Mit 300 PS auf Verbrecherjagd - Ein Tag bei der Autobahnpolizei

Die Kreiszeitung hat einen Tag lang eine Zivilstreife der Autobahnpolizei Ahlhorn auf der A 1 begleitet. Sie ist für etwa 150 Kilometer Strecke zuständig.
Landkreise Diepholz/Oldenburg – Führerschein, Fahrzeugschein, Ausweis: So beginnt jede Verkehrskontrolle der Autobahnpolizei. Die Kreiszeitung hatte Gelegenheit, den Kommissaren Daniela Seeger und Tobias Fenners einen Tag lang über die Schultern zu schauen. Dabei ging es im rund 300 PS starken Z-Fahrzeug (Zivilstreife) auf Verbrecherjagd.
Autobahnpolizei Ahlhorn: Rund 50 Beamte für etwa 150 Autobahnkilometer
Rund 50 Beamte zählt die Ahlhorner Dienststelle. Andreas Rehling ist ihr Leiter: „Das Ziel ist es, in zehn Minuten am Einsatzort zu sein.“ Rund um die Uhr sind mehrere Fahrzeuge zwischen Oldenburg, Bremer Landesgrenze, Stuhr und Ahlhorn auf A 1, A 28, A 29 sowie B 75 im Einsatz – auf rund 150 Autobahnkilometern.
Das Ziel ist es, in zehn Minuten am Einsatzort zu sein.
Das Kommissariat befindet sich in einem Jagdschloss und ist das wohl einzige in Deutschland mit einem Kamin. „Wir sind angehalten, häufiger zu heizen, wegen der hohen Energiekosten“, sagt ein Beamter.
Zu Beginn einer Schicht treffen sich die Autobahnpolizisten zu einer Dienstbesprechung. Wie lautet die Lagemeldung? Sind verdächtige Fahrzeuge unterwegs? Gibt es zusätzliche Hinweise? Als ich an diesem Morgen zur Dienststelle fahre, lauern Streifenwagen sichtbar an Autobahn-Zufahrten. Vorangegangen war eine Geldautomatensprengung. Sie halten Ausschau nach Verdächtigen – vergeblich.

Bevor die Streife beginnt, wird die Kindersicherung im Wagen ausgeschaltet. Der schwarze Audi ist höher motorisiert als die meisten Autos und mit Polizei-Ausstattung nachgerüstet wie einem Funkgerät und einem schwenkbaren Display mit der Leuchtschrift-Folge: „Polizei, Folgen, Police, Follow.“
Wer wird kontrolliert? Die Polizeibeamten setzen auf Erfahrung und Eindrücke, lehnen Rasterfahndung ab
Wen picken die Beamten heraus? „Vieles ist Bauchgefühl“, sagt Fenners, „Stimmt das Gesamtbild?“ Das Streifen-Team setzt auf Erfahrung und Eindrücke, nicht auf Rasterfahndung. In der Auswahl seien sie dabei „völlig frei“. Niemand werde bevorzugt, jeder könne kontrolliert werden. Racial Profiling (eine Kontrolle aufgrund ethnischer Merkmale wie Hautfarbe) gibt es nicht, betonen beide. Die Maßnahmen müssten aber effektiv sein. „Beobachten, Anhalten, Kontrollieren: Das alles kostet Zeit und die ist begrenzt“, sagt Seeger. Daher werde Oma Erna seltener herausgezogen.

Die Beamten müssen den schnellen Blick für Details haben. „Wir wollen wissen, wer auf unseren Straßen unterwegs ist“, sagt Fenners. Mal schwimmen wir im Verkehr mit, mal stehen wir neben der Straße. Während ich auf heranbrausende Autos schaue, beschleunigt Fenners aus einem Lauerposten an der A 1. Mit beachtlicher Beschleunigung und mehr als 200 km/h ist das Ziel im Handumdrehen eingeholt. Fenners setzt den Audi vor den Verfolgten und gibt sich als Polizei zu erkennen.

Die Beamten führen den schwarzen Opel Zafira zum nächsten Rastplatz. „Was wir auf gar keinen Fall wollen, auf der Autobahn stehen“, sagt Fenners. Das sei unnötig gefährlich. Die Beamten treten an den Opel. Einer sichert, einer befragt. Die fünf Insassen müssen sich ausweisen. Die Daten werden in einer Polizeidatenbank landes-, bundes- und schengenweit überprüft. Etwas stimmt nicht. Zwei Moldauer sind als Touristen in Deutschland, arbeiten als Maler. Verdacht der Schwarzarbeit. Der Wagen eskortiert die Gruppe zur nächstgelegenen Dienstelle nach Delmenhorst. Die Moldauer werden dort erkennungsdienstlich bearbeitet, die übrigen dürfen ihre Fahrt fortsetzen – zu einer Bremer Baustelle, die der Zoll später unter die Lupe nimmt.
Erkennungsdienst der Polizei hält auch Tattoos, Narben und Raucherstatus fest
Der Erkennungsdienst ist umfassend: Rundum-Fotos des Gesichts, Fingerabdrücke, Fotos aller Tattoos, Narben und Körpermerkmale, Raucherstatus und so weiter. Der Fall der Moldauer wird anschließend an die Ausländerbehörde des Landkreises Diepholz übergeben, dem Ort der Kontrolle. Voraussichtlich werden eine Ausreiseverfügung sowie eine Wiedereinreisesperre verhängt.

