Rettungsmission für verfallene Wassermühle

Vor vier Jahrzehnten wäre die Wassermühle Sudweyhe fast der Abrissbirne zum Opfer gefallen, hätte der Gemeindearchivar Wilfried Meyer damals nicht die Idee gehabt, eine beispielgebende Rettungsmission anlaufen zu lassen. Der 79-Jährige blickt zurück auf das Jahr 1981. Die Wassermühle Sudweyhe sei völlig marode gewesen.
Weyhe – Der letzte Müller, Max Zweck, hatte die Mühle 1963 verlassen. 20 Jahre später hatte sie Feuchtigkeitsschäden. „Das Dach hatte ein Riesenloch. Dort regnete es hinein. Nie wurde etwas am Dach oder an der Bausubstanz ausgebessert. Alles war verfallen.“
Ähnlich verhielt es sich mit dem Nachbargebäude, der Mühlenscheune. Dort war nach dem Zweiten Weltkrieg eine Bäckerei eingezogen. Aber auch die gab es nicht mehr. Kurzum, an der Hache befanden sich zwei baufällige Gebäude.
Dieses Ensemble, das zum Gutshof gegenüber der Straße gehörte, hatte das Interesse von Wilfried Meyer längst geweckt. Zu jenem Zeitpunkt war Meyer im Hauptberuf Leiter der Lehrwache der Bremer Landespolizeischule, und bereits ehrenamtlicher Gemeindearchivar der Gemeinde. Außerdem arbeitete er über viele Jahre als freier Mitarbeiter dieser Zeitung. Meyer interessierte sich für Fotos, alte Gebäude, für die Menschen und deren Geschichten und verstand es, zielgerichtet zu fragen.
Für die Wassermühle sei Meyer so richtig Feuer und Flamme gewesen, nachdem Heinrich Otersen, der jahrelang auf dem Gutshof gearbeitet und die Mehlsäcke auseinandergefahren hatte, Meyer 1979 eine Führung gegeben hatte. „Da habe ich Blut geleckt und gesehen, welcher Schatz sich an der Hache verbirgt. Ich habe aber auch gemerkt, dass der Eigentümer das Interesse an der Immobile verloren hatte.“
Als Wilfried Meyer ein paar Jahre später erfuhr, dass der Eigentümer plante, das Ensemble abzureißen, um Wohnhäuser auf vier Grundstücken zu errichten, schrillten bei Meyer alle Alarmglocken. „Der Zeitpunkt ist gekommen, um zu handeln.“
Er alleine leitete die Rettungsmission ein: Der Beamte formulierte im Juli 1981 einen Antrag an die Gemeinde, den Mühlenhof mit den beiden Gebäuden zu kaufen und zu einem Kulturzentrum umzugestalten.“ Eine Kopie schickte er an die Presse, um den Handlungsdruck zu erhöhen. Er hatte zum Syker Pressehaus einen guten Draht, weil er für die Kreiszeitung seit 1958 als freier Mitarbeiter unterwegs war. Als Autor der Serie „Weyhe im Wandel der Zeit“ war er den Geschichten nachgegangen, die zwischen einem Bild aus der Vergangenheit und einem aktuellen Foto von der gleichen Stelle erzählten.
Im Antrag an die Gemeinde kündigte Meyer an, dass er für den Fall der Umsetzung eine Arbeitsgruppe gründen und leiten wolle, die bei der Restaurierung der Wassermühle helfen sollte.
Die Reaktion auf seinen Antrag sei in der Politik wechselhaft gewesen: Die meisten Ratsmitlieder von CDU, SPD, FDP und den Grünen seien für das Projekt gewesen. Es gab aber auch Kritiker. Meyer erinnert sich an einen Mandatsträger der SPD, der die Sudweyher Wassermühle als „Denkmal der Ausbeutung“ bezeichnete. Das Gebäude sei Teil eines Gutsensembles gewesen und die Arbeit in der Mühle sei nicht besonders gut bezahlt worden, sei die Begründung für diese Aussage gewesen. Womit Wilfried Meyer nicht gerechnet hatte: Verschiedene Gruppen wollten das Projekt fördern und sagten schriftlich ihre Unterstützung zu. Wenn man zwölf Millionen Mark für ein Sportzentrum ausgeben kann, könne man auch 1,5 Millionen Euro für ein Kulturzentrum zahlen, sei die Meinung von vielen Bürgern gewesen.
Bis 1981 habe die Kultur in Weyhe keinen Stellenwert gehabt, erinnert sich Meyer. Das habe sich schlagartig geändert. Es ging damals mehr um Straßen, um Schule und Sport, aber eben nicht um Kultur.
Mit diesem Projekt war Kultur plötzlich wichtig geworden und, Weyhe sollte ein Veranstaltungszentrum bekommen, in dem Lesungen und Konzerte ebenso stattfinden können wie Ausstellungen. Im Herbst 1981, also vor genau vier Jahrzehnten, hatte der Rat den Antrag von Meyer angenommen.
Erst im Sommer 1982 habe Meyer Interessenten in ein Clubzimmer des ehemaligen Gasthauses Voßmeyer eingeladen, um die Arbeitsgruppe zu gründen. Es kamen 60 Menschen, die mithelfen wollten. Arbeitseinsatz sei stets an Samstagen gewesen. Menschenketten wurden gebildet, um die Pfannen vom Dach zu holen, die Fächer von den Steinen zu befreien und Balken zu entfernen, in dem der Holzbock saß. „Der Dachstuhl des Wohnhauses musste weg.“ Für die Presse war jeder Arbeitseinsatz ein Pflichttermin. Unter die Bürger mischten sich Helfer des Bauhofs, auch Fachbereichsleiter des Rathauses und Ratsmitglieder. Zwischendurch spendierten Bäcker und Gastronomen Backwaren und Getränke. „Die Unterstützung war enorm.“
Auch das Fernsehen berichtete von diesem Projekt. Im Sommer 1984 waren Wassermühle und Backhaus fertiggestellt und wurden eingeweiht. Das Projekt hat am Ende knapp vier Millionen Mark gekostet, allein eine halbe Million Mark war für den Ankauf vorgesehen.
Die Bürger und auch die Kaufleute haben das Projekt unterstützt. Der Gastwirt Günter Koch hatte in Zusammenarbeit mit Radio Bremen eine Musikveranstaltung in der Mehrzweckhalle organisiert, in der Mike Krüger der Stargast war. „Die Veranstaltung brachte 3 000 Mark als Reinerlös.“
Für Meyer wäre es schön, wenn alle Helfer und Unterstützer sich treffen und bei einem Fest auf das Geleistete anstoßen. „Die Wassermühle ist aus dem kulturellen Leben Weyhes nicht mehr wegzudenken.“
Man könne auch heute viel von diesem Projekt lernen: Gesellschaftliches Engagement kann scheinbar Unmögliches schaffen. „Nach dem Erfolg und Zuspruch beim Mühlenhof habe ich es im Nachhinein bedauert, dass ich damals nicht so mutig war, den Antrag für das gesamte Gutsgelände zu schreiben. Denn zu dieser Zeit hätte sich daraus ein Projekt wie in Bassum mit der Freudenburg entwickeln können. Schulung, Seminare, Übernachtungsmöglichkeiten und Konzerte wären möglich gewesen“, sagt der 79-Jährige. „Das hätte sich in Kooperation mit dem Landkreis und der Volkshochschule ergeben können. „Aber das Rad der Zeit“, sagt Meyer, „kann man nicht zurückdrehen.“
Von Sigi Schritt



