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Beleidigungen bei den Montagsdemonstrationen in Twistringen

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Von: Fabian Pieper

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Die Teilnehmer der Montagsdemo (links) und der Gegendemo (rechts) an der Lindenstraße in Twistringen. Vorne rechts deutlich zu erkennen: die Wirmer-Fahne.
Die Teilnehmer der Montagsdemo (links) und der Gegendemo (rechts) an der Lindenstraße in Twistringen. Vorne rechts deutlich zu erkennen: die Wirmer-Fahne. © Fabian Pieper

Bei den Montagsdemonstrationen in Twistringen soll es zu Beleidigungen gekommen sein. Deshalb hat Bürgermeister Jens Bley in einer Videobotschaft an die Vernunft aller Demonstranten appelliert.

Twistringen – Schon über weite Teile des vergangenen Jahres haben sich regelmäßig montagabends Menschen in Twistringen versammelt, um gegen Corona-Maßnahmen und weitere Entwicklungen in Deutschland zu demonstrieren. Und ebenso lange haben sich gleichzeitig Menschen dem entgegengestellt. Doch nun beklagen Sympathisanten beider Seiten eine Verrohung des Diskurses. Und sogar Twistringens Bürgermeister Jens Bley hat sich eingeschaltet.

Bürgermeister Jens Bley appelliert nach Beleidigungen bei den Montagsdemos in Twistringen

Und zwar in Form einer Videobotschaft auf seinem öffentlichen Facebook-Profil. Dort äußerte der Verwaltungschef am Sonntagnachmittag seine Sorgen darüber, dass der Umgangston aufseiten der Montagsdemonstranten rauer geworden sei. Er bezeichnet dies als „unschöne Entwicklung“ und richtet einen Appell an alle Demonstranten: „Beleidigung, Diskriminierung, Ausgrenzung: Das gehört nicht dazu“, sagt er. „Es gehört dazu, dass man Anstand bewahrt.“

Konkret sollen, so Bley weiter, Beleidigungen wie „Grüne an die Ostfront“, „Kriegstreiber“ und „Grüne Scheiße Endstation“ gefallen sein. „Wenn ich diese Aussagen höre, dann stockt mir regelrecht der Atem“, zeigt sich Bley betroffen und betont, dass solche Aussagen nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.

Gab es körperliche Angriffe auf den Montagsdemos in Twistringen?

In den Kommentaren zu dem etwa drei Minuten langen Video hat sich seitdem eine Diskussion entwickelt, in denen der Bürgermeister sowohl Zuspruch als auch Gegenwind erfährt. Ein Diskussionsteilnehmer gibt dort einen Bericht wieder, nach dem die Montagsdemonstranten in den vergangenen Wochen den Umgangston bewusst verschärft, jedoch auch Beleidigungen der Gegenseite erfahren hätten.

Unbestätigt sind hingegen die in einem Kommentar geäußerten Schilderungen, dass ein Pressevertreter von Gegendemonstranten auf die Straße geschubst worden sein soll. Zudem soll es zu einem Vorfall gekommen sein, bei dem ein Mann und sein jugendlicher Sohn von den Gegendemonstranten körperlich angegriffen worden sein sollen. Bley konnte diese Schilderungen auf Nachfrage der Kreiszeitung nicht bestätigen: „Das habe ich nicht durch die Versammlungsbehörde oder die Polizei bestätigt bekommen.“

Mehr als 70 Gegendemonstranten am Montag in Twistringen

Etwa 70 bis 80 Gegendemonstranten versammeln sich vergangenen Montagabend in Twistringen, darunter auch Sylvia Holste-Hagen, die für die Grünen im Twistringer Stadtrat aktiv ist, an diesem Abend aber als Privatperson an der Demonstration teilnimmt – „Wie jede Woche“, wie sie sagt; Bürgermeister Bley erklärte am Dienstag, den Demonstrationen seit jeher aus Gründen des Neutralitätsgebots fernzubleiben, deren Verlauf jedoch zu beobachten.

