Das Sulinger Kreuz ist Thema im Niedersächsischen Landtag

Sulingen soll wieder eine Eisenbahn-Stadt werden. Das zumindest wünschen sich viele, die sich dadurch eine Stärkung des Nahverkehrs erhoffen. Nun stand dieses Thema im Landtag auf dem Programm.
Sulingen – Dass der Name Sulingen in einer Sitzung des Niedersächsischen Landtags fällt, ist selten, aber noch ungewöhnlicher ist, wenn das gleich mehrfach geschieht, wie es in der zehnten Sitzung des Landtags am 23. Februar der Fall war. Der Grund: Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen brachten einen Antrag zum Start eines neuen Reaktivierungsprogramms stillgelegter Bahnstrecken ein.
Die Sulestadt nannte Stephan Christ (Grüne) bei der Begründung des Antrags als ein Beispiel für ein Mittelzentrum im Land, das keine Bahnanbindung an ein Oberzentrum hat. Die Anbindung dieser Mittelzentren sowie touristisch relevanter Regionen sind aber ausdrücklich im Antrag als Ziel des zu beschließenden Programms genannt.
Reaktivierung der Bahnstrecke nach Sulingen bereits seit Langem ein Thema
Schon 2013 hatte die damalige rot-grüne Landesregierung ein Reaktivierungsprogramm gestartet. Seinerzeit zählten die vier Strecken des Sulinger Kreuzes, die Verbindungen Sulingen-Diepholz, Sulingen-Nienburg, Bassum-Sulingen und Sulingen-Rahden, zu den 74 Strecken, die von Kommunen und Interessenvertretungen zur Reaktivierung vorgeschlagen worden waren; allerdings überstanden diese nicht die erste Runde des Verfahrens.
Das Programm sei jedoch ein Erfolg gewesen, sagte Christ im Landtag: „Dort, wo Strecken reaktiviert wurden, haben sie die Erwartungen übertroffen.“ Die Zeiten für eine Reaktivierung seien so gut wie nie zuvor, denn aufgrund der Neufassung der sogenannten Standardisierten Bewertung hätten sich die Möglichkeiten zur Reaktivierung deutlich verbessert. Das Sulinger Kreuz zähle zu den Bereichen mit dem Potenzial, eine ganze Region an den Bahnverkehr anzuschließen.
Besagte Standardisierte Bewertung ist ein Verfahren zur Kosten-Nutzen-Analyse von Vorhaben des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Lag bisher der Schwerpunkt auf der reinen Wirtschaftlichkeit einer reaktivierten Strecke, wurden im vergangenen Jahr mit der Überarbeitung durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr auch Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Daseinsvorsorge mit aufgenommen in den Katalog der Kriterien.
VDV-Empfehlung zur Bahn-Reaktivierung im Sommer 2020
Schon im Sommer 2020 hatte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die Verbindung zwischen Bassum und Rahden aufgenommen in seine Empfehlungen für eine Reaktivierung (wir berichteten). Eine vom Aktionsbündnis Eisenbahnstrecke Bassum-Bünde (AEBB) und der Stadt Rahden in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie kam im vergangenen Jahr zum Ergebnis, dass eine Reaktivierung volkswirtschaftlich sinnvoll ist.
So weit ist es aber noch nicht – der Antrag wurde im Landtag zur weiteren Bearbeitung an den Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung überwiesen, und als erster Schritt soll laut Antrag ein Lenkungskreis eingesetzt werden, der neben Mitgliedern des Landtags auch Fachleute aus verschiedenen Bereichen umfasst.
Wie beurteilen die Landtagsabgeordneten die Aussichten auf eine Reaktivierung?
Hat das Sulinger Kreuz eine realistische Aussicht auf Reaktivierung? Und welche Hürden gibt es dabei? Um Antworten auf diese Fragen haben wir neben dem Landtagsabgeordneten Marcel Scharrelmann (CDU) als Vertreter der Regierungskoalition Dennis True (SPD) und Tanja Meyer (Bündnis 90 / Die Grünen) gebeten; beide betreuen als Paten für ihre Fraktion den Wahlkreis 41 (Diepholz).
