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Erst zum Mond und dann zum Mars

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Von: Michael Walter

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Die drei Syker bei der Arbeit im Kennedy Space Center. Im Hintergrund das Servicemodul, das bemannt zum Mond fliegen wird. Marcel Petke (links) hält eines der Meteoritenschutzpaneele. Carsten Brenning (rechts) hat die Installationsprozedur in der Hand und macht die Qualitätsprüfung. „Und ich spiel’ den Chef“, sagt Rachid Amekrane (Mitte) mit einem Augenzwinkern.
Die drei Syker bei der Arbeit im Kennedy Space Center. Im Hintergrund das Servicemodul, das bemannt zum Mond fliegen wird. Marcel Petke (links) hält eines der Meteoritenschutzpaneele. Carsten Brenning (rechts) hat die Installationsprozedur in der Hand und macht die Qualitätsprüfung. „Und ich spiel’ den Chef“, sagt Rachid Amekrane (Mitte) mit einem Augenzwinkern. © NASA

Syke / Merrit Island – Nein: Dass die Nasa fest in Syker Hand wäre, kann man sicherlich nicht sagen. Aber immerhin: Drei Syker arbeiten im Kennedy Space Center in Florida hart daran, dass nach mehr als 50 Jahren Pause wieder Menschen zum Mond fliegen – und vielleicht eines nicht allzu fernen Tages von dort aus weiter zum Mars.

Für Rachid Amekrane, Carsten Brenning und Marcel Petke ist das Beruf, Berufung und Abenteuer zugleich. Artemis heißt das Programm der Nasa, das in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zum ersten Mal seit Apollo 17 – also seit 1972 – wieder Astronauten zum Mond bringen soll. Das Herzstück dafür ist das Raumschiff Orion. Nein, nicht das aus dem Fernseh-Klassiker von 1966, sondern das, was die Nasa und die europäische Weltraumagentur Esa gemeinsam bauen.

Das Servicemodul dafür mit 33 Raketenmotoren, neun Tonnen Treibstoff sowie Luft, Wasser, Strom und Wärme für die Astronauten, ist bei Airbus Defence and Space (ehemals Astrium) in Bremen hergestellt worden. Jetzt sorgen die drei Syker dafür, dass es von Florida zum Mond gelangt. Amekrane und Brenning für Airbus, und Petke für die Ariane-Gruppe.

„Dass wir jetzt mit drei Sykern hier sind, ist reiner Zufall“, sagt Rachid Amekrane. „Aber wir kennen uns alle schon seit Jahren. Die Ariane-Gruppe und Airbus waren ja lange Zeit eine Firma.“

Rachid Amekrane ist Ingenieur für Luft- und Raumfahrt bei Airbus und managt den Bau des Servicemoduls für das Nasa-Raumschiff Orion.
Rachid Amekrane ist Ingenieur für Luft- und Raumfahrt bei Airbus und managt den Bau des Servicemoduls für das Nasa-Raumschiff Orion. © Amekrane

Eigentlich hätten schon längst wieder Menschen zum Mond fliegen sollen. Aber USPräsident Obama hatte 2009 das Programm aus Kostengründen eingestellt. Sein Nachfolger Donald Trump hatte die Nasa angewiesen, ein neues Programm aufzulegen, und Präsident Biden hat sich kurz nach seiner Amtsübernahme zur Fortführung bekannt.

Im November 2022 hat eine Orion-Kapsel erfolgreich unbemannt den Mond umrundet und ist wieder zur Erde zurückgekehrt. 2024 soll die erste bemannte Mondumrundung erfolgen, die dritte Mission sieht dann die erste Mondlandung seit fünf Jahrzehnten vor. Erklärtes Ziel ist: Grundlagen schaffen für einen bemannten Flug zum Mars. Etwa durch den Bau einer Mondbasis, von der aus dann Raumschiffe starten. Durchaus vorteilhaft, wegen der deutlich niedrigeren Schwerkraft. Das internationale Projekt „Lunar Gateway“ hat schon begonnen.

„Das Servicemodul für die Orion-Kapsel hat die Nasa bei der Esa bestellt, und die Esa ist wiederum unser Auftraggeber“, sagt Rachid Amekrane. „Das ist das erste Mal, dass sich die Nasa bei so wichtigen Haupt-Elementen auf einen Partner aus dem Ausland verlässt.“ Und er ist durchaus stolz, dass er dabei mitwirken darf.

