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Neue Chancen für das Sulinger Kreuz

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Von: Harald Bartels

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Fünf Männer stehen vor einem Gebäude.
Den Bahnkongress in Rahden zu einer möglichen Reaktivierung der Bahnstrecke Bassum-Rahden gestalteten (von links) Detlev Block (AEBB), Prof. Axel Priebs (Uni Kiel), Prof. Volker Stölting (TH Köln), Andreas Hollberg (AEBB), Manuel Kapetschny (AEBB) und Rahdens Bürgermeister Dr. Bert Honsel. © AEBB

Experten empfehlen den nächsten Schritt für eine Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Bassum und Rahden.

Sulingen / Rahden – Der Wunsch, den Bahnhof in Sulingen wieder zu einem regelmäßigen Haltepunkt für Züge zu machen, besteht schon lange, aber wie realistisch ist er? Eine erste Antwort auf diese Frage gibt eine Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Bassum und Rahden, deren Ergebnisse nun vorgestellt wurden.

Den Rahmen dafür bot ein Bahnkongress in Rahden, zu dem die Stadt und das Aktionsbündnis Eisenbahnstrecke Bassum-Bünde (AEBB), die beiden Auftraggeber der Studie, eingeladen hatten. Erstellt wurde sie vom Verkehrsplaner Prof. Dr. Volker Stölting vom Institut für Baustoffe, Geotechnik, Verkehr und Wasser (IBGVW) der Technischen Hochschule (TH) Köln in Zusammenarbeit mit den Studierenden Julia Tarnowsky und Alexander Kraut.

Kürzere Fahrtzeiten als mit dem eigenen Auto

Im Mittelpunkt der Untersuchung stand das Verhältnis von Kosten und Nutzen einer Reaktivierung der Bahnverbindung zwischen Bassum und Rahden. Für diese knapp 56 Kilometer lange Strecke rechnet Stölting mit Kosten für die Wiederherstellung der Infrastruktur – inklusive Haltepunkten und Bahnübergängen – von mehr als 53 Millionen Euro. Aus Abschreibung und Verzinsung sowie dem Unterhalt der Anlagen kämen pro Jahr rund 4,1 Millionen Euro hinzu. Für eine vollständige Elektrifizierung der Strecke sei darüber hinaus mit etwa einer Millionen Euro je Kilometer zu rechnen, aber die sei nicht unbedingt nötig: Moderne „Akkuzüge“ für den Personenverkehr könnten ihre Energie auf Abschnitten ohne Oberleitung aus den Akkus beziehen, diese auf den übrigen Abschnitten wieder aufladen.

Im Vergleich zu den bisherigen Fahrtzeiten per Bus oder eigenem Pkw ließen sich Ziele deutlich schneller erreichen. So sinke die Reisezeit zwischen Sulingen und Bielefeld um mehr als eine Stunde, und nach Bremen seien dann knapp 20 Minuten weniger einzuplanen. Auch für viele überregionale Bahnverbindungen verringere sich die Reisezeit durch die Abkürzung über Sulingen.

Auch Verbindung zwischen Diepholz und Nienburg im Blick

Die Auslastung dieser Verbindung nimmt Stölting an mit durchschnittlich 420 bis 850 Fahrgästen pro Tag inklusive des Schülerverkehrs, wobei angesichts der Verflechtungen des Landkreises Diepholz in Richtung Bremen, Delmenhorst und Oldenburg ein Anstieg auf bis zu 1 000 Fahrgäste anzunehmen sei. Das Reaktivieren der Strecke würde sich zudem auch nach Norden in Richtung Bremerhaven und nach Süden auf die Bereiche Bielefeld, Gütersloh, Herford und Paderborn auswirken. Zusätzlich sei zu erwarten, dass auch für den Güterverkehr Kunden gerne den Schienentransport nutzen würden.

Aus den gesammelten Daten kommt die Studie zum Ergebnis, dass eine Reaktivierung der Strecke volkswirtschaftlich sinnvoll erscheint. Aktuell werde zudem im Rahmen einer Bachelorarbeit an der TH Köln untersucht, ob auch eine Reaktivierung der Strecke Diepholz-Nienburg, und damit die Wiederherstellung des „Sulinger Kreuzes“ sinnvoll ist, so Stölting. Erste Ergebnisse zeigten, dass sich das auch positiv auf die Fahrgastzahlen auf der Strecke Rahden-Bassum auswirken würde.

