es auch den Weg eines Klageerzwingungsverfahrens. * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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