„Es wird schnell gehen“: Mit Mord bedroht, Hamburger Influencerin entsetzt
Als „Strong Hijabi“ ist Hilal als Fitness-Influencerin unterwegs. Über Wochen muss die Hamburgerin mit Hass-Kommentaren leben. Dann kommt plötzlich eine Morddrohung. Im Interview spricht sie über die Erfahrung.
- Nazi stalkt die Hamburgerin* auf YouTube und droht mit Mord.
- Hilal ist Muslima und die Influencerin „Strong Hijabi“*.
- Im Interview: Wie sie reagiert, was sie anderen Frauen rät.
Hamburg – Hilal sticht aus der Masse an Fitness-Models heraus. Sie hält nichts von Shakes, Präparaten und Waschbrettbauch-Tutorials. Es geht ihr um ein gesundes Leben und darum, keinen unrealistischen Idealen hinterherzulaufen. Die Botschaft verbreitet sie in ihren Videos, die sie als „Strong Hijabi“ veröffentlicht. Mit fröhlich-bunten Hijab auf dem Kopf. Sie lebt den Islam. Dafür erntet die Hamburgerin Hass-Kommentare und wird mit Mord bedroht.
Ort | Hamburg |
Bundesland | Hamburg |
Einwohner | 1,822 Millionen (30. Sept. 2016) |
Sehenswürdigkeiten/Aktivitäten | Elbphilharmonie Hamburg, Speicherstadt, Reeperbahn, Miniatur Wunderland |
Hochschulen/Universitäten | Universität Hamburg, HAW Hamburg, Helmut-Schmidt-Universität, Technische Universität Hamburg, HafenCity Universität Hamburg |
Hamburg: Influencerin „Strong Hijabi“ von Nazi mit Mord bedroht - Hass-Kommentare gegen Muslima und Islam
Die Hass-Kommentare beginnen Anfang 2020 und ziehen sich über Wochen hin. Der Inhalt wird immer widerlicher und aggressiver. Bis es schließlich zur Morddrohung kommt. Die Polizei Hamburg* und das Landeskriminalamt versuchen zu helfen, scheitern jedoch an YouTube und Google. Die Unternehmen verweigern jede Kooperation.
Mitte Mai hören die Kommentare plötzlich auf. Hilal weiß nicht warum. Ihr wird nur gesagt, dass jetzt die Staatsanwaltschaft ermittle. Mit 24hamburg.de* sprach Hilal über ihre Erfahrungen.
Hamburg: Muslima mit mulmigen Gefühl zur Polizei
Wann ging das los mit den Hass-Kommentaren?
Es gibt immer mal wieder Hass-Kommentare. Damit muss man rechnen, wenn man auf Social-Media unterwegs ist. Aber die ganz schweren kamen im Februar 2020: ‚Schade, dass du nicht unter den Opfern in Hanau gewesen bist.‘ Da musste ich schwer schlucken und erstmal überlegen, wie ich damit umgehe.
Wie bist du damit umgegangen?
Ich hatte nur die Möglichkeit zur Polizei zu gehen. Ich bin mit einem mulmigen Gefühl hin, weil mir klar war, dass wir nicht unbedingt die Gruppe sind, für die sich die Polizisten interessiert. Wir waren immer eher die Bösewichte. Und ich habe mich gefragt, ob ich überhaupt ernst genommen werde. Und es war komischerweise so, dass der Beamte sehr interessiert war an der Thematik. Er meinte gleich, das sei kein Thema für die Polizei, sondern für das Landeskriminalamt. Das sei Volksverhetzung. Dann ist das zur Anzeige gebracht worden.
Wie muss man sich deinen Stalker vorstellen?
Er war wie ein Pitbull, der sich festgebissen hat. Und immer, wenn ich was neues hochgeladen habe, war er da. Das erstreckte sich über mehrere Wochen. Er hat sehr viele Hass-Kommentare verfasst, in denen er auch versucht hat, sehr persönlich zu werden. Da ging es um meine Fehlgeburt, wo es hieß: ‚Ich habe es in einer dreckigen Muslima nicht ausgehalten‘. Er hat gar nicht mehr losgelassen.“
Irgendwann ist es eskaliert?
Ja. Dann hieß es von ihm: ‚Die AfD wird sich um dich kümmern. Mach dir keine Sorgen, es wird schnell gehen.‘ Für mich war das eine Morddrohung. Da habe ich mich direkt mit dem LKA in Verbindung gesetzt. Derzeit sieht die Rechtslage so aus, dass sich solche User austoben können, weil Google nicht verpflichtet ist, Daten rauszugeben.

