Mehr als nur neue Farbe im Stellwerk Sulingen Nord

Das AEBB will die Anlage am Sulinger Bahnhof Besuchern zugänglich machen.
Sulingen – Der 100. Geburtstag des Stellwerks Nord in Sulingen verstrich ohne eine Feier – aus unterschiedlichen Gründen. Dass es hier aber dennoch in absehbarer Zeit etwas zu feiern gibt, daran arbeiten die freiwilligen Helfer des Aktionsbündnisses Eisenbahnstrecke Bassum-Bünde (AEBB).
Bis 2009 war das 1921 errichtete Gebäude in Betrieb, dann wurde es außer Dienst gestellt und verfiel. Das AEBB habe 2015 begonnen mit dem Aufräumen am und im Gebäude, berichtet Vorstandsmitglied Georg Esenwein. Ganze Schuttberge habe man aus dem Obergeschoss beseitigt, weil Unbekannte Steine aus dem Gleisbett in die Fensterscheiben geworfen hätten. Die Wurfgeschosse hätten auch viele der Anlagen im Inneren beschädigt. Neben dem Beseitigen des Unrats habe man alles gesichert, was an Zeugnissen für den Bahnbetrieb noch vorhanden war.

Nachdem die Aufräumarbeiten innen und außen vollbracht waren, schloss das AEBB 2017 einen Nutzungsvertrag mit der Stadt Sulingen, inzwischen Eigentümerin des Geländes. Das Wiederherstellen der technischen Anlagen nahmen die Helfer dann 2019 in Angriff, wobei mit Andreas Rochner und Heinz Möllenkamp ein aktiver und ein ehemaliger „Eisenbahner“ mitwirken, während Andreas Klaneer sein Fachwissen als Elektriker einbringt.
Man habe innen mit der Renovierung begonnen, die Wände verspachtelt und gestrichen, dazu die Hebelbank mit den Weichen- und Signalhebeln gestrichen und wieder gangbar gemacht – auch wenn sie nicht mehr über Seilzüge mit den Weichen und Signalen verbunden ist. Inzwischen habe das Gebäude auch wieder einen offiziellen Stromanschluss, weswegen man die Elektrik im Inneren auf den neuesten Stand habe bringen können. „Allerdings mussten wir dafür die Wände wieder aufmachen“, verrät Andreas Rochner. Sichtbar ist die Stromversorgung aber auch aus der Entfernung, denn die Außenbeleuchtung funktioniert nun größtenteils wieder.

An den Wänden finden sich wieder Zeugnisse des betrieblichen Alltags, etwa Schilder, mit denen das Stellwerkpersonal den Lokomotivführern per Hand Fahranweisungen übermitteln konnte, aber auch Schlüsselbretter und Wandhalterungen für Werkzeug. „Wir wollen die Bahngeschichte erhalten“, erläutert Andreas Rochner, und den Bestand ergänze man durch Fundstücke, die man beispielsweise bei E-Bay erwerben könne.
Ungeplant waren dagegen Investitionen in die Sicherheit der Anlage: Nachdem im März gleich mehrfach die Polizei vor Ort war, aufgrund von Einbrüchen und Vandalismus, haben die Helfer nun eine Videoüberwachung installiert.
Signaltechnik wieder in Betrieb nehmen
Die Arbeiten am Stellwerk sind aber noch längst nicht abgeschlossen: „Wir wollen die alte mechanische Signaltechnik wieder in Betrieb nehmen“, kündigt Andreas Rochner an. Dazu müssten Rangierwege, Fahrwege und Fahrstraßen wieder gelegt werden. „Die Idee dahinter ist: Wenn jemand hier drinnen einen Hebel bedient, soll er draußen eine Reaktion sehen können.“ Dafür müsse eine Weiche, eine Gleissperre oder ein Signal wieder angeschlossen werden. Von der Deutschen Bahn habe man bereits, als Dauerleihgabe, ein Hauptsignal, ein Vorsignal und ein Schutzsignal erhalten.
Im Sommer sei man möglicherweise innen mit den Arbeiten fertig, dann könne das Gebäude außen gestrichen werden. Für die Signalverbindung seien Baggerarbeiten nötig, die wahrscheinlich erst im kommenden Jahr durchgeführt werden können, schätzt Andreas Rochner. Ebenfalls auf der Liste der nötigen Maßnahmen steht die Erneuerung des Dachstuhls, aber vorher müsse die Finanzierung gesichert werden. Langfristig könne man eventuell auch daran arbeiten, die benachbarte Gleiswaage wieder „vorzeigbar“ zu machen, ergänzt Georg Esenwein.
Reaktivierung der Bahnstrecke bleibt Hauptziel
Unabhängig davon arbeitet das AEBB daran, gemeinsam mit der Nabu-Ortsgruppe Sulingen, am Stellwerk eine Wildblumenwiese anzulegen – und auch das vor einem historischen Hintergrund, denn: „Früher hatte der Eisenbahner, der hier oben saß, nebendran seinen Schrebergarten“, weiß Andreas Rochner.
Hintergrund aller Maßnahmen ist, die Technik der interessierten Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, denn „deutschlandweit arbeiten noch einige Hundert Stellwerke mit dieser Technik“, weiß Andreas Rochner. Ein tatsächliches Museum werde nicht daraus, weil der Raum mit der Hebelbank nur über eine steile Außentreppe zu erreichen ist und es keine Toiletten gibt. Gerne führe man aber später Besucher nach Anmeldung durch die Anlage. Das gelte auch nach einer möglichen Reaktivierung der Bahnstrecke – „das bleibt unser erstes Ziel“, betont Georg Esenwein.