„Erzählt uns die alten Geschichten“

Syke – Der Volksmund sagt: Man soll die Feste feiern wie sie fallen. Er sagt aber nicht, wie lange. Von daher machen die Stadt Syke und der Deutsch-Französische-Freundeskreis sicher nichts falsch, wenn sie vor dem großen Fest im Mai schon im März mal ein bisschen vorglühen.
Die Städtepartnerschaft zwischen Syke und La Chartre-sur-le-Loir wird in diesem Frühling 50 Jahre alt. Und weil ein halbes Jahrhundert etwas Besonderes ist, wollen sie das besonders groß feiern: die beiden Partnerstädte, der DFFK und sein französisches Pendant, das Partnerschaftskomitee aus La Chartre.
Das große Fest ist im Mai. Das Vorglühen beginnt beim DFFK schon im März: mit einer kleinen Reihe französischer Filme im Hansa Kino und einem musikalischen Schauspiel.
Der Auftakt dazu ist bereits am heutigen Dienstag, 7. März, mit „Ziemlich beste Freunde“ (Beginn: 20 Uhr). „Wir wollen bis zum Sommer jeden Monat einen Film zeigen“, sagt die DFFK-Vorsitzende Julia Schierenbeck. Am 4. April wäre das „Ein Triumph“, und am 2. Mai der Film, der Sophie Marceau auf einen Schlag berühmt gemacht hat: die Teenager-Komödie „La Boum“ von 1980.
Auch den VHS-Vortrag „Île de France – Zauberhafte Schlösser und Gärten rund um Paris“ am 21. März mit Klaus Kirmis in der Stadtbibliothek hat der DFFK als Kooperationspartner in seinen Veranstaltungskalender mit aufgenommen. Zuvor jedoch heißt es am 17. März „Toujours la Piaf“ im Konzertsaal der Kreissparkasse (Beginn: 18 Uhr). Ein Schauspiel mit Musik und eine „Liebeserklärung an den Spatz von Paris“, wie es der DFFK ankündigt.
Bevor Syke und La Charte-sur-le-Loir 1973 formell Partnerstädte wurden, war die inoffizielle Partnerschaft schon viele Jahre alt. Luise Chevalier hatte daran einen entscheidenden Anteil. Schon 1959 hatte sie zum ersten Mal eine Jugendgruppe der Kriegsgräberfürsorge als Übersetzerin begleitet. In Eigeninitiative hatte sie seitdem immer wieder Besuche in Frankreich und den Austausch zwischen Franzosen und Deutschen organisiert.
1974 erhielt sie für ihren Einsatz zur Aussöhnung mit Frankreich das Bundesverdienstkreuz, und auch aus Frankreich bekam sie dafür hohe Auszeichnungen. Zur Unterstützung der offiziellen Städtepartnerschaft gründete sie 1987 den Deutsch-Französischen Freundeskreis.
Freundschaftliche Kontakte zwischen Deutschen und Franzosen waren damals alles andere als selbstverständlich. Hermann Karnebogen – heute Kommunalreferent bei der Avacon – hatte als Teenager selbst in den 1970er-Jahren an Austauschbesuchen teilgenommen. „Ich war damals 15. Das war für mich wie eine andere Welt“, erinnert er sich und erzählt: Wie sich seine Gastgeberfamilie in Schale geworfen hatte. Von den Freunden, die er damals gefunden hat, und dass sich der Kontakt dann nach Jahrzehnten am Ende doch verflüchtigt hat. Von Fußballspielen und den gemeinsamen Feiern danach. Und von Ausflügen nach Paris, die als Höhepunkt im Reiseplan standen. Ihn und seine jugendlichen Freunde hat die Stadt selbst damals gar nicht interessiert. „Wir haben aber stundenlang im Café gesessen und einfach die Leute und die Atmosphäre auf uns wirken lassen.“ Aber er kann sich auch noch gut erinnern, wie den Sykern damals buchstäblich die eine oder andere Tür vor der Nase zugeschlagen worden ist. „Für mich war das damals eine prägende Erfahrung, dass Deutsche 30 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg nicht überall willkommen waren“, sagt er.
2019 war das letzte Mal eine Gruppe aus La Chartre in Syke zu Besuch. Danach war zwangsweise Sendepause: Corona legte den Austausch auf Eis. Vielleicht hat diese Zwangspause dem ganzen Partnerschaftsgedanken jetzt sogar einen neuen Schub gegeben. Auf jeden Fall ist das Interesse auf französischer Seite groß: Mit mehr als 60 Teilnehmern hat sich die Delegation aus La Chartre beim DFFK angekündigt.
Vom 18. bis 21. Mai kommt sie nach Syke. Die Tage sind mit einem dichten Programm gefüllt. Inklusive Exkursion nach Hamburg und Boules-Turnier in Syke. Zentraler Punkt ist der offizielle Festakt im Rathaus.
„Alle sind eingeladen“, betont Bürgermeisterin Suse Laue, und meint damit vor allem auch ehemalige Teilnehmer an Partnerschaftsaktionen. „Da sind Kontakte geknüpft worden, Freundschaften entstanden. Auch wenn sich mit der Zeit vieles vielleicht wieder verlaufen hat – es wäre schön, wenn sich der eine oder andere sagt: Vielleicht treffe ich da ja jemanden, den ich noch kenne?“
Auf solche Gesichter von früher setzt auch Julia Schierenbeck. „Die müssen ganz viele Erlebnisse gehabt haben, die nirgends festgehalten sind. Wir würden gerne diese alten Geschichten sammeln“, erklärt sie. „Die Feuerwehr war immer stark am Austausch beteiligt, und es gab früher auch mal einen Schüleraustausch. Da muss es noch ganz viele Anekdoten und Geschichten geben.“ Die DFFK-Vorsitzende appelliert: „Erzählt uns die!“
In welcher Form der DFFK diese Geschichten aufbereiten und veröffentlichen will, weiß Julia Schierenbeck selbst noch nicht so genau. Vielleicht als Buch? Vielleicht als Online-Sammlung? Auf jeden Fall: Sie sollen für die Nachwelt erhalten bleiben und nicht verloren gehen, wenn sie niemand mehr selbst erzählen kann.
Kontakt
www.dffk-syke.de
Von Michael Walter