Leesterin belebt vergessene Volkskunst

Sudweyhe - Von Heiner Büntemeyer. Der Sudweyher Bahnhof ist um eine Attraktion reicher, denn noch bis zum 11. August ist hier die Ausstellung „Mustertücher – Malen mit Nadel und Faden“ zu sehen.
„Bahnhofsvorsteherin“ Christine Burda begrüßte am Sonntag bei der Matinee neben etwa 30 Gästen auch Erika Christmann, die nicht nur zu den Ehrenamtlichen des Vereins gehört, sondern in den Räumen im Bahnhof sehenswerte selbst geschaffene Mustertücher ausstellt.
Handarbeit und Mathematik waren für Christmann Lieblingsfächer, berichtete die Künstlerin. Diese Kombination empfand sie deshalb als sinnvoll, weil bei dieser Form des Stickens – des „Malens mit Nadel und Faden“ – exakt berechnet werden muss, wo genau und wie viele Kreuze gesetzt werden müssen. Wichtig ist dabei der „Zählstoff“ mit gleicher Dichte von Schuss- und Kettfäden, wobei das Bild filigraner wird, je mehr Fäden auf einem Zentimeter verwebt wurden.
„Sind ji wedder an‘t Gaffeln?“ – An diese Bemerkung ihres Großvaters kann sich Erika Christmann noch gut erinnern, wenn er von der Arbeit nach Haus kam und Großmutter, Mutter und Tochter stickten.
Daran erinnerte sie sich, als die Leesterin vor rund 25 Jahren bei einem Urlaub in den Niederlanden dieses Hobby wieder entdeckte. „Ob ich das wohl noch kann?“, habe sie sich gefragt, und seitdem hat sie dieses Hobby nicht mehr losgelassen. Und sie hat diese Kunst weiter entwickelt, hat filigrane Werke geschaffen und damit die Tradition der „Mustertücher“ fortgesetzt, nach denen bis ins vorige Jahrhundert noch in der Schule gestickt wurde. „Sticken war Volkskunst, und jedes Mädchen stickte seine Initialen in seine Aussteuer“, berichtete die Künstlerin, die auch als Gästeführerin unterwegs ist.
Mustertücher mit Zahlen und Buchstaben, auf Holländisch auch „Merklappen“ genannt, wurden nachgestickt und mit Tieren, Symbolen und viel „Gerankel“ versehen. Erika Christmann ist von der reinen Reproduktion alter Mustertücher längst abgewichen und zeigt auch im Kulturbahnhof eigene Werke. Beispielsweise hat sie das Alphabet dargestellt, indem sie jedem Buchstaben einen Leuchtturm zugeordnet hat. Auch die Zeit ihres Lebens, die sie seit 50 Jahren mit ihrem Ehemann Horst teilt, hat sie dargestellt und den Familienstammbaum, gemeinsame Urlaubsreisen, aber auch das Weyher Wappen und das Kleeblatt der Weyher Gästeführer darin aufgenommen. 2014 war diese Arbeit beendet: „Der Lappen war voll“.
Grund für diese Ausstellung sei auch ihre Freude an diesem Hobby, die sie weiter geben möchte. „Es ist Entspannung pur“, berichtet sie und empfiehlt, klein mit einer selbst gestickten Glückwunschkarte anzufangen.