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Sulinger verschickt Nazi-Sticker: Anklage wegen Volksverhetzung

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Von: Volker Rathmann

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Schild am Eingang zum Amtsgericht Sulingen
Verhandelt wurde der Fall am Amtsgericht Sulingen. © Bartels

Sulingen – Die Erfahrung, dass ein unüberlegter Klick auf dem Smartphone strafrechtliche Konsequenzen haben kann, machte ein 21-jähriger Sulinger. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Verden hatte er sich des Tatbestandes der Volksverhetzung schuldig gemacht. Die juristische Aufarbeitung erfolgte in einem Prozess vor dem Amtsgericht Sulingen.

Der Sulinger geriet in den Fokus der Polizei, weil er im März 2020 mit seinem Smartphone in einer mehrere Personen umfassenden Chatgruppe beim Messenger-Dienst Whatsapp eine strafrechtlich relevante Bilddatei, einen sogenannten Sticker, versendet hatte. Neben einer Darstellung von Adolf Hitler und einem qualmenden Schornstein befand sich darauf ein zweifelsfrei antisemitischer und zutiefst menschenverachtender Kurztext.

In seiner Vernehmung durch die Vorsitzende Richterin, welche die Darstellung als strafbar, völlig geschmacklos und widerwärtig bezeichnete, bekannte sich der Angeklagte umfänglich zum erhobenen Tatvorwurf. Er habe den Sticker in die Chatgruppe gestellt, ohne über etwaige Folgen nachgedacht zu haben. Ein strafrechtliches Fehlverhalten sei ihm dabei ohnehin nicht in den Sinn gekommen.

Eine Fürsprecherin hatte er in der hinzugezogenen Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe: Der junge Mann lebe in stabilen familiären Verhältnissen noch bei seinen Eltern, absolviere eine Ausbildung im dritten Lehrjahr und verfüge über altersentsprechende soziale Kontakte. Er stehe absolut normal im Leben. Sie regte an, das Jugendstrafrecht anzuwenden und nach Möglichkeit eine Einstellung des Verfahrens in Betracht zu ziehen.

Nach eingehender Beratung von Richterin und Vertreter der Staatsanwaltschaft stellte das Gericht das Verfahren ein. In ihrer Begründung führte die Richterin aus, dass die Anwendung des Jugendstrafrechts zum Tragen gekommen sei. Hier gelte der Grundsatz einer Erziehung zu künftig straffreiem Leben vor einer möglichen Bestrafung. Man gehe davon aus, dass der verhandelte Sachverhalt eine einmalige Verfehlung des Angeklagten sei und dieser durch die Gerichtsverhandlung hinreichend beeindruckt sei. Im Erwachsenenstrafrecht hätte man über eine Freiheitsstrafe nachdenken müssen.

Was ist strafbar bei Whatsapp und Co.?

Justizbehörden und Polizei berichten von „massenhaften“ Ermittlungsverfahren durch – teilweise unbewusst – begangene Straftaten in Zusammenhang mit Messenger-Gruppen wie beispielsweise Whatsapp. Nicht selten kommen diese Verfahren dadurch ins Rollen, dass die Polizei in gänzlich anderen Deliktsbereichen, beispielsweise Drogenkriminalität, Smartphones beschlagnahmt, diese auswerten lässt und quasi als Zufallsprodukt auf strafbare Inhalte stößt. Es geht hierbei in erster Linie um das Verbreiten von gewaltverherrlichendem, verfassungsfeindlichem oder kinderpornografischem Material wie Bilder (Sticker) oder Filme/Videos, indem man solche selber erhaltenen „Mitteilungen“ an andere weiterleitet. Gewaltverherrlichende Darstellungen sind beispielsweise Kurzvideos, die das grausame Töten von Menschen zeigen. Als verfassungsfeindlich bezeichnet man unter anderem Parolen, Grußformen und Symbole (Hakenkreuze, SS-Runen etc.) von Organisationen der NS-Zeit, aber auch das Verächtlichmachen bestimmter Personengruppen oder die Leugnung des Holocausts. Im Bereich der Kinderpornografie kommt verschärfend hinzu, dass allein schon der Besitz solcher Darstellungen unter Strafe gestellt ist und der Strafrahmen bei einem Jahr Freiheitsstrafe beginnt. Durch das, wenn auch oft gedankenlose, Weiterleiten macht man sich strafbar! Man sollte den Absender solcher Zusendungen gezielt darauf ansprechen, dass solches Material nicht gewünscht ist, diesen gegebenenfalls blockieren und das Material löschen. Die Nachricht keinesfalls selber weiterleiten, da sonst der Tatbestand des Verbreitens vollendet ist. Beim Erhalt von kinderpornografischem Material wäre zusätzlich die Erstattung einer Strafanzeige in Erwägung zu ziehen.

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