Kein Rassismus in Deutschland? „Das ist Bullshit!“
Wie sieht das auf anderen Plattformen aus?
Seit ich auf TikTok bin, ist mir aufgefallen, dass es sehr viele Hass- und Negativ-Kommentare unter meinen Videos gibt. TikTok hat eine Funktion, mit der du mitten im Video auf einen Kommentar antworten kannst. Einmal schrieb jemand: ‚Was ist das für eine sprechende Gardine?‘. Den Kommentar habe ich herausgenommen und ein Video draus gemacht. Das ist viral gegangen und die Leute haben sich totgelacht über den Idioten.
Dein Content hat sich erweitert. Du thematisierst den Rassismus und die Hasskommentare jetzt stärker.
Ich schaue schon, dass das weiterhin ein Thema bleibt. Ich habe auch schon Nachrichten bekommen von Frauen, die gesagt haben, das sei unfassbar. Sie könnten das nicht, sie wären nicht so stark, das hätte sie seelisch kaputt gemacht. Vor allem, wenn jemand gesagt hätte, er sei die Wiedergeburt deines Kindes. Und deswegen bin ich froh, dass ich die Zielscheibe bin. Es hätte andere treffen können, die damit nicht umgehen können.
Ist das nur ein digitales Problem?
Ich muss mir oft anhören, ich solle mich nicht so anstellen. So schlimm sei das gar nicht. Wir hätten in Deutschland kein Problem mit Rassismus und Diskriminierung*. Das kann ich nur belächeln. Das ist absoluter Bullshit. Es gibt Menschen, die in dieser Seifenblase leben oder einfach nicht zu den Menschen gehören, die davon betroffen sind. Aber ich kriege das volle Programm ab. Nicht nur, dass ich nicht ‚deutsch‘ aussehe, ich bin Muslima und das sieht man mir auch an. Man muss viele Geschichten kennen, um das große Bild zu sehen. Und das große Bild sieht so aus: Wir haben ein Problem mit Rassismus.
Was rätst du anderen Frauen, die sich an dich wenden?
Ich sag denen, dass sie sich wehren müssen. Allen Mut zusammennehmen und zur Polizei gehen. Und einen Selbstverteidigungskurs zu machen. Lernt den Umgang mit Stress. Es geht nicht darum, jemandem eine reinhauen zu können. Sondern darum, dass man damit umgehen kann, wenn man angeschrien wird. Es gibt Menschen, die dann erstarren.
Seit wann gibt es „Strong Hijabi“?
Seit drei oder vier Jahren. Ich war damals sportlich an dem Punkt, dass ich gesagt habe, in dem Frauenfitness-Studio* kann ich mich nicht weiterentwickeln. Keine Langhanteln, keine Kurzhanteln, keine schweren Gewichte, keine Maschinen, die es gebracht hätte. Es war wirklich Babyfitness.
Du bist in ein gemischtes Studio gewechselt?
Ich bin hin und ich war wie ein Clown auf einer Beerdigung. Alle haben mich angestarrt und sich gefragt: Warum ist die hier, drüben ist doch ein Frauenfitness-Studio. Ich habe das einfach abgelegt und mir gesagt: Mir egal, ob die mich jetzt zwei Stunden anstarren. Dann hat sich alles gewandelt. Ich habe viel häufiger gepostet und viel öffentlicher gelebt.

Willst du davon leben können?
Für mich ist das eine Option. Wir brauchen mehr Alternativen. Wir kennen diese extrem durchtrainierten Fitness-Models*. Wenn du dir die Social-Media-Kanäle der Frauen anschaust: Hier ist mein Hintern, da ist mein Hintern, wieder mein Hintern. Hintern, Hintern, Hintern. Und hier ein Guide, wie du auch so einen Hintern kriegen kannst. Und ich frage mich: Ist das alles, was du zu bieten hast?
Du hast einen anderen Ansatz?
Für mich ist wichtig, dass du dich wohlfühlst in deinem Körper, so wie er ist. Solange du dich im Normalbereich befindest - weder zu dick, noch zu dünn - akzeptiere dich so, so wie du bist. Und vor allem: Die Menschen müssen ihre eigene Mitte finden. Nicht die Mitte von Fitnessmodel XY.
Quelle: 24hamburg.de-Hamburg
* 24hamburg.de und nordbuzz.de sind Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes.
(Danke von 24hamburg.de an das Hamburger Ding für die Bereitstellung der Interview-Location)