Mitgliederverlust zwingt Sulinger Chöre zur Auflösung

Sulingen – „Es geht uns sehr schlecht“, beschreibt Dörte Uhlhorn, Vorsitzende des Gemischten Chores Sulingen von 1947, den aktuellen Gemütszustand im Verein. Der Mitgliederrückgang sei schon seit Jahren ein schleichender Prozess, man sei „aber immer noch singfähig geblieben“, beschreibt Uhlhorn die Entwicklungen. Doch der negative Trend, der durch den Verlust weiterer Mitglieder während der Corona-Pandemie noch weiter verstärkt wurde, scheint jetzt bald ein drastisches Ende zu finden: Der Gemischte Chor Sulingen steht nach 76 Jahren vor der Auflösung.
Noch im Juli letzten Jahres hatte der Verein einen Aufruf gestartet, um neue Mitglieder zu gewinnen. Dieser habe nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Lediglich eine ältere Dame habe sich gemeldet, sei aber auch nicht zu den Chorproben gekommen, berichtet Uhlhorn im Gespräch mit der Mediengruppe Kreiszeitung. Aktuell habe der Gemischte Chor Sulingen nur noch 16 Aktive. „Vorher waren es mal um die 40“, blickt Uhlhorn auf die Zeit zurück, als die Gesangsgruppe noch regelmäßig zu Konzerten eingeladen hat.
Dies sei heute nicht mehr möglich. „Ein Konzert muss auch klingen. Das können wir heute so gar nicht mehr leisten“, analysiert die Vorsitzenden schonungslos die aktuelle Situation. Von den vier Stimmen – den Frauenstimmen Sopran und Alt sowie den Männerstimmen Tenor und Bass – habe man schon vor längerer Zeit auf drei umstellen müssen, um die Singfähigkeit aufrechtzuerhalten. Man habe nicht mehr ausreichend männliche Mitglieder im Chor, um beide Stimmen zu besetzen. Ganz zu Schweigen von der Ausrichtung eines eigenen Konzertes. „Früher haben wir für Konzerte geübt, ein Ziel vor Augen gehabt. Diese Motivation fehlt heute einfach vielen.“ Andere hingegen würden gerne nur noch proben und sowieso keine Konzerte mehr geben wollen. Man sei sich auch intern über die generelle Ausrichtung nicht mehr einig.
Die Gründe für den Mitgliederrückgang seien vielfältig. Einen sieht die Vorsitzende in der Pandemie: „Corona hat definitiv viel kaputt gemacht“, sagt Uhlhorn. Die Leute hätten gemerkt, dass es auch ohne die wöchentlichen Singtreffen geht. Hier gesteht sie aber auch eigene Fehler ein: „Wir sind nicht mit der Zeit gegangen, haben uns vielleicht auch nicht genug gekümmert.“ Dies betreffe zum Beispiel fehlende digitale Singangebote während der Pandemie sowie das Fehlen eines Internet- oder Social-Media-Auftritts des Chores. Hinzu komme ein weiterer Aspekt: „Wir haben halt keinen Nachwuchs, egal ob Frauen oder Männer“, stellt Uhlhorn ganz offen fest. Dies sei auch der Hauptgrund für den hohen Altersdurchschnitt des Chores, wodurch auch gesundheitlich bedingte Absagen immer häufiger werden.
Um weiterhin ein gemischter Chor zu bleiben, fehlt speziell männliche Verstärkung. „Ich kann nicht singen“, sei immer wieder die Begründung für Absagen einiger potenzieller Kandidaten in der Vergangenheit gewesen. Daher sei die Tendenz klar: „Wir wollen kein reiner Frauenchor werden. Es wird auf eine Auflösung hinauslaufen“, blickt Uhlhorn voraus. Auf einer Vorstandssitzung nächste Woche sollen aber noch einmal alle Optionen durchgesprochen werden. Im Rahmen der Jahreshauptversammlung solle dann über das Fortbestehen des Vereins entschieden werden. Ein Austritt aus dem Chorverband Niedersachsen-Bremen sei wahrscheinlich. Ebenso die Vereinsauflösung. Dörte Uhlhorn: „Das ist zwar schade, aber wir können uns eben keine neuen Mitglieder backen.“
Diesen Schritt hat der ehemalige Frauenchor Sulingen bereits vollzogen. Zum Ende des vergangenen Jahres habe sich der Verein, der seit 1919 bestand, aufgelöst. Das sei „sehr bedauerlich“, meint Gaby Gaumann, ehemalige Vorsitzende, aber auch hier bestanden die beschriebenen Probleme und ließen keine andere Entscheidung zu. Bereits im Jahr 2016 hatte sich der Männergesangverein Sulingen aufgelöst.
Aktiv ist und bleibt der Chor „Sonett“. Mit aktuell rund 22 Aktiven treffe man sich jeden Montag im Gasthaus Husmann in Groß Lessen, berichtet die Vorsitzende Corinna Schwarze auf Anfrage der Redaktion. Auch wenn die Teilnehmenden natürlich älter als bei der Gründung vor über zehn Jahren sind, sei die Altersstruktur „noch okay“. Man habe durch Corona keine aktiven Mitglieder verloren und plane auch in Zukunft mit Konzerten, sagt Schwarze.
Zum gemeinschaftlichen „Rudelsingen“, wie Dörte Uhlhorn es nennt, treffen sich sowohl der Gemischte Chor (alle vier Wochen) als auch der ehemalige Frauenchor (alle 14 Tage) noch in der Alten Bürgermeisterei in Sulingen.