Stärkung in Konkurrenz der Mittelzentren

Welche Bedeutung ein erneuter Bahnanschluss für Sulingen und das Umland hat, erläuterte Prof. Dr. Axel Priebs vom Geographischen Institut der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Er empfahl allen Akteuren der Region – den betroffenen Landkreisen und Kommunen – die Reaktivierung des „Sulinger Kreuzes“ nicht als reines Verkehrsprojekt zu betrachten, sondern sie als Teil einer integrierten Regionalentwicklung zu verstehen.

Sie diene nicht nur dem Klimaschutz, sondern stärke Sulingen in der Konkurrenz zu den Mittelzentren Diepholz, Nienburg und Syke, was die Attraktivität für die Bevölkerung, die Wirtschaft und den Tourismus angehe.

Erfahrung zeigt: Nutzung nimmt zu im Laufe der Zeit

Von praktischen Erfahrungen mit einer Streckenreaktivierung berichtete Ralf Uekermann, Leiter der Bereiche Eisenbahnprojekte sowie Trassenmanagement und Betriebsplanung der Bentheimer Eisenbahn AG. Das Unternehmen, das neben dem Schienenverkehr für Güter und Personen auch als Busunternehmen und Spedition tätig ist, beteiligte sich an der Reaktivierung der 28 Kilometer langen Bahnverbindung zwischen Neuenhaus und Bad Bentheim im Landkreis Grafschaft Bentheim. Mit einer Investition von rund 23,5 Millionen Euro, von denen das Land Niedersachsen 75 Prozent trug und der Restbetrag vom Unternehmen beigesteuert wurde, konnten drei bestehende Bahnhöfe modernisiert und drei zusätzliche Haltepunkte eingerichtet werden, zusätzlich wurden Bahnübergänge und Gleise erneuert sowie fünf neue Züge beschafft. Von den Busfahrern des Unternehmens sei kein einziger entlassen worden: Die Linien seien so neustrukturiert worden, dass sie als Zubringer zu den Zugverbindungen dienen.

Im ersten Jahr nach dem Betriebsstart im Juli 2019 hätten die tatsächlichen Fahrgastzahlen von durchschnittlich 2 200 Personen pro Tag die Erwartungen von 1 700 täglichen Nutzern deutlich übertroffen. Angesichts des Erfolges solle die Strecke nun bis 2026 nach Norden bis ins niederländische Coevorden und weiter nach Süden bis Gronau verlängert werden.

Nächster Schritt: Einleiten der standardisierten Bewertung

Sehr zufrieden mit dem Kongress zeigten sich Detlev Block und Manuel Kapetschny aus dem Vorstand des AEBB. Rund 50 Teilnehmer habe man gezählt, darunter die Bürgermeister Patrick Bade (Sulingen), Christian Porsch (Bassum) und Heinrich Kammacher (Samtgemeinde Kirchdorf) sowie Vertreter der Landkreise Diepholz und Nienburg.

Bislang sei nur eine Vorstudie für die Reaktivierung erfolgt, der nun die sogenannte standardisierte Bewertung folgen müsse. Dieses Verfahren, das ermitteln soll, ob der zu erwartende Nutzen die Kosten übersteigt, sei der Studie nach erfolgversprechend, so Kapetschny. Die Stadt Rahden, vertreten durch Bürgermeister Dr. Bert Honsel, wolle dieses Verfahren einleiten. Für die Finanzierung sollten Fördermittel eingeworben werden, ein Teilbetrag müsse aber selbst getragen werden. Dafür sollten nun Bande in Richtung der übrigen Kommunen an der Strecke geknüpft werden, zumal Sulingen, Bassum und die Samtgemeinde Barnstorf bereits Mitglied des AEBB seien.

„Wir werden uns bemühen, möglichst bald mit den Kommunen auszuloten, wie die Zustimmung aussieht“, kündigt Block an, denn sie müssten hinter dem Verfahren stehen. Beim Beispiel Bentheim-Neuenhaus hätten alle Kommunen und der Landkreis zusammengearbeitet, ergänzt Kapetschny, aber „das Einfachste wäre, wenn wir mit dem positiven Ergebnis der Studie die Landesregierung überzeugen, dass sie den Bahnverkehr bestellt.“ Zunächst aber solle es ein Treffen der Anliegerkommunen geben, nach Möglichkeit noch vor den Sommerferien, hofft Block. „Wir wollen das breite Interesse der Bevölkerung an der Reaktivierung erhalten.“

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