Kurzerhand lasse ich meine Daten prüfen: keine Einträge! „Das wär‘s ja“, sagt Fenners und lacht, „da hätten wir die Kindersicherung gleich wieder reingemacht“.
Zurück auf der Autobahn frage ich, wie die beiden die Gefahr ihrer Arbeit wahrnehmen. Am 31. Januar jährten sich die Todesschüsse mutmaßlicher Wilderer auf zwei Polizisten während einer Verkehrskontrolle in Rheinland-Pfalz. Auch damals waren die uniformierten Beamten in einem Zivilfahrzeug unterwegs. Betroffen hätten sie damals die Nachricht aufgenommen. Doch Fenners mahnt die Verhältnismäßigkeit an: „Wir können nicht mit gezogener Waffe auf jedes Auto zugehen.“ Täglich gebe es vielleicht 1000 Verkehrskontrollen in Deutschland, meist ohne Probleme. Die Gefahr sei höher, überfahren als erschossen zu werden.

Dennoch sei Vorsicht immer geboten, meint Seeger: „Wir können den Leuten nur vor den Kopf gucken, nicht in den Kopf.“ Nächster Halt. Der Kleinwagen einer jungen Frau steht auf dem Standstreifen der A 29. „Weißt du, wie viele Menschen ich auf der Autobahn gesehen habe, die an der Motorhaube rumgespielt haben und ihren Wagen wieder zum Laufen kriegten?“, fragt Fenners: „Null.“ Die Beamten sichern. Pannenfahrzeuge auf dem schmalen Standstreifen der A 29 ragten schnell mal auf die Hauptfahrspur, weshalb es schon zu schweren Unfällen kam.
Autobahnpolizei: Situationen können schnell und unvorhergesehen hitzig werden
Ein Kühltransporter fällt auf. Ein Asylbewerber aus der Türkei fährt damit Dönerspieße. Der Mann darf mit seinem türkischen Führerschein aber nur sechs Monate in Deutschland am Straßenverkehr teilnehmen. In dieser Zeit muss er den Schein umschreiben lassen. Das hat er nicht getan. Fenners untersagt die Weiterfahrt. Bei manchen ausländischen Führerscheinen geht das ohne Prüfung und Tests, andere werden erst nach dem Nachweis der fahrerischen Fertigkeiten umgeschrieben.

Auf dem Rückweg kommt uns eine schwarze Mercedes-Limousine mit verdunkelten Scheiben auf einer Landstraße entgegen. „Der!“, sagt Seeger. Fenners wendet, beschleunigt. Kontrolle. Seeger befragt den Fahrer, Fenners prüft das Fahrzeug. Abgasanlage Marke Eigenbau und unzulässige Felgen seien nachgerüstet. „Die halten das Gewicht des Wagens nicht. Änderungen am Fahrzeug müssen eingetragen sein“, so der Beamte, doch „der Quatsch“ sei nicht eintragefähig. Die Situation wird hitzig, als der Bruder des Kontrollierten auftaucht. Fenners klärt: „Soll ich jetzt auch meine Brüder holen?“ Der Unbeteiligte geht wieder. Der Fahrer nimmt die Aufforderung zur Mängelbeseitigung entgegen. Bis das erledigt ist, entziehen die Polizisten dem Mercedes die Betriebserlaubnis.

Zurück auf der Dienststelle folgt die Schreibarbeit auf jede polizeiliche Maßnahme. Seeger resümiert die Verkehrskontrollen: „Manchmal sind die Infos aus unseren Anhaltemeldungen später noch Gold wert: Reiserouten, wer mit wem ...“
Chronik eines Kontrolltags
7.18 Uhr: Lichttechnischer Defekt an einem Sprinter. Drei Männer auf dem Weg zu einer Baustelle in Bremen. Mündliche Verwarnung.
7.44 Uhr: Kontrolle eines ramponierten Lieferwagens.
8.06 Uhr: Mercedes A-Klasse mit mehreren Handwerkern auf dem Weg zur Arbeit.
8.21 Uhr: Fünf Insassen in einem Opel Zafira in Malerkleidung. Zwei Moldauer, die ohne Erlaubnis im Bundesgebiet arbeiten. Erkennungsdienstlich bearbeitet und an Ausländerbehörde übergeben.
12.20 Uhr: Liegenbleiber auf dem Standstreifen. Einem Seat Arosa fehlt Kühlflüssigkeit.
13.59 Uhr: Nicht angeschnallte Personen auf Rückbank eines Kleinwagens. Verwarngeld.
14.10 Uhr: Opel Zafira mit diversen Mängeln wie einer abgerosteten Auspuffanlage.
15.17 Uhr: Asylbewerber aus der Türkei fährt ohne gültigen Führerschein Dönerspieße. Weiterfahrt verwehrt.
15.43 Uhr: Polnischer Staatsbürger, der in Deutschland wohnt, fährt gewerbsmäßig Umzüge mit einem in Polen angemeldeten Lieferwagen.
16.16 Uhr: Schwarzer Mercedes-Limousine mit unerlaubten Anbauten wird die Betriebserlaubnis entzogen.