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Peggy Schierenbeck aus Weyhe will für die SPD in den Bundestag: Sie verfolgt ein ehrgeiziges Ziel

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Von: Sigi Schritt

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Sie war schon oft mit einem Fahrgeschäft in Berlin. Jetzt möchte Peggy Schierenbeck (49) aus Weyhe in den Bundestag.
Sie war schon oft mit einem Fahrgeschäft in Berlin. Jetzt möchte Peggy Schierenbeck (49) aus Weyhe in den Bundestag. © Sigi Schritt

Weyhe – Sie will in den Bundestag: Peggy Schierenbeck (49) aus Leeste, Unternehmerin und Führungskräftecoach. Im Gespräch mit Redakteur Sigi Schritt erzählt sie, weshalb sie darauf brennt, nach Berlin zu gehen.

Die SPD Weyhe hat Sie als Bundestagskandidatin nominiert. Was bedeutet das für Sie?

Das ist eine große Ehre. Die Mitglieder trauen mir das zu. Das ist unglaublich schön, denn die Botschaft lautet: „Wir unterstützen dich.“ Das ist der erste Aufschlag. Ich will die umliegenden Ortsvereine besuchen, um viele Menschen kennenzulernen. Ich freue mich darauf, zahlreiche Gespräche im Wahlkreis zu führen und hoffe, die Zuhörer zu überzeugen, dass ich auch für sie eine gute Kandidatin bin. Damit sie sich ein Bild von mir machen können, um mich am Donnerstag, 24. September, bei der Aufstellungskonferenz im Wahlkreis zu unterstützen.

Welchen Plan haben Sie, bekannter zu werden?

Ich werde den ganzen Wahlkreis besuchen, mich überall vorstellen. Ich werde durch die Gemeinden tingeln und zuhören, um mir die Sorgen der Menschen anzuhören. Ich möchte eine pragmatische Politikerin sein.

Was treibt Sie an, für die SPD und für den Bundestag zu kandidieren?

Als Unternehmerin habe ich mich stets für Wirtschaftsthemen interessiert. Ich finde, dass die Sozialdemokraten bei diesem Thema laut Bundesprogramm sehr gut aufgestellt gewesen sind, aber ihre Ziele nicht so richtig rübergebracht hatten. Ich wünsche mir, eine Wirtschaftspolitik, die die sozialen Belange immer im Fokus hat.

Wie meinen Sie das?

Die Politik sollte sich gleichermaßen um Arbeitgeber und um die Arbeitnehmer kümmern. Beiden Gruppen müsste man sozial gerecht werden.

Können Sie das konkreter fassen?

Wenn Unternehmen sozial handeln, denken Sie an das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter. In der Corona-Krise heißt das, dass die Chefinnen und Chefs noch verlässlicher und fürsorglicher agieren sollten. Sozial ist ebenso das Bestreben, Arbeitsplätze zu erhalten.

Sie reden nicht von Konzernen?

Ich denke zunächst an den Mittelstand. Dem Handwerk laufen die Mitarbeiter weg. Das betrifft kleine und mittelständische Unternehmen.

Was möchten Sie für diese Zielgruppe erreichen?

Ich möchte dem Handwerk ein besseres Standing geben.

Und wie möchten Sie das anstellen?

Deutschland benötigt viel mehr Coaches. Führungskräfte sind meist Spezialisten auf ihrem Gebiet, aber die wenigsten haben gelernt, Menschen zu führen, zu motivieren und sie zu fördern und auf eine angenehme Art und Weise zu fordern. Jeder kann führen. Das macht Spaß, und es kann eine Win-win-Situation entstehen. Das ist die Erfahrungen aus den Seminaren, die ich gebe. Es ist doch schön, wenn Unternehmensziele gemeinsam mit den Mitarbeitern erreicht werden und die wiederum sagen, dass man gerne für ein Unternehmen arbeitet. Die Arbeit muss gut entlohnt werden. Das sollte selbstverständlich sein.