Das Kennedy Space Center ist quasi eine abgeriegelte Stadt für sich auf der nördlichen Spitze einer Insel. Der Zutritt zum Gelände ist eingeschränkt. In die Fertigungshallen dürfen nur registrierte Personen. In der gleichen Halle, in der die Syker am Servicemodul arbeiten, steht auch das Crewmodul, die eigentliche Raumkapsel. Dort dürfen aber auch die Syker nur in Begleitung hin. „Die Technologie muss geschützt werden“, sagt Rachid Amekrane. Trotzdem: „Die sind durchaus nett und es ist ein kollegiales Verhältnis“, betont Carsten Brenning. „Und wir gehen auch nach Feierabend mal zusammen essen.“

Marcel Petke ist Mechatroniker bei der Ariane-Group, die 2017 aus verschiedenen Vorgänger-Unternehmen hervorgegangen ist.
Marcel Petke ist Mechatroniker bei der Ariane-Group, die 2017 aus verschiedenen Vorgänger-Unternehmen hervorgegangen ist. © Petke

Nicht besonders oft, allerdings. Denn niemand ist zum Vergnügen im Kennedy Space Center. „Die Arbeitszeiten sind sehr unterschiedlich“, erklärt Marcel Petke. „Wir müssen da sehr flexibel sein. Es kann vorkommen, dass man eine Zeit lang im Dreischichtbetrieb arbeitet. Es kann aber auch sein, dass wir tageweise aussetzen müssen.“ Und es kann sein, dass abends um zehn noch ein Anruf kommt: Wir brauchen dich, komm sofort her!

Die nächste Stadt ist eine halbe Autostunde entfernt. Alle drei leben im Hotel. Es gibt nur wenig Freizeit und alles ist sehr geregelt. Rachid ist im Management und hat einen etwas anderen Arbeitsrhythmus als die beiden anderen. „Normal von 9 bis 19 Uhr“, sagt er. Carsten ist in der Qualitätssicherung und für die Vorbereitung des Abnahmetermins mit Testergebnissen und Protokollen beschäftigt. „Mit dem ganzen Papierkram“, sagt er. Und Marcel legt noch selber Hand an. „Die beiden anderen kucken nur, und ich darf’s anfassen“, sagt er lachend mit Blick auf das Raumschiff.

Alle drei sind quasi Dauerpendler zwischen Florida und Syke und erleben sozusagen alle paar Wochen einen erneuten Kulturschock. Dabei könne es auch schon mal vorkommen, dass man aufwacht und erst einen Moment überlegen muss, wo man jetzt eigentlich gerade ist.

Carsten Brenning ist Maschinenbauingenieur und hat mit der Qualitätskontrolle den meisten Papierkram.
Carsten Brenning © Brenning

„Die Arbeit hier macht enorme Laune“, sagt Rachid. „Ständig starten irgendwelche Raketen in den Weltraum, manchmal zwei am Tag. Es sind so viele, dass wir uns eine Tafel gemacht haben, um den Überblick nicht zu verlieren. Wir picken uns auch nur noch die wirklich interessanten Starts aus und schauen uns die vom Büro-Parkplatz an.“

Das Kennedy Space Center ist auch so etwas wie ein internationaler Treffpunkt. „Wer in der Raumfahrt arbeitet, kommt irgendwann mal hierher“, sagt Rachid und erzählt: „Ich treffe hier regelmäßig meinen Kommilitonen Hans Königsmann, der es bei SpaceX bis zum Vizepräsidenten geschafft hat. Ich habe sogar meinen Kameraden aus der Grundschule in Marokko hier wiedergetroffen. Guy Limouzin ist heute Präsident der Airbus OneWeb Satellites.“

Gerade war der 20. Jahrestag der Columbia-Katastrophe: Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre ist das Space Shuttle verglüht. Alle sieben Besatzungsmitglieder kamen dabei um Leben. Hat man so etwas im Kopf? – „Ja, immer“, sagt Carsten. Die Artefakte werden hier aufbewahrt. Wir haben eine Führung bekommen von dem Mann, der damals die Untersuchung geleitet hat. Das war sehr beeindruckend. Wir bauen hier ein Raumschiff, in dem Menschen sitzen und sich darauf verlassen, dass wir das Richtige tun.“

Rachid ergänzt: „Wir wissen alle, an welchem seidenen Faden der Erfolg hängt. Mit Artemis 2 werden das erste Mal Menschen befördert. Täglich fragen wir uns mindestens dreimal, ob wir alles richtig gemacht haben und lassen es dann auch von anderen nochmals prüfen, und testen alle Systeme durch.“

Mit dem Artemis-Projekt und dem Orion-Raumschiff hat für ihn ein neues Kapitel der bemannten Raumfahrt begonnen. „Wir sind noch ganz am Anfang, aber bald wird es regelmäßigen Verkehr zum Mond geben, und in ferner Zukunft auch bemenschte Flüge zum Mars – und Syke war dabei!“

Von Michael Walter

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