Gegendemonstranten vor dem Rathaus in Twistringen.
Gegendemonstranten vor dem Rathaus in Twistringen. © Fabian Pieper

Holste-Hagen bestätigt die Aussagen von Jens Bley, dass der Umgangston der Montagsdemonstranten an Schärfe gewonnen habe: „Alles, was Herr Bley sagt, kann ich bestätigen.“ Besonders befremdlich habe sie aufgefasst, dass bei der Demonstration am 31. Januar die Montagsdemonstranten scharf und explizit gegen die Grünen geschossen hätten. Und: „Ich war richtig ergriffen, weil das so viele waren.“ Mehr als 30 Montagsdemonstranten hätten lediglich etwa 20 Gegendemonstranten gegenübergestanden.

Vergangenen Montag finden sich bereits mehr als 40 Gegendemonstranten am Rathaus ein, weitere rund 30 von ihnen begleiten bereits ab dem Sportplatz die Montagsdemonstranten, unter denen sich einige Teilnehmer mit AfD-Jacken sowie der AfD-Kreisvorsitzende Andreas Iloff befinden. Die Demonstranten schwenken Deutschland-Fahnen, einer von ihnen hält eine Wirmer-Fahne in der Hand, die häufig von Anhängern der Reichsbürger-Bewegung verwendet wird.

Beleidigungen in Twistringen – auf beiden Seiten

Beide Lager skandieren lautstark Parolen und Forderungen. Und tatsächlich: Ein Teilnehmer der Montagsdemonstranten ruft laut und mehrfach unwidersprochen: „Grüne an die Front!“ Doch auch die Gegendemonstranten halten sich nicht zurück, eine Teilnehmerin ruft laut: „Nazischweine!“

Sylvia Holste-Hagen betont, dass die Gegenseite die „deutlich schärfere Rhetorik“ verwenden würde. „Wir hingegen rufen ,Eierkuchen‘, wenn die ,Friede, Freiheit‘ singen“, sagt sie. Sie betont jedoch, nicht für alles, was die Gegendemonstranten rufen, verantwortlich zu sein, und befürwortet den friedlichen Protest. Auch Jens Bley sagt auf die Beleidigungen vonseiten der Gegendemonstranten angesprochen: „Das geht nicht.“ Er wünscht sich Distanzierungen von solchen Beleidigungen von beiden Seiten.

Um 19.30 Uhr begegnet der Zug den vor dem Rathaus Wartenden. Ab da sind die Gegendemonstranten in deutlicher Überzahl und begleiten die Montagsdemonstranten. Ob es im Anschluss während des Spaziergangs zu weiteren Beleidigungen ist, ist nicht bekannt.

Kommentar: Keine Kinder von Traurigkeit

„Wo kommt denn jetzt die Schärfe her“, mag sich jemand fragen, der die Montags- und die dazugehörigen Gegendemonstrationen in Twistringen verfolgt. Da werfen sich beide Seiten mittlerweile Beleidigungen an den Kopf, die von der eigenen Gruppe unwidersprochen durch Twistringen hallen. „Das geht so nicht“, sagt Bürgermeister Jens Bley und bemüht sich, die Stimme der Vernunft zu sein. Doch sein Aufruf ist offenbar nicht von allen gehört oder beachtet worden. Dabei hat er absolut recht.

Es scheint, als gehe es den Demonstranten auf beiden Seiten nicht mehr um die Sache, für die sie auf die Straße gehen. Ein Diskurs wird mit Argumenten geführt, nicht mit Diffamierungen. Zu Letzteren greift vor allem der, der keine Argumente mehr hat. Beide Seiten sollten sich wieder auf Inhalte beschränken und die Grenzen der Meinungsfreiheit respektieren. So geht zielgerichteter, vernünftiger Protest. Zuletzt allerdings haben beide Seiten vor allem eines gezeigt: Dass sie keine Kinder von Traurigkeit sind.

Von Fabian Pieper

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