Die Zuhörer können Angehörige oder Freunde sein, hauptberufliche Hospiz-Mitarbeiter, aber eben auch Ehrenamtliche. Kerstin Kosboth-Engel ist eine von zwölf Freiwilligen, die Ende März ihre Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleitung abgeschlossen haben. Seitdem stehen sie bereit, um sterbende Menschen und ihre Angehörigen in der Trauer zu begleiten, zu Hause oder im Heim.
Es geht darum, die Sterbenden nicht allein zu lassen. Nicht nur, wenn sie sonst niemanden mehr haben. Einen Außenstehenden zu haben, an den man sich wenden kann. Das kann sowohl für Betroffene als für ihre Angehörigen eine große Hilfe sein.
Im Garten ihres Reihenhauses in Leeste erzählt Kerstin Kosboth-Engel davon, warum sie Hospizbegleiterin geworden ist. Die Erfahrung, „wie viel Leben noch im Sterben steckt“, hat sie gemacht, als ihr eigener Vater starb. Seine letzten drei Monate hat der Vater in einem stationären Hospiz verbracht, oder wie es die Tochter beschreibt: verbringen dürfen.
Über dieses Hospiz – eine Einrichtung der Malteser im Ruhrgebiet – sagt sie: „Es ist wie ein Geschenk zu uns gekommen.“ Sie erinnert sich an eine intensive Zeit, an Gespräche, eine letzte Geburtstagsfeier. Daran, dass für jeden Bewohner jeden Tag Wunsch-Essen gekocht wurden.
„Ich möchte von dem, was ich erfahren habe, etwas zurückgeben“, sagt die Hospizbegleiterin rückblickend. Weil es in direkter Nähe keine stationäre Einrichtung gibt, hat sich die Leesterin an den Hospizverein in Weyhe gewandt und darüber die Ausbildung absolviert.
Auf ihre Aufgabe werden die Hospizbegleiter in spe in einhundert Ausbildungsstunden vorbereitet. Mit Rollenspielen, aber auch mit Vorträgen, praktischen Hinweisen aus der Pflege oder einem Praktikum.
Das Sterben – „es bleibt ein trauriges Thema“, sagt Kosboth-Engel. Aber das Erste, von dem die 53-Jährige erzählt, wenn man sie nach der Ausbildung fragt, lautet: „Wir haben unfassbar viel gelacht.“ Denn wenn man sich mit der eigenen Endlichkeit befasst, dann nehme man sich selbst nicht mehr so wichtig: „Man lacht über sich selber.“
Zum Beispiel, wenn man sich die eigene Beerdigung vorstellt. Kerstin Kosboth-Engel erinnert sich an gute Gespräche im Freundeskreis, die sich durch Impulse aus der Ausbildung ergeben hatten. „Man muss sehr ehrlich sein. Im Angesicht des Todes muss man die Hose ‘runterlassen“, sagt sie. Diese Auseinandersetzungen mit sich selbst könne etwas Therapeutisches haben.
„Ich habe selber nicht mehr so viel Angst vor dem Sterben“, erzählt die ausgebildete Hospizbegleiterin. Sterben sei eigentlich ein ganz natürlicher Prozess, ein Teil des Lebens. An diesem Punkt werden die kurzen Handbewegungen, mit denen Kerstin Kosboth-Engel ihr Worte unterstreicht, energischer: „Das Sterben findet innerhalb der Gesellschaft nicht im Mittelpunkt statt. Ich finde, das muss sich ändern.“
Sie nennt ein negatives Beispiel, die bei einer Veranstaltung des Hospizvereins gefallene Aussage: „Das betrifft mich nicht.“ Als müssten nicht alle irgendwann sterben. „Das ist doch verrückt“, findet Kosboth-Engel, „dass etwas, das zum Leben dazugehört – dass wir da so herumeiern.“
Sterben als Teil des Lebens zu begreifen, etwas zurückzugeben. Als Hospizbegleiterin heißt das vor allem: zuhören. Wenn jemand am Ende seines Lebens sein gesammeltes Wissen weitergeben möchte – „sich darauf einzulassen, dazu bedarf es sicherlich Übung“, glaubt Kosboth-Engel. Dabei muss auch die Chemie zwischen Begleitung und Begleitetem passen. Die Sterbenden, sagt sie, geben das Tempo vor.
Seit Abschluss der Ausbildung steht Kerstin Kosboth-Engel in telefonischer Bereitschaft für Begleitungen, zu Hause oder im Pflegeheim. Es gebe Begleitungen, die dauern Jahre. Aber viele würden eher zu spät anrufen, sodass kaum Zeit bleibe.
In den Hoch-Phasen der Pandemie waren ehrenamtliche Hospizbegleiter den Kontaktbeschränkungen unterworfen. Inzwischen kommen die Freiwilligen wieder in die Pflegeheime. Aber der Weyher Hospizdienst werde seltener hinzugezogen als vor Corona, berichtete die Vorsitzende Jutta Gudda. Vielleicht sei man beim Personal in manchen Häusern in Vergessenheit geraten, fürchtet sie.
Kerstin Kosboth-Engel wurde drei Tage, nachdem sie ihr Zertifikat erhalten hatte, zu ihrem ersten, kurzen Einsatz gerufen. Es dürften noch viele weitere folgen.