Welche Themen sind Ihnen neben der Wirtschaft noch wichtig?

Dazu zählt zum Beispiel die Gleichberechtigung. Gleichberechtigung ist, wenn jeder so leben kann, wie er oder sie es möchte. Es klingt so einfach. Der Weg ist noch lang, um das zu verwirklichen. Außerdem möchte ich einen Schwerpunkt auf Bildung legen.

Weshalb?

Es geht bei der Bildung immer um Abitur. Abitur, Abitur: Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder die Hochschulreife ablegen, obwohl sie das (noch) nicht wollen. Man sollte Kinder nicht mit den Folgen einer solchen Entscheidung quälen, sondern auf das dreigliedrige Schulsystem vertrauen.

Wieso?

Es ist besser als sein Ruf. Wir haben ein tolles Bildungssystem. Aber eine schlechte Vermarktung. Und Eltern fehlt oft die Gelassenheit, dass Schüler, die etwas zu einem frühen Zeitpunkt nicht schaffen, es aber zu einem späteren Zeitpunkt durchaus können. Kinder müssen selbst Abi machen wollen. Das haben unsere Kinder für sich entschieden, und wir sind als Familie gut damit gefahren.

Kann man mit einem Hauptschulabschluss erfolgreich sein?

Ja, klar! Das zeigt meine Biografie und die vieler anderer Menschen. Wenn man Kindern vermittelt, dass sie grundsätzlich werden können, was sie wollen, nimmt das viel Druck. Wichtiger ist es, Ziele zu finden und fleißig zu sein. Und man sollte nicht die Scheu haben, sich ständig weiterzubilden. Man kann alles nachmachen: den Realschulabschluss. Das Abitur. Nicht alle Mädchen und Jungen sind gleich weit. Bin selbst eine Spätzünderin. Ich habe in meiner Jugend 130 Schulen besucht und dabei ein chaotisches Bildungssystem mit sonderbaren Regeln erlebt.

Wie meinen Sie das?

Meine Eltern reisten mit ihren Fahrgeschäften durch alle Bundesländer. Dabei habe ich 130 Schulen kennengelernt. Ich hätte die Realschule besuchen dürfen, aber damals ging das als Schaustellerkind in Bayern nicht. Jetzt kann ein mitreisendes Schaustellerkind sogar das Abitur ablegen. Das wäre früher nur möglich gewesen, wenn man auf ein Internat gegangen wäre oder bei Pflegeeltern gewohnt hätte.

Sie plädieren also für ein Selbstverständnis, auf den erzielten Abschluss, der nicht das Abitur ist, stolz zu sein?

Genau. Ich habe mal auf dem Auto eines Handwerksbetriebs den Aufkleber mit der Aufschrift „Hauptschulabschluss 1986 gesehen“. Das gefiel mir sehr. Ich habe eine Gänsehaut bekommen.

Was sagen Ihre drei erwachsenen Kinder und Ihr Ehemann Heiko, ein Christdemokrat, zur Kandidatur?

Alle stehen hinter mir und wollen mich unterstützen.

Sie sind Mitglied des Unternehmerinnen-Netzwerks Fairnet. Welche Botschaft aus diesem Zusammenschluss würden Sie nach Berlin mitnehmen wollen?

Frauen traut euch, macht mehr: Werdet Unternehmerinnen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Man kann ein Geschäft nebenbei aufbauen. Man muss nicht sofort sein Leben ändern. Teil eines Netzwerkes zu sein, bedeutet, dass es schön ist zu erleben, welche Herausforderungen es zu meistern gilt. In der Corona-Zeit ist es wichtig, sich gegenseitig zu stützen. Egoismus hat hier nichts zu suchen. Ich würde gerne den Egoismus in Deutschland austreiben.

Sie arbeiten als Führungskräftecoach. Was würden Sie mit den Spitzenkräften der SPD machen wollen?

