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Vater und Tochter wegen Subventionsbetrugs in Sulingen vor Gericht

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Von: Volker Rathmann

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Der Fall wurde jetzt vor dem Amtsgericht Sulingen verhandelt.
Der Fall wurde jetzt vor dem Amtsgericht Sulingen verhandelt. © Bartels

Sulingen – Zum wiederholten Mal musste sich das Amtsgericht Sulingen mit zu Unrecht in Anspruch genommener Corona-Soforthilfe befassen. Im aktuellen Fall sahen sich Vater und Tochter aus dem Sulinger Land mit dem Tatvorwurf des gemeinschaftlichen Subventionsbetruges konfrontiert.

Laut Anklageschrift wurde dem seinerzeit selbstständigen 58-jährigen Inhaber eines Pizza-Bringdienstes in der Region auf Antrag für die Monate April bis Juni 2020 insgesamt 9000 Euro an Corona-Soforthilfen bewilligt. Davon erhielt er 6 640 Euro zu Unrecht. Über die Investitions- und Förderbank Niedersachsen erfolgte die Überweisung auf das Konto seiner Ehefrau, wobei die 32-jährige mitangeklagte Tochter Kontovollmacht besitzt.

Aufgrund unplausibler Transaktionen auf dem Konto kam es zu einer Geldwäscheverdachtsanzeige seitens der Hausbank, die polizeiliche Ermittlungen ins Rollen brachte. Ein Ermittlungsbeamter führte als Zeuge aus, dass man sich zunächst die Geldtransfers auf dem Zielkonto angesehen und daraufhin einen Durchsuchungsbeschluss für das von der Familie der beiden Angeklagten bewohnte Gebäude erwirkt habe. Man habe festgestellt, dass dort offensichtlich seit Langem kein Geschäftsbetrieb mehr stattfand.

Über vorgefundene Unterlagen sei nachvollziehbar, dass der 2018 eröffnete Pizza-Bringdienst nie lukrativ war und sich vor der Schließung im April 2020 defizitär darstellte. Zudem stellte sich heraus, dass die Angeklagte als Eigentümerin der Immobilie die Geschäftsräumlichkeiten an ihren Vater sowie den Wohnungsbereich an ihre Mutter vermietet hatte. Die 32-Jährige gab in ihrer Vernehmung durch die Vorsitzende Richterin an, dass sie zwar auswärts studiere, sich aber um die Buchführung ihres Vaters sowie alle anderen schriftlichen Dinge kümmere. Sie sei gebeten worden, die finanziellen Hilfen online zu beantragen.

In einem korrigierten Zweitantrag habe sie dann die monatlichen Höchstsätze an Hilfen, nämlich je 3000 Euro, angegeben – unwissentlich habe sie neben den Betriebskosten auch die Lebenshaltungskosten der ganzen Familie einbezogen. Sie sei davon ausgegangen, dass der eingereichte Antrag auf Richtigkeit geprüft und nur der zustehende Geldbetrag ausgezahlt werde.

Der 58-Jährige mit syrischen Wurzeln trug nur insofern zur Wahrheitsfindung bei, als er erklärte, seine Tochter um Bearbeitung des Antrages gebeten zu haben. Er könne sich auf Deutsch verständigen, jedoch keine Texte lesen oder schreiben.

In ihrem Schlussplädoyer sprach die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Verden von einer erwiesenen Straftat, aber auch von ausgesprochen dreistem Verhalten. Ziel der Corona-Hilfen sei gewesen, unverschuldet in Not geratenen Betrieben unbürokratisch, ohne zeitaufwendige Überprüfungen, zu helfen. Dem Angeklagten hätten 2360 Euro Erstattung für seine Betriebsausgaben zugestanden – nicht die aufgrund wahrheitswidriger Angaben erhaltenen 9000 Euro. Im Gegensatz zu ihrem Vater zeige die Tochter aufrichtige Reue.

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Eine strafmildernde „leichtfertige Handlung“ vermochte die Staatsanwältin jedoch nicht zu erkennen und beantragte für die bislang nicht vorbestraften Angeklagten die Verhängung von empfindlichen Geldstrafen: 60 Tagessätze zu 45 Euro (2 700 Euro) für die 32-Jährige, 90 Tagessätze zu zehn Euro (900 Euro) für den 58-jährigen Initiator des Tatgeschehens. Der Verteidiger sprach sich für ein weitaus geringeres Strafmaß aus, da aus seiner Sicht nicht vorsätzlich betrogen werden sollte, daher von Fahrlässigkeit ausgegangen werden müsse.

Das Gericht verurteilte beide Angeklagten zu dem von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafmaß. Zudem unterliegt der widerrechtlich erzielte Tatertrag in Höhe von 6 640 Euro der Einziehung, ist daher gesamtschuldnerisch zu erstatten. In ihrer Urteilsbegründung führte die Richterin aus, dass sie sehr wohl Verständnis für die familiäre Situation der Tochter habe. Diese sei mit dem Onlineantrag gegebenenfalls überfordert gewesen – hätte sich dann aber fachkundige Hilfe holen müssen. Deutlich kritischer bewertete das Gericht das Verhalten des 58-Jährigen. Dieser lebe seit mehr als 30 Jahren in Deutschland, sei auch deutscher Staatsbürger, habe aber offenbar wenig für seine Entwicklung in Deutschland getan. In der Verhandlung habe er jedenfalls seine Tochter als Verantwortliche vorgeschoben und für sich selber allgemeine Unkenntnis reklamiert.

Was hat es mit den Tagessätzen auf sich?

Soweit das Gericht im Strafrecht Geldstrafen verhängt, werden die in Tagessätzen angegeben. Die Anzahl der Tagessätze hängt von der individuellen Schuld des Angeklagten ab, also der Dimension seines Fehlverhaltens. Die Strafzumessung variiert zwischen mindestens fünf und höchstens 360 Tagessätzen. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang einer Verurteilung zu mehr als 90 Tagessätzen zu: Diese wird im Führungszeugnis vermerkt und als Vorstrafe bezeichnet. Hingegen gilt man bei einer Erstverurteilung bis zu 90 Tagessätzen als nicht vorbestraft – das Führungszeugnis bleibt also „sauber“. Die Höhe des Tagessatzes richtet sich nach den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten. Im Grundsatz sollte ein Tagessatz dem Tageseinkommen entsprechen, also dem monatlichen Nettoverdienst geteilt durch 30. Der niedrigste Tagessatz liegt bei einem Euro – er kann allerdings auch bis zu 30 000 Euro betragen. Je höher das Einkommen, desto höher auch der Tagessatz.

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