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Ukrainische Familie in Weyhe blickt auf ein Jahr Krieg zurück

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Von: Gregor Hühne

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Große Familie.
Betonen ihre Dankbarkeit: Nadezhda und Olegsander Klushyn finden mit ihren Kindern Zuflucht im Landkreis. © Gregor Hühne

„In Weyhe begann glückliche Zeit“: Die ukrainische Familie Klushyn lebt seit dem russischen Überfall auf ihr Heimatland im Landkreis Diepholz und ist voller Dankbarkeit für die großherzigen Deutschen.

Kirchweyhe – Seit fast einem Jahr lebt die 13-köpfige Familie Klushyn in Deutschland. Die Ukrainer haben im Alten Pfarrhaus in Sudweyhe im April des vergangenen Jahres Schutz vor dem Krieg in ihrer Heimat gefunden. Anlässlich des Jahrestags des russischen Überfalls auf ihr Land am 24. Februar 2022 blicken die Klushyns nun zurück und äußern die Hoffnung auf ein Ende der Kämpfe.

„Uns geht es allen gut und wir sind dankbar“, sagt Nadezhda Klushyn auf Deutsch. Ansonsten übersetzt Elena Klampen für das Gespräch zwischen der Kreiszeitung und der Familie.

Die Klushyns fühlen sich angekommen, sagt Ehemann Olegsander Klushyn. In den ersten Monaten in Deutschland sei die Sehnsucht nach der Heimat am größten gewesen. Die ließ zwar nach, sei aber immer noch da.

Den Kindern der Klushyns gehe es gut in Weyhe, so die Eltern. Sie gingen zur Schule und besuchten Sprachkurse. Alle hätten inzwischen einmal in Deutschland Geburtstag gefeiert, die Eheleute hatten hier am 18. Februar ihren 22. Hochzeitstag.

Konflikte mit russischstämmigen Deutschen erfahren Olegsander und seine Ehefrau hier nicht, aber sie seien erwachsen und stünden über ärgerlichen Äußerungen. Anders sehe das bei Kindern aus. Viele Schüler aus Afghanistan und Syrien mögen Putin, übersetzt Klampen, was die Söhne berichten. In der Schule käme es daher zu Sprüchen gegen die Ukrainer. Vater Olegsander relativiert, dass Kinder sich mit unbedachten Sprüchen äußern, um zu provozieren. Er will die Kleinen nicht an den Pranger stellen, die von anderswo beeinflusst werden. Olegsander wünscht sich, dass Menschen zusammenkommen und Differenzen durch Reden ausräumen.

Die deutschen Menschen haben ein großes Herz.

Olegsander Klushyn, Familienvater aus der Ukraine

Derweil geht der Krieg in der Ukraine weiter. Zu Verwandten halten die Klushyns dorthin per Telefon Kontakt. Im Dezember war die Familie für zehn Tage mit ihrem Auto in Berdytschiw, der Heimatstadt in der Zentralukraine. Der Eindruck sei anders als früher gewesen, so Nadezhda. Es sei dunkel und grau gewesen. Straßen seien zerstört, die Stadt von Stromausfällen geplagt. Die Bewohner hätten traurig gewirkt, übersetzt Klampen. Lebensmittel seien erheblich teurer gewesen als früher. Vor jeder Stadt habe es „starke Kontrollen“ gegeben. Nachts galt eine Ausgangssperre. Weil es nach der Einreise aus Polen spät war, musste die Familie im Auto übernachten, berichtet Nadezhda. Doch die Verwandten sowie die Großmutter in der Ukraine seien wohlauf gewesen.

Der älteste Sohn der Klushyns ist in der Ukraine geblieben. Bis zum Sommer sei der 21-Jährige noch relativ sicher, so seine Mutter Nadezhda. Bis zum Sommer 2022 habe er nämlich in der Ukraine studiert und ein Abschluss erworben. Ein Gesetz in dem Land regelt laut Nadezhda Klushyn, dass jemand ab dem Zeitpunkt eines Studienabschlusses ein Jahr lang Zeit habe, um einen Job aufzunehmen. Solange sei er vom Wehrdienst befreit. „Es ist ein bisschen gefährlich, hoffentlich ist der Krieg bis dahin vorbei“, sagt die Mutter. Grundsätzlich müssten in der Ukraine alle zum Militärdienst, momentan sei es aber „etwas freiwilliger“ als zu Beginn der Auseinandersetzung gegen Russland.

Angesprochen auf die Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine, möchte sich Olegsander nicht äußern. Über Militär spreche er nicht gern. Bei seinen Kindern hingegen kenne jedes mit freudig-großen Augen das Wort „Leopard“ – die Bezeichnung für den deutschen Kampfpanzer, der als die mächtigste Landkriegswaffe der Welt gilt und nun für die nächste Phase des Krieges als Unterstützung für die Ukrainer vorgesehen ist.

Wie es für die Klushyns weitergeht, wissen sie nicht. Ihre Kinder sollen in Deutschland einen Beruf erlernen, so die Eltern, die sich endlich Frieden wünschen.

Zu Beginn ihrer Zeit in Kirchweyhe waren die Klushyns überrascht, erinnert sich Olegsander. „Die deutschen Menschen haben ein großes Herz“, betont er seine Dankbarkeit. In der Ukraine hätten sie keinen Kontakt zu Ausländern gehabt. Es berühre die gesamte Familie, dass die Deutschen ihr Land und ihre Herzen so für die Ukrainer öffnen. Vergleicht er die Situation, dass Deutsche in der Ukraine Schutz suchen müssten, wird Olegsander übersetzt, wisse er nicht, ob sie ebenfalls so umfassend Hilfe anbieten würden.

Der Baptist Olegsander vergleicht die Situation seiner Familie während der Flucht mit einer Stelle aus der Bibel. Als die Familie am 9. März 2022 zuerst nach Magdeburg kam, wussten sie nicht weiter und beteten. Drei Tage später sprachen sie am Telefon mit der Integrationskoordinatorin aus dem Weyher Rathaus, Svetlana Korotkova. „Kommen Sie nach Kirchweyhe!“, habe es geheißen. Die Familie war erleichtert. „In Weyhe begann glückliche Zeit“, sagt Nadezhda Klushyn freudig.

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