Ehering führt Familien von Kriegsfeinden in Twistringen zusammen

Es gibt Geschichten, die gehen zu Herzen. So wie die Geschichte der Familie Ahlers aus Binghausen und der niederländischen Familie Poos, die sich nach einem schrecklichen Kriegsgeschehen vor knapp 80 Jahren jetzt gegenüber saßen. Anlass war die Übergabe des Eheringes von Christoph Ahlers an dessen Sohn Heinz Ahlers. Eine Geste, die allen Beteiligten viel bedeutet.
Twistringen – Im September 1944 wurde Christoph Ahlers zusammen mit einem Kameraden an die Front in den Niederlanden versetzt. Der Weg vom Bahnhof bis zur Frontlinie war 20 Kilometer lang. Für die beiden jungen Soldaten Anlass, bei einem Bauernhof nach Verpflegung zu fragen. Die Bauersleute bewirteten die Männer, was jedoch von den Widerstandskämpfern bemerkt wurde. Kurzerhand nahmen sie die Deutschen fest.
Sechs Wochen lang musste der Standort der Inhaftierten immer wieder verlegt werden, da die deutsche Armee inzwischen im Dorf angekommen war. Eine Übergabe an die Alliierten war nicht möglich, da sich diese sich auf der anderen Seite des Wessem-Niederweert-Kanals befanden.
Eine schreckliche Entscheidung
Als am 8. Oktober 1944 eine Razzia von den Deutschen durchgeführt wurde, bei der sie 2 000 Menschen als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportierten, mussten die Widerstandskämpfer unter Leitung des Kommandeurs Jan Poos eine schreckliche Entscheidung treffen. Sie wussten, dass wenn die deutschen Gefangenen im Dorf Leveroy gefunden würden, sie das ganze Dorf niederbrennen und alle Bewohner entweder töten oder verhaften würden.

Also entschlossen sie sich, Ahlers und seinen Kameraden zu liquidieren. Diese Aufgabe übernahm der Jan Poos. Anschließend vergruben sie die Leichen. 1952 meldete einer der Widerstandskämpfer dem DRK den Ort der Getöteten. Die Leichen wurden exhumiert und auf dem Soldatenfriedhof Ysselsteyn beigesetzt.
Christoph Ahlers Familie erhielt 1945 zunächst die Nachricht, dass der Ehemann und fünffache Vater verschollen sei. Erst viele Jahre später wurde durch die Behörden dessen Tod bestätigt und sie erfuhren, wo er sein Grab hatte. Seitdem besucht die Familie jedes Jahr einmal den Soldatenfriedhof. Vater und Sohn Ahlers haben sich nie kennengelernt.
Reise nach Twistringen
1995 begannen die Historiker Peter Crins und Peter Hermans das offene Geheimnis über die Liquidation der Soldaten zu recherchieren, um daraus einen Film zu drehen. Die Nachforschungen waren sehr schwer, weil auch 50 Jahre danach keiner darüber sprechen wollte. Dabei erfuhren sie auch, dass der Ehering von Christoph Ahlers immer noch im Besitz der Familie ist, die damals die Deutschen versteckt hatte.
Sie machten es sich zur Aufgabe, die Familien zu finden, was erst lange nach Fertigstellung des Films „Aber der Kirche passiert nichts“ gelang. Nämlich erst im vergangenen November. Da erhielten Crins und Hermans die Nachricht, dass die Familie über den Twistringer Schützenverein gefunden wurde. Für die Söhne des Kommandeurs Jan Poos Anlass, nach Twistringen zu reisen.
Jetzt steckte der 77-jährige Ger Poos den verloren geglaubten Ehering Heinz Ahlers an den Finger. Über den Ehering seiner Mutter. Frans Poos verlas, was dieser Augenblick seiner Familie bedeutet. Darin heißt es unter anderem: „Wir wünschen, dass mit der Rückgabe des Rings die zerbrochene Verbindung zwischen Vater und Sohn stärker geheilt werden kann.“
Filmende wird neu gedreht
Er erzählte auch, dass sein Vater aufgrund seiner Erfahrungen im Widerstand am Ende seines Lebens psychisch zerstört war, dass er die Gräber der von ihm erschossenen Soldaten aber besucht habe. „Diesen Ring zurückzubringen, ist eine Geste, die wir, wie wir glauben, auch im Namen unseres Vaters tun.“

„Ich bin dankbar, dass ich den Ring nach so vielen Jahren zurückbekommen habe“, erklärt Heinz Ahlers sichtlich gerührt. Für Stefan Ahlers ist die Geschichte seines Großvaters sehr wichtig. „Das Schöne ist, dass die Familien derjenigen, die sich damals mit Waffen gegenüber standen, heute an einem Tisch sitzen.“ Und nachdem die Brüder Poos und die Historiker erzählt haben, wie vielen Menschen Jan Poos als Widerstandskämpfer das Leben gerettet hat, sagt er „ihr könnt stolz auf euren Vater sein.“
Film: Das Ende des Films „Aber der Kirche passiert nichts“ wird neu gedreht. Der Film soll mit Untertiteln versehen und anschließend im Twistringer Kino gezeigt werden.