Dennis True schreibt zu den Aussichten auf Reaktivierung: „Die Bahnstrecke zwischen Bassum und Rahden kann eine gute Möglichkeit sein, im Sinne der notwendigen Wende im Verkehrssektor, einen Beitrag zu leisten, den Verkehr zwischen den an der Strecke liegenden Mittelzentren teilweise auf die Schiene zu verlagern. Nicht außer Acht zu lassen ist hierbei auch die Verbindung von Bassum weiter nach Bremen, daher halte ich die Reaktivierung für realistisch, es muss allerdings das Ergebnis der Prüfung im Rahmen des Reaktivierungsprogrammes abgewartet werden.“
Und Tanja Meyer schreibt: „Gerade abseits der Ballungszentren in Niedersachsen kommt es darauf an, die Bahn als Mobilitätsalternative attraktiver zu machen; dazu zählt auch die Verbindung zwischen Bassum und Rahden, weswegen ich mich mit meinen Kolleg*innen aus dem Verkehrsbereich für eine Reaktivierung stark mache. Aufgrund der positiven Bewertungen, unter anderem des VDV, sehe ich perspektivisch dafür gute Chancen.“
Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung ist der heimische Landtagsabgeordnete Marcel Scharrelmann. Er schreibt: „Das Sulinger Kreuz und insbesondere die Bahnstrecke Bassum – Bünde habe ich in der Landtagsdebatte aktiv zur Sprache gebracht, und meine CDU-Fraktion unterstützt den vorliegenden Antrag grundsätzlich: Nach der Machbarkeitsstudie des AEBB sollte nun auch eine Standardisierte Bewertung folgen, damit wir mehr Gewissheit bekommen, wie realistisch die Chancen für eine Reaktivierung auch auf Basis des nun geltenden Bewertungsrahmens ist; die Einbeziehung des Klimaschutzes und des Fahrgastnutzens in die Bewertungskriterien kann sich positiv auf die Beurteilung der Strecke Bassum- Bunde auswirken.“
Zu konkreten Hürden äußern sich die Parlamentarier zurückhaltend. True: „Es geht im ersten Schritt darum, nun mit dem Reaktivierungsprogramm eine landesweite Konzeption durch den beantragten Lenkungskreis zu erarbeiten. Wir müssen uns also noch etwas in Geduld üben, bis wir belastbare Aussagen treffen können, ich würde mich aber ganz persönlich sehr freuen, wenn wir die Reaktivierung der Strecke hinbekommen würden und auch, wenn die bestehende Machbarkeitsstudie dabei weiter Verwendung finden könnte.“
Meyer: „Von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche Reaktivierung ist sicherlich der Ausgang der Standardisierten Bewertung, also der volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Untersuchung: Dazu zählt unter anderem der Zustand der Infrastruktur (Haltepunkte/Bahnhöfe sowie Gleise/Untergrund) und die prognostizierten Fahrgastzahlen. Vom Ausgang der Bewertung hängt letztlich auch die Fördermöglichkeit von Investitionen in die Strecke ab.
Scharrelmann: „Die Standardisierte Bewertung deckt nur den Kosten-Nutzen-Faktor für den Personennahverkehr ab, nicht aber den Güterverkehr, aber gerade für die Strecke Bassum-Bünde ist dieses sehr schade, weil diese Verbindung auch eine große Wichtigkeit als Nebenstrecke für die Anbindung der Seehäfen bekommen könnte. Das ist sicherlich eine große Hürde, wenn man nach den geltenden Kriterien diese Bahnstrecke mit reaktivierbaren Bahnlinien in bevölkerungsstärkeren Regionen vergleicht, und hierauf werde ich in den aktuell laufenden Ausschussberatungen hinweisen.“