Ich würde immer wieder daran erinnern, dass es nur miteinander geht. Das Einholen der Meinungen sollte auf allen Ebenen geschehen. Nicht nur Berlin, nicht nur Hannover, sondern auch in Weyhe. Die Vielzahl der Ideen entfaltet ein unglaubliches Potenzial. Am Ende sind alle Politiker Bürgervertreter, die die Wünsche der Menschen transportieren. Wir sind alle das Sprachrohr. Wer sich dieser Aufgabe bewusst wird, muss sich als Person zurücknehmen können.

Gute Politik ist für Sie…

…erst mal genau zuhören, um die Probleme zu erkennen und ernst zu nehmen. Politik ist viel Aufklärungsarbeit.

Welchem Flügel der SPD möchten Sie im Fall eines Einzugs angehören?

Das ist eine typisch deutsche Frage. Alles schön in Schubladen stecken. Ich trete für Wirtschaftsthemen an. Ich habe Anteil der parlamentarischen Linke. Ich finde, dass Christdemokraten ebenso gute Ideen haben. Die müssten sie allerdings bei sich verwirklichen.

Die SPD-Spitze kann sich eine Koalition mit der Linkspartei vorstellen. Sie auch?

Ich wünsche mir für die Bürger, dass jede Partei für sich einen fairen Wahlkampf macht: mit ihren Argumenten und mit ihren Überzeugungen. Wenn wir gewählt haben, schaut man, wie das Ergebnis ist und wie eine Regierung zustande kommt, mit der die Bürger zufrieden sind. Das wäre die richtige Reihenfolge.

Die SPD wünscht sich Olaf Scholz als Kanzler. Sie kann sich aber auch eine Führung durch die Grünen vorstellen. Wie stehen Sie zum Richtungswechsel? Zum Beispiel von Schwarz-Rot zu Grün-Rot-Rot?

Olaf Scholz ist einer, der das Miteinander vorlebt. Und er hat diese gelassene hanseatische Souveränität. Er ist nicht aufgeregt. Er ist besonnen und beliebt. In der Krise hat er sich bewährt. Wir haben jetzt mit offenem Visier gezeigt, mit wem wir an der Spitze in den Wahlkampf gehen wollen. Scholz hat sehr viel Führungsqualität bewiesen. Wir wollen sozialdemokratische Politik machen. Und wir müssen dann schauen, mit wem das am besten geht. Ich traue Scholz ein großartiges Ergebnis zu, und dann schauen wir weiter.

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Lebenslauf

Peggy Schierenbeck ist 1970 in Neuwied in eine Schaustellerfamilie hineingeboren und hat das Schaustellergeschäft hautnah miterlebt. Ihre Eltern haben in einen Irrgarten investiert und reisten mit ihrem Kind durch ganz Deutschland. Überall, wo sie aufgetreten sind, besuchte sie die Schule und schloss sie am Ende mit dem Hauptschulabschluss ab und blieb im elterlichen Betrieb. Ihren Mann Heiko hat Peggy Schierenbeck auf einem Bremer Schaustellerball kennengelernt. Im Alter von 23 Jahren investierten beide – nach der Heirat – in das Fahrgeschäft Black Hole, eine europaweit einmalige Familienachterbahn im Dunkeln. „Wir investierten in einen fallenden Markt und hatten hohe Schulden, aber ein eigenes Unternehmen. Ich hatte nie Angst vor der Summe und nie die Sorge, dass wir das nicht schaffen können. Später kam ein weiteres großes Fahrgeschäft hinzu, die Bayern Rutsche. Mit diesen Fahrgeschäften war die Familie Schierenbeck nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch im benachbarten Ausland unterwegs und stand sogar im Londoner Hydepark. Beide Fahrgeschäfte haben wir verkauft. Eines steht im Freizeitpark Geiselwind, das andere ging an einen englischen Großschaussteller nach Riad.“ Seit sechs Jahren arbeitet Peggy Schierenbeck als Führungskräftecoach und gibt nun ihre Menschenkenntnisse an Firmenchefs weiter. „Kommunikation ist immer alles“, lautet ihr Motto.

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