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Syke – Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss es eben umgekehrt gehen: Das hätte durchaus dieses Jahr das Motto für Carola Gähler und ihr Team vom Gleis 1 sein können. Weil ihre Weihnachtstube an Heiligabend coronabedingt geschlossen bleiben musste, sind die Mitarbeiter von Awo-Trialog selber losgefahren und haben den Weihnachtsmann gespielt.
Gut 60 Stammgäste der letzten Jahre haben auf diese Weise wenigstens einen Gruß und eine kleine Aufmerksamkeit zu den Feiertagen bekommen.
Im zwölften Jahr wäre die Begegnungsstätte im Syker Bahnhof jetzt Forum für die Aktion „Heiligabend nicht allein“ gewesen. Damals hatte Awo-Trialog die quasi von den Syker Kirchengemeinden geerbt. Die Weihnachtsstube im Gleis 1 war offener Treff für alle, denen Heiligabend zuhause die Decke auf den Kopf gefallen wäre.
„Spätestens seit November war uns klar, dass wir das dieses Jahr nicht schaffen würden“, erzählt Carola Gähler. „Wir hatten erst noch überlegt, ob wir eine Art Schichtbetrieb einführen könnten: 15 bis 20 Gäste rein für anderthalb Stunden, dann alle raus, den Raum desinfizieren und die nächsten 15 bis 20.“ Die Kontaktbeschränkungen mit dem Winter-Lockdown haben diese Gedankenspiele aber über den Haufen geworfen. Und Carola Gähler hatte somit ein Luxusproblem. Denn die Weihnachtsgeschenke waren größtenteils schon da.
„Praktisch alle unsere Spender aus den vergangenen Jahren hatten uns von ganz allein wieder auf dem Zettel“, sagt Gähler. „Das Telefon stand schon gar nicht mehr still.“ Ein Bremer Unternehmer etwa hat Pfefferkuchen gespendet, eine Firma aus der Region viel Bekleidung. „Ich hatte auch noch Spendengelder, sodass wir ein paar bunte Tüten packen konnten.“ Und die haben Carola Gähler und ihre Mitarbeiter dann ausgefahren und verteilt. Klingeln, Grüße aus der Weihnachtsstube ausrichten, und dann weiter zum nächsten.
„Wir konnten natürlich nicht alle erreichen. Wer zur Weihnachtsstube kommt, muss da ja nicht seine Adresse angeben“, erzählt Gähler. „Aber ich wohne selber in Syke und arbeite seit 18 Jahren in diesem Bereich. Da kenne ich viele über die Arbeit. Andere treffe ich ab und zu in der Stadt. Und dann weiß die eine wieder, wo der andere wohnt.“ Von gut 60 Stammbesuchern der Weihnachtsstube ließen sich so die Adressen ermitteln. Und die hätten sich ganz außerordentlich über diese unverhoffte Bescherung gefreut.
Die Überraschung ist Gählers Team damit gelungen. Am Kernproblem konnten sie damit nichts ändern: Heiligabend mussten die Leute trotzdem allein verbringen. „Das ist traurig, da es um Einsamkeit geht“, sagt Gähler. „Aber alles andere wäre doch absurd gewesen. Ich bin auch überall auf Verständnis gestoßen, dass dieses Jahr nichts stattfinden kann. Die Einsicht in diese Notwendigkeit ist groß.“
Von Michael Walter