Heidekreis – Sie gelten als Botschafter des Sommers, Glücksbringer und Wetterpropheten und leben seit Jahrhunderten in der Region: Rauchschwalben, die in rasanten Flugmanövern durch offene Stall- und Scheunentüren flitzen, und Mehlschwalben, die knapp über der Wasseroberfläche Insekten jagen oder zwitschernd auf Telefondrähten und Antennen sitzen.
Doch seit Jahren verschwinden die eleganten Flugkünstler aufgrund von Nahrungsknappheit und Wohnungsnot mehr und mehr aus den Ortsbildern der Dörfer und Städte. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit ihren hohen Pestizideinsätzen und das damit einhergehende Insektensterben machen ihnen ebenso zu schaffen wie Abriss und Modernisierung alter Gebäude, die Versiegelung von Freiflächen durch den Bau von Verkehrswegen und die Ausdehnung von Siedlungs- und Gewerbeflächen. Auf asphaltierten Feldwegen, zugepflasterten Dorfplätzen und geschotterten Hofeinfahrten finden die Schwalben keinen Lehm zum Bau ihrer Nester. Hermetisch verschlossene Stallanlagen und Lagerräume verwehren Rauchschwalben den Zugang, an glatten Neubaufassaden finden die Nester der Mehlschwalben keinen Halt oder werden von Sauberkeitsfanatikern abgeschlagen.
Die Folgen der verschlechterten Lebensbedingungen lassen sich an sinkenden Zahlen ablesen. So ist der Bestand an Rauchschwalben in Niedersachsen zwischen 1985 und 2014 von rund 200 000 auf 105 000 und die Anzahl brütender Mehlschwalben von 100 000 auf 80 000 Paare zurückgegangen. Um diesem negativen Trend entgegenzuwirken, informiert der Naturschutzbund Niedersachsen (Nabu) im Rahmen der Aktion „Schwalben willkommen“ über verschiedene Hilfsmaßnahmen wie das Anbringen künstlicher Nisthilfen oder das Anlegen von Lehmpfützen und zeichnet die Hausbesitzer, die Schwalben in Kolonien an oder in ihren Häusern brüten lassen, mit der Plakette „Schwalbenfreundliches Haus“ aus.
„Die große Resonanz auf diese Aktion zeigt, dass ein gutnachbarschaftliches Verhältnis von Mensch und Schwalbe möglich ist“, freut sich Klaus Thiele vom Nabu Heidekreis, der im Nord- und Südkreis unterwegs war, um die beliebte Plakette zu überreichen. „Doch leider kommt es trotzdem immer wieder vor, dass Nester während der Brut- und Aufzuchtzeit entfernt werden, wie jüngst an einem öffentlichen Gebäude in Soltau geschehen“, ergänzt der zweite Vorsitzende, der durch die Beschwerde aufmerksamer Bürgerinnen von dem Fall erfahren hat.
Die Beseitigung von Schwalbennestern verstoße gegen das Verbot des Bundesnaturschutzgesetzes (§ 44 Absatz 1, Nummer 3), „Fortpflanzungs- und Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören“. Dies gilt auch, wenn die erste Brut bereits ausgeflogen ist, da viele Paare ein zweites Mal brüten und Jungvögel außerdem gerne zum Ausruhen und Übernachten in ihr Nest zurückkehren. Wer gegen den Paragraphen verstößt, muss mit einem Ordnungswidrigkeitsverfahren seitens der Unteren Naturschutzbehörde oder sogar mit einